Mit diesem Gedenkanlass wurde nicht nur des Unglücks vor einem halben Jahrhundert gedacht, das Laubänähus erfuhr auch eine Erweiterung.
Experten im Gespräch
Jann Flütsch hat eine illustre Gesprächsrunde zusammengestellt, welche nicht nur auf Einzelereignisse einging, sondern auch für Grundsatzfragen Red und Antwort stand. Das Publikum: zumeist Einheimische, welche teils die Lawinenereignisse bis zurück in die Vierzigerjahre hautnah miterlebten.
So kamen Erinnerungen auf und führten zu interessanten Einblicken in die Veränderungen und in die Entwicklung der Alpinen Rettung.
Mit Andres Bardill, Geschäftsführer der Alpinen Rettung Schweiz, Forti Niederer, dem vormaligen Rettungschef SAC Prättigau, Seraina Bebi, Hundetrainerin und Suchhundeführerin, sowie Jürg Rocco, ehemaliger Suchhundeführer, gaben gleich vier Personen Auskunft über ihre Aktivitäten im Rettungswesen.
Zudem sassen im Publikum verschiedene ehemalige Retter, auch solche, welche vor 50 Jahren am Jägglischhorn im Einsatz waren.
Und schliesslich war Andy Heilmann zum Gespräch eingeladen, welcher beim damaligen Ereignis, als jüngster Lagerteilnehmer, vom Lawinenniedergang mit betroffen war.
Erinnerungen werden wach
Am Morgen des vergangenen Sonntags stieg Andy Heilmann zusammen mit einer Gruppe Einheimischer mit seinen Ski zum Jägglischhorn auf – zum ersten Mal seit dem Unglück vor 50 Jahren. Seine Erinnerungen enthalten nur noch Eckpunkte des damaligen Ereignisses. So weiss er, dass es so stark schneite, dass man kaum seine Hand vor dem Gesicht sah, eine Orientierung war sehr schwierig. Dies veranlasste ihn, sich eher passiv zu verhalten, und so geriet er nicht direkt in die Lawine und wurde lediglich umgeworfen, aber nicht verschüttet. Als guter Skifahrer wurde er vom Tourenleiter ins Tal hinuntergeschickt, um Hilfe anzufordern. Es sei eine Fahrt auf Biegen und Brechen gewesen, mit kaum Sicht und stetigem Schneefall.
Heute ist Andy in der Schneesportszene engagiert und nach wie vor ein begeisterter Skitourengänger. Das Unglück, welches er in seinen Jugendjahren erlebte, habe er gut verarbeitet und es insbesondere als wertvolles Lernfeld betrachtet.
Rettungswesen – einst und jetzt
Seit dem Unglück am Jägglischhorn hat sich im Rettungswesen einiges verändert. Standen früher die Kameradenhilfe vor Ort und die lokalen Rettungsorganisationen im Vordergrund, so ist die Alpine Rettung heute Teil der REGA-Organisation und zentralisiert. Auch im Ausrüstungsbereich für Tourengänger hat sich vieles getan. Lawinenverschütteten-Suchgeräte LVS sind heute Standard. Allerdings bergen diese Entwicklungen auch die Gefahr der Sorglosigkeit, denn sie bleiben lediglich Hilfsmittel im Falle eines Ereignisses.
Interessant waren die Aussagen zum Einsatzbereich der Suchhunde. Bei einem Ereignis wird gezielt nach Standort und Verfügbarkeit geschaut, um beim Rettungseinsatz mit dem Helikopter möglichst ohne Zeitverlust den Unfallort erreichen zu können.
Weitere Themen, welche angesprochen wurden, waren moderne Kommunikationsgeräte und die persönliche Befindlichkeit nach einem Rettungseinsatz. Bei einem Unfall, insbesondere auf einer Piste, sind sofort viele Handykameras bereit, um Bilder in alle Welt zu verschicken. Gleichzeitig sind diese Geräte wichtig, um Hilfe anzufordern – also Fluch und Segen zugleich.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass das Schlimmste sei, wenn Kinder bei einem Unfall betroffen sind. Etwas überraschend für Aussenstehende mag tönen, dass eine Suche nach Verschütteten als erfolgreich betrachtet wird, auch wenn Menschen nur noch tot geborgen werden können. Denn so würde zumindest die Ungewissheit nach dem Verbleib einer Person beseitigt.
Lawine überlebt – Hochzeit verpasst
Diese einstige «Blick»-Schlagzeile brachte die Anwesenden – trotz des eigentlich ernsthaften Themas – zum Lachen. Gleich zwei Ereignisse in St. Antönien betrafen Hochzeitsgesellschaften auf einer Skitour.
So wussten die anwesenden Zeit- zeugen von verschiedenen Ereignissen zu berichten, welche teilweise glimpflich ausgegangen sind, aber eben nicht alle. In schlimmer Erinnerung bleiben die beiden Unfälle am Chrüz 1947 mit sieben einheimischen Todesopfern und 1983 mit fünf Toten aus dem grenznahen Deutschland. Und ebendieser Unfall betraf eine der zwei erwähnten Hochzeitsgesellschaften, welche im Vorfeld des Festes eine Skitour unternehmen wollten.
Erweiterte Einblicke
Bisher lag der Schwerpunkt der Ausstellung im Laubänähus auf den Ereignissen im Siedlungsraum. Dabei stand insbesondere das Grossereignis vom 20. Januar 1951 im Zentrum, bei welchem 42 Häuser zerstört wurden und eine Person ums Leben kam.
In der Folge davon wurden die Lawinenverbauungen am Chüenihorn erstellt. Die Ereignisse ausserhalb des Siedlungsraums fanden bisher noch nicht Platz.
Die Rückschau auf den Lawinenniedergang vom 6. April 1975 und der Blick auf die weiteren folgenschweren Unfälle, welche Eingang in diesen Bericht erfuhren, trugen dazu bei, dass Lawinenunfälle in St. Antönien, welche Tourengänger betrafen, im Laubänähus einen besonderen Bereich erhielten und so das Bild des Lawinendorfes hinten im Tal erweitert darstellen.
Das Laubänähus ist jeweils am Mittwoch und Samstag von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Auf Anfrage werden für Gruppen ab acht Personen auch individuelle Führungen angeboten.