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Küblis
30.04.2025

«Lesen ist niemals verlorene Zeit»

Ramona Simmen ist glücklich über die neue Aufgabe.
Ramona Simmen ist glücklich über die neue Aufgabe. Bild: T. Egli
Seit einem Monat steht die Mediothek Mittelprättigau unter neuer Führung: Die 42-jährige Ramona Simmen wurde zur Präsidentin gewählt – ein Amt, das sie mit grossem Engagement und Leidenschaft antritt.

«Für mich ist es eine grosse Ehre, dass ich für dieses Amt angefragt wurde», sagt Simmen. «Es ist mir enorm wichtig, dass ein Angebot wie die Mediothek weiter besteht – für alle Generationen.» Auch wenn sie überzeugt ist, dass der Betrieb auch ohne sie weitergeführt worden wäre, war es für sie dennoch eine Herzensentscheidung. «Die Leidenschaft für die Mediothek teilen wir als ganze Familie – das hat mir die Antwort leicht gemacht», so die gebürtige Appenzellerin, die seit 2016 im Prättigau lebt.

Ein Ort der Begegnung, Bildung und Kultur

Die Mediothek versteht sich nicht nur als Ausleihstelle für Bücher und Medien, sondern auch als lebendiger Ort der Begegnung. «Alle Mitarbeitenden eint ein Ziel: das Bestehen der Mediothek zu sichern», so Simmen. Veranstaltungen wie Lottonachmittage, Vernissagen, Koffermärkte, Erzählcafés und Shared Reading gehören mittlerweile fest zum Programm – und stammen aus den Ideen der Mitarbeitenden, die vom Vorstand unterstützt werden.

Zurzeit ist die Arbeit jedoch besonders intensiv: Die Leitungsposition ist unbesetzt, was bedeutet, dass Simmen zusätzlich zu ihrer Rolle als Präsidentin auch Führungsaufgaben übernimmt. «Ich führe Mitarbeitergespräche und begleite Neueintritte – wir hatten gerade zwei Abgänge und zwei Neuzugänge. Aber bevor wir jemandem die Leitung übergeben, wollen wir sie zuerst gut in unsere Prozesse einarbeiten.» 

Von der Sportwelt ins kulturelle Bildungswesen

Simmen ist kein Neuling in Führungspositionen. In ihrer Heimat Appenzell war sie bereits im Sport stark engagiert – unter anderem im Turnverein und in der Leichtathletik. «Es ist ein ganz anderer Hut, den ich jetzt trage», sagt sie mit einem Lächeln. «Aber irgendwo lässt sich auch das mit dem Sport vergleichen – Teamarbeit, Einsatz, Ausdauer.» Doch im Bildungsbereich seien Themen wie Öffentlichkeitsarbeit, Gemeindekontakte und Sponsoring deutlich stärker im Fokus, sagt Simmen, die mit ihrem Mann und der Tochter auf einem Bauernhof in Fideris zu Hause ist. «Vor allem im Sommer bin ich auf dem Hof auch noch ziemlich eingespannt.» Das sei etwas ein Gegenspieler zu ihrem Alltag sonst. Ebenso wie ihr neues Amt in der Mediothek. Denn beruflich kommt sie als gelernte Physiotherapeutin und aktuelle Dozentin an der SUPSI in Landquart definitiv aus einer anderen, weniger kulturellen Ecke. Und doch sei es vielleicht ein Stück weit auch genau diese Herausforderung für etwas ganz Neues, die sie gereizt habe.

Analoges ist wertvoll in digitaler Welt

Trotz zunehmender Digitalisierung sieht Simmen in der analogen Welt einen wichtigen Gegenpol. «Natürlich nehme ich im Urlaub auch kein 1000-seitiges Buch, sondern eher den E-Reader mit – aber im Alltag ist das Analoge wertvoller denn je.» Auch wenn CDs und DVDs langsam verschwinden, glaubt sie an die Zukunft physischer Medien. «Das ist niemals verlorene Zeit.» Die steigenden Abozahlen und der Einfluss von BookTok bei Jugendlichen stimmen sie positiv. BookTok ist ein Trend auf der Social-Media-Plattform TikTok, bei dem es ganz ums Thema Bücher geht. Der Name setzt sich aus «Book» (Buch) und «TikTok» zusammen. Auf BookTok teilen Nutzer insbesondere Buchtipps, Rezensionen, Lieblingsszenen etc. Viele Bücher werden so plötzlich zu Bestsellern, nur weil sie auf TikTok viral gehen. Vor allem jüngere Leser entdecken über BookTok wieder ihre Liebe zu Büchern.

Leidenschaft seit Kindesalter

«Es liegt auch an uns Erwachsenen. Wenn wir selbst gerne lesen und mit unseren Kindern in die Mediothek gehen, wird das zur Normalität.» Auch Schulen seien wichtige Partner: Sie holen ganze Medienboxen ab, aus denen Schülerinnen und Schüler ausleihen können – sogar in der Badi Fideris gibt es eine solche Box. Auch bei Ramona Simmen hat die Begeisterung fürs Lesen ihren Ursprung im Kindesalter. Schon damals habe sie den Stofftieren Bilderbücher vorgelesen, und als die Harry-Potter-Bücher auf den Markt kamen, las sie teilweise bis drei Uhr nachts. Gegen Ende der Kanti und während der Studienzeit war Lesen eher ein Must. Doch die Leidenschaft ging trotzdem nie ganz verloren, spätestens dann, als sie erstmals in die Mediothek Mittelprättigau kam, war die Leseratte in ihr wieder zurück. «Ich fühlte mich da gleich vom ersten Moment an wohl.» Und so war dieser Anruf im letzten Herbst wohl auch kein Zufall. Ein Anruf, der ein neues Kapitel eingeläutet hat – für sie und die Mediothek Mittelprättigau.

Tanja Egli