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Prättigau
07.05.2025
05.05.2025 13:51 Uhr

Winterbilanz: Trocken, schneearm, aber sonnenreich

Im Verstanclatal liegt kaum noch Schnee.
Im Verstanclatal liegt kaum noch Schnee. Bild: T. Egli
Der vergangene Winter war in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich – besonders für die Region Prättigau/Davos. Während Touristiker von einer erfolgreichen Saison sprechen, zeigen Messdaten ein ganz anderes Bild: Es war einer der trockensten Winter seit Jahrzehnten – mit Folgen, die bis in den Sommer reichen könnten.

Im landesweiten Vergleich fiel in Nord- und Mittelbünden am wenigsten Niederschlag, das Prättigau war besonders betroffen. Nur selten lagen die Schneehöhen über dem langjährigen Medianwert. In St. Antönien (1510 m ü. M.) beispielsweise wurden am 23. November 44 Zentimeter Schnee gemessen, bei einem Medianwert von 15 Zentimetern. Damals schneite es gar bis ins Flachland und Städte wie Zürich oder Bern landeten im Verkehrschaos. Auch der 24. Dezember (74 cm) und der 29. Januar (84 cm) lagen in St. Antönien knapp über dem Durchschnitt. Ähnlich sieht es in Klosters bei der Messstation Gatschiefer (2299 m ü.M.) aus. Nur am 25. Dezember lag die Schneehöhe mit 120 Zentimetern knapp über dem Medianwert von 115 Zentimetern. In noch höheren Lagen, wie dem Weissfluhjoch (2536 m ü.M.), wurde dieser aber fast nie erreicht. Besonders im Februar sank die Schneedecke auf ein historisch tiefes Niveau – laut Messreihe des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF eines der niedrigsten in den letzten 90 Jahren.

Niederschlag zum richtigen Zeitpunkt

Und doch war es für viele ein gelungener Winter. «Per Zufall ist der wenige Schnee genau zur richtigen Zeit gekommen. Zudem fiel er zweimal bis ins Mittelland – aus touristischer Sicht sehr wertvoll», erläutert Christoph Marty, Klimatologe beim SLF. Wer sich primär auf der Piste bewegte, konnte dank technischer Beschneiung und häufig sonnigem Wetter gute Bedingungen geniessen. Der wenige Schnee fiel kurz vor Weihnachten oder kurz vor den Sportferien und liess sich bei kalten Temperaturen effizient nutzen. Die Talabfahrt nach Küblis blieb zwar wie bereits im vergangenen Winter geschlossen, doch die Hauptpisten präsentierten sich meist in gutem Zustand.

Laut dem Monitor der Branchenorganisation der Bergbahnen Graubünden liegen die Gästezahlen des Winters 2024/25 per 31. März gegenüber dem Durchschnitt der letzten zehn Jahren mit 15 Prozent im Plus. In der Region Davos/Klosters ist die Gästefrequenz (Anzahl Ersteintritte seit Saisonbeginn bis Ende März) um 11,8 Prozent gestiegen gegenüber dem zehnjährigen Durchschnitt. 

SAC muss Tourenprogramm anpassen

Anders fällt das Fazit bei Free­ridern und Tourengehern aus. Für sie war der Winter schlicht zu trocken. Ausgenommen von einigen traumhaften Wintertagen, war es schwierig, Touren mit viel Pulverschnee zu finden. Vor allem die Zeit der Frühlingsskitouren ist aktuell für Tourengänger deutlich anders als in anderen Jahren. Der SAC Prättigau musste beispielsweise sein Tourenprogramm anpassen: «Einige Touren mussten in den letzten Wochen gestrichen oder angepasst respektive in einer anderen Region durchgeführt werden», so Felix Wyss, der Präsident des SAC Prättigau. In der Region sei es schwierig, ausser man trage die Skier gerne auch mal auf dem Rücken. «Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die Situation einen knappen Monat früher eintrifft als in anderen Jahren», so Wyss. Das zeigt sich auch in den Messwerten. Die Messstation in St. Antönien (1510 m ü.M.) misst seit dem 3. April keinen Schnee mehr. Zum Vergleich: In den letzten 21 Messjahren war dies im Schnitt am 9. Mai der Fall. Noch auffälliger ist diese Tatsache in den höheren Lagen. So beträgt die Schneehöhe am Flüelapass gerade mal noch drei Zentimeter. Normalerweise ist dies im Schnitt Mitte Juni der Fall. «So früh wie in diesem Jahr (16. April) haben wir in den letzten 25 Jahren den Pass bei Weitem noch nie geöffnet», sagt Jürg Rocco, Räumungschef vom Verein Pro Flüela, der sich seit der eingeführten Wintersperre im Jahr 2000 um die Räumung der Passstrasse kümmert. 

Die Bedingungen auf den Pisten waren auch am 1. April noch gut. Bild: T. Egli

Auswirkung auf Bäche und Seen

Die geringe Schneemenge wirkt sich nun auch auf die Wasserbilanz aus. In den ersten knapp 120 Tagen des Jahres 2025 führte die Landquart laut den Messwerten des Bundesamts für Umwelt im Schnitt lediglich 5,9 Kubikmeter Wasser pro Sekunde – im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 29 Kubikmeter pro Sekunde. Auch der Bodensee verzeichnet derzeit einen historisch tiefen Wasserstand. Zwar könnte laut Christoph Marty, Klimatologe beim SLF, ein nasses Frühjahr mit intensivem Regen vieles ausgleichen. Allerdings: «Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Regen in höheren Lagen mehrheitlich als Schnee fallen wird, ist gering. Entsprechend sind dies keine guten Vorzeichen für die Gletscher.»

Markant war nicht Wärme, sondern Trockenheit

War dieser Winter also ein Vorgeschmack auf den Klimawandel? Nicht unbedingt, sagt der Experte. «Vergleicht man die Winter der letzten Jahrzehnte, dann ist der Winter 2024/25 kein typischer Klimawandel-Winter, wie wir ihn in Zukunft erwarten.» Vielmehr sei der letztjährige Winter typisch für den Klimawandel gewesen. Viel Niederschlag und nur in den höheren Lagen Schnee ist im Winter ein grösseres Indiz auf den Klimawandel als die Trockenheit. Klar, war der aktuelle Winter schneearm, was ebenfalls zum Klimawandel passe, aber: «Das Markante war weniger die Wärme, sondern die Trockenheit. Bei dieser handelt es sich um ein Wetterphänomen, wie es in der Vergangenheit vereinzelt schon vorkam.» Anders sieht es mit der zunehmenden Trockenheit im Sommer aus: «Dann ist die Trockenheit sehr wohl ein deutliches Klimasignal», erklärt Marty.

So bleibt dieser Winter zweigeteilt in seiner Wahrnehmung: Für viele Wintersportler war er dank Sonne, technisch präparierten Pisten und guter Planung ein voller Erfolg. Für die Hydrologie und die alpine Natur jedoch war es eine Saison der extremen Trockenheit – mit offenem Ausgang.

Die Landquart führt wenig Wasser. Bild: T. Egli
Tanja Egli