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Stein auf Stein im Prättigau

Vom Steinhaufen zur Trockensteinmauer.
Vom Steinhaufen zur Trockensteinmauer. Bild: P. Müller
Der Wanderweg von Küblis nach Pany ist eine historische Verkehrsverbindung von nationaler und regionaler Bedeutung.

In den Jahren 2023 und 2024 setzte die gemeinnützige Naturschutzorganisation «Naturnetz Graubünden» ein Team von Zivildienstleistenden ein und reparierte die Trockenmauer zwischen Fliess und Mittelberg. In diesem und im nächsten Jahr wird das Stück oberhalb der Kirche in Luzein saniert.

Das Naturnetz ist eine gemeinnützige Naturschutzorganisation. Sie setzt sich mit Tatkraft und Wissen für die Erhaltung der Biodiversität, den Artenschutz und die Aufwertung und Pflege von Naturschutzgebieten ein.

Besonderheiten am Wegrand

Der Fussweg zwischen Küblis und Pany ist geprägt von alten Trockensteinmauern, welche aufgrund des unkontrollierten Wachstums von Eschen und Hasel sowie mangelnder Instandhaltung nicht mehr intakt sind. 

Mit offenem Blick entdeckt man in unserer Region viele solcher mit Trockensteinmauern gesicherten Wegstrecken – und jede Mauer für sich ein kleines Kunstwerk und verbirgt Geschichten und Geheimnisse früherer Zeiten in ihrem Innern.

Wertvolles Kulturerbe

Trockensteinmauern, insbesondere die Technik dieses natürlichen Mauerbaus, gehören zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Sie basieren auf natürlichen, lokalen Ressourcen und fügen sich harmonisch in die bestehende Landschaft ein und verbinden und strukturieren die verschiedenen umliegenden Ökosysteme miteinander. Nicht zuletzt kennzeichnet diese Mauer einen historischen Verkehrsweg von regionaler Bedeutung, welche einen starken Eindruck und ein Gefühl von Heimat auf die Wandernden hinterlässt.

Diese Mauern dienen als biologische Verbindung zwischen Wiesen, Hecken und Wäldern. Verschiedene Tier- und Pflanzenarten profitieren von der Sanierung der Mauern; insbesondere der Wiedehopf und die Zauneidechse wurden bereits in dem Gebiet nachgewiesen. Zudem bieten sie Unterschlupf für verschiedenste Spinnentiere, Insekten, Reptilien, Schnecken, aber auch Wiesel und Marder. Gleichzeitig bilden sie den Untergrund für den Bewuchs mit Moosen und Flechten und sind nicht zuletzt optischer und ästhetischer Blickfang in der Landschaft.

Um die ökologische Qualität und Funktionalität dieses Lebensraums zu verbessern, können Nester für Wiedehopfe angebracht und Unterschlüpfe für Reptilien gebaut werden; ein gutes Beispiel wurde im Jahr 2023 in Mittelberg realisiert.

Bild: P. Müller

Zivildienstleistende im Einsatz

Bei strahlendem Sonnenschein sind vier Zivildienstleistende und ihr Gruppenleiter Marco Peterhans dabei, die Mauer oberhalb der Kirche Luzein zu sanieren. Von der alten Trockensteinmauer, welche zurückgebaut wurde, liegen die einzelnen Brocken bereit, um wieder aufgebaut zu werden.

Die vier jungen Männer sind mit grosser Motivation dabei, einen Beitrag an die Umwelt, an das Kulturverständnis und nicht zuletzt auch für die Sicherheit zu leisten. Denn just unterhalb der Mauer wohnt eine Familie mit kleinen Kindern und wenn sich ein Stein aus der alten Mauer löste, war dies immer auch mit der Sorge um die spielenden Kinder verbunden.

Die jungen Männer haben zumeist die Mittelschule abgeschlossen und leisten nun ihren Zivildienst, bevor sie mit dem Studium beginnen. Einer von ihnen leistet seinen Dienst zwischen zwei Arbeitsstellen und kann so ideal die tote Zeit überbrücken.

Die oft vorherrschende Meinung, dass sich diese Leute vor dem Militärdienst und so vor dem Dienst an der Gemeinschaft drücken, wird hier Lügen gestraft. Bei jedem Wetter sind sie draussen in der Natur, um einen wichtigen Beitrag zum Erhalt unseres Kulturguts zu leisten.

Die schweren Steine kunstvoll aufzuschichten, wo erforderlich mit Meissel und Hammer in die erforderliche Form zu bringen,  ist nicht ganz ohne. Und ab und zu einen blauen Finger von einem misslungenen Hammerschlag gehört auch dazu.

Bild: P. Müller

Die Mauer wächst – Stein um Stein

Noch liegen viele Steine der alten Mauer bereit, um eingesetzt und platziert zu werden. Mit viel Akribie wird jeder Stein sorgsam ausgewählt, behauen und eingepasst, so dass die Stabilität gewährleistet ist. Zudem erklärt Marco Peterhans, welcher eine breitgefächerte Ausbildung aufweist, dass die Hinterfüllung der Mauer extrem von Bedeutung ist, denn sie steht für die Stabilität des Bauwerks.

Die jungen Männer blicken mit berechtigtem Stolz auf ihr Werk; vom nahen Kirchturm schlägt die Glocke zehn Mal – Zeit für die wohlverdiente Pause.

Peter Müller