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Schiers
19.02.2025

«Der Moment des Auftritts ist das, was zählt»

Hinterlässt viele Spuren an der EMS in Schiers: Martin Zimmermann.
Hinterlässt viele Spuren an der EMS in Schiers: Martin Zimmermann. Bild: Ch. Imhof
An der Evangelischen Mittelschule in Schiers geht in ­diesem Jahr eine Ära zu Ende. Martin «Zimi» Zimmermann geht in Pension. Er hinterlässt Fussstapfen, die nur schwierig auszufüllen sein werden. In den 41 Jahren als Schul­musiker und Chorleiter hat er ­Talente gefördert wie kaum ein anderer in Graubünden. Im Mai erhält der Musiker nun ein Abschlusskonzert geschenkt, bei dem sehr viele dieser von ihm Geförderten mitsingen werden.

Martin Zimmermann ist in Davos Wiesen aufgewachsen. Er hat dann das Lehrerseminar in Chur absolviert. Anschliessend war er drei Jahre als Primarlehrer in Seewis tätig. Da er sich als Ziel gesetzt hatte, irgendwann mal Schulmusik am Gymnasium zu unterrichten, entschied er sich, parallel Klarinette zu studieren. «So ein Job, wie ich ihn bei der EMS in Schiers jetzt habe, war immer mein Ziel. Doch ich musste Geld verdienen nebenbei, sonst hätte ich mir das Studium nicht leisten können.» Zuerst habe er ein Diplom als Klarinettist am Konservatorium in Zürich erlangt, anschliessend habe er dann eben Schulmusik studiert. «Heute sind die beiden Lehrgänge vergleichbar mit einem Bachelor und Master.» Mit dem Klarinettendiplom hätte Zimmermann zwar an den Musikschulen auf seinem Instrument unterrichten können, aber die Türen der Schulzimmer wären ihm verschlossen geblieben.

Vier Jahrzehnte an der EMS

Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung unterrichtete «Zimi» für zwei Jahre an der Kantonsschule in Wetzikon, ein Jahr in Dübendorf sowie eines am Gymnasium in Davos. Nebenbei habe er immer Klarinette und Saxofon an der Evangelischen Mittelschule unterrichtet und somit einen Fuss in der Türe gehabt in Schiers. Dann lag plötzlich ein Angebot von der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon auf seinem Tisch. Zimmermann spielte mit offenen Karten und ging direkt ins Büro zum damaligen EMS-Rektor Johannes Flury. «Er bat mich, noch einen Moment zu warten, und hat mir eine Woche später die Stelle angeboten mit Schulmusik. Seit diesem Zeitpunkt bin ich hier.» Das war 1984, und somit hat Martin Zimmermann, wenn er dann Ende des Schuljahres komplett in Pension geht, sage und schreibe 41 Jahre für die Prättigauer Mittelschule gearbeitet. Dass er nicht mit dem Erreichen des Pensionsalters im vergangenen Jahr aufgehört hat, hat unterschiedliche Gründe. «Wir hatten einen kleinen Umbruch in der Lehrersituation. Man musste noch meine Nachfolge regeln und gewisse Aufgaben übergeben. Das hat auf Ende des letzten Schuljahres leider nicht mehr alles geklappt.» Zusätzlich sei noch die Idee entstanden, Zimmermann mit einem Abschlusskonzert des EMS-Chors am 24. und 25. Mai zu würdigen. «Die Komposition wurde an Simon Bühler übergeben. Dieser hat gesagt, dass er dies erst auf dieses Jahr neben seinen anderen Verpflichtungen realisieren könne.» Zusätzlich seien sie an der Schule noch zum Entschluss gekommen, dass es Sinn mache, wenn Zimmermann die Maturaklasse noch bis zum Schluss betreue, was er jetzt auch noch macht.

Hat einfach gestimmt

Nach dem Konzert gehe eine Ära zu Ende, aber bei Zimmermann kommt deswegen keine Wehmut auf. «Ich finde, es ist jetzt auch gut. Da ich die unteren Klassen nicht mehr hatte, kann ich gut loslassen.» Während all den Jahren sei er immer gerne arbeiten gegangen, sagt Martin Zimmermann. «Die Privilegien, die man hat als Lehrer an so einer Institution, hätte ich nirgendwo anders gehabt. Ich hatte wirklich Glück mit meinem Arbeitgeber.» Als Musiker sei er immer sehr freiheitsliebend gewesen, was ihm natürlich im Schulbetrieb sehr entgegengekommen sei. «Der Schulbetrieb hat nur gewisse Zeiten, in denen man wirklich gefordert ist. Und man hat die Möglichkeit, nebenher etwas zu machen.» Zudem habe ihm die Arbeit mit den Jugendlichen so viel gegeben, dass er nie das Bedürfnis gehabt habe, nach etwas anderem zu schauen. «Ganz ein wichtiger Punkt, dass es mir so gefallen hat, war, dass ich nebenher immer Musik machen konnte. Die Freiheiten, die mir Johannes Flury, Hitsch Brosi oder jetzt auch Hans Andrea Tarnutzer gelassen haben in einem Vertrauensverhältnis, hätte ich sonst nirgends erhalten. Sie haben aber auch dafür gesorgt, dass so vieles entstehen konnte.» Es gebe einiges, was er mitnehmen könne. «Seit 15 Jahren hat Schiers ein Musikgymnasium, aus dem unzählige Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker hervorgegangen sind. Ihren Weg zu verfolgen, ist etwas, was mich jeweils sehr erfreut.» In diesem professionellen Bereich hat die EMS und wohl auch Martin Zimmermann einige wichtige Pfähle eingeschlagen. «Wir bieten sicher im Kanton die optimalsten Bedingungen, um später mal Musik zu studieren.»

Zimi mit Jon Domenic Parolini und Ueli Thöny 2022. Bild: Ch. Imhof

Wer übt, wird reich beschenkt

Es werde einige Dinge geben, die der Gewinner des Prättigauer Kulturpreises 2022 vermissen wird. «Vor allem der Kontakt mit den jungen Leuten wird mir sicher fehlen. Mein Umfeld wird bald auf einen Schlag 40 Jahre älter.» Damit der Schnitt nicht gleich so hart ausfallen wird, hat sich Zimmermann entschieden, den Jugendchor Graubünden weiterhin zu betreuen. Dieser Chor, den er vor 21 Jahren gegründet habe, sei immer schon in der Freizeit betrieben worden und habe keinen direkten Bezug zur EMS, auch wenn immer viele Jugendliche gerne bei Zimi ihre Stimmen schulen wollten. «Das ist ja das Schöne: Zwei Drittel des Chors sind ehemalige und aktuelle EMS-Schülerinnen und -Schüler. Gemeinsam mit den anderen hat sich da eine so tolle Gruppe ergeben. Das ist eine spannende, interessante Arbeit.» Die Arbeit mit Jugendlichen und Kindern habe ihn immer sehr agil erhalten. «Es ist spannend, zu sehen, was alles möglich ist mit Jugendlichen. Wie diese bereit sind, Sonderefforts zu leisten.» Die Jungen, die bereit sind, sich richtig reinzuhängen, werden reich beschenkt. «Im Sommer gehen wir beispielsweise mit dem Nachfolgechor Cantus Räticus nach Rom an ein Festival. Und im Herbst treten wir mit dem Jugendchor in Katalonien an einem Festival auf.» Dazu gebe es dann auch noch Radioaufnahmen, Liveschaltungen und vieles mehr. «Das sind Erlebnisse, die sie abholen können auf diese Art. Sie haben begriffen, dass man mehr investieren muss, um dort performen zu können.»

Musizieren statt diskutieren

Das Chorleiten hat Martin Zimmermann schon früh begeistert. Mit 18 begann er beim Männerchor Maienfeld und leitete diesen 13 Jahre lang. Dann übernahm er die Stadtmusik Chur. Diese dirigierte er von 1991 bis 2000. Den Singkreis Davos habe er auch eine Weile übernommen. In seiner ganzen Laufbahn hat der Musiker stets Ensembles geleitet und viel neben der Arbeit an der EMS auch Klarinette gespielt. Viele erinnern sich sicher noch an das Calamus-Trio, mit dem Zimmermann auch über 40 Jahre unterwegs war. «Für mich war es ganz wichtig, dass, wenn du Schulmusiker bist, auch selber viel spielst.» Ihm habe es sehr viel geholfen, um auch das Know-how den Jungen weitergeben zu können. «Als Musiker musst du viel üben, um am Tag X wirklich bereit zu sein und den Nervenkitzel, der dann auftritt, zu verarbeiten. Über Musik zu reden ist eine Sache, Musik zu machen eine komplett andere.» Jede Art von Musik habe eine unmittelbare Wirkung. «Das Momentum ist in der Musik wahnsinnig wichtig. Bei einem Chorauftritt zählt auch schon das Auf-die-Bühne-Gehen, bevor nur ein Ton gesungen wird.» Angst hat Martin Zimmermann deshalb keine vor künstlicher Intelligenz oder dergleichen. «Nichts kann den Livemoment toppen. Der Moment des Auftritts ist das, was zählt. Denn das Auge hört eben auch mit.» Vielleicht auch aus diesem Grund hat Zimi nie gross selber Chorwerke geschrieben. «Einerseits ist das natürlich eine Zeitfrage, neben dem Unterrichten und den Chören. Andererseits gibt es in diesem Sektor so viele faszinierende Werke, aus denen man auslesen kann. Was ich als grosses Privileg empfinde.»

Christian Imhof