Um es vorwegzunehmen: Nachfolgende Geschichte ist nicht gegengecheckt. Es kommen keine Angehörigen zu Wort, keine Ärzte, keine Behörden, keine Unternehmen (mit Ausnahme der Swisscom). Es sind einzig und allein die Schilderungen einer Einzelperson, die seit Jahren der Überzeugung ist, dass die vielfältigen Strahlen, die auf sie – auf uns alle – einwirken, gesundheitlich schädlich sind. Weil M., wie wir ihn hier nennen, ausgebildeter Elektro-ingenieur FH und beruflich im IT-Bereich tätig ist, weiss er, wie man Strahlungswinkel und -intensitäten berechnet und was man unter komplizierten Fachbegriffen zu verstehen hat. «Ich weiss, dass ich mit meinen Problemen nicht allein bin», wird M. am Schluss längerer Gespräche sagen. «Auch andere merken, dass etwas nicht stimmt, können es aber nicht zuordnen.»
Fünf SRG- und 40 private Sender
Der Einfachheit halber geht es im Weiteren nicht um alle Strahlungsarten (zum Beispiel das 5G-Mobilfunknetz und WLAN, die ähnliches Potenzial für solche Beschwerden haben), sondern nur um die Sendeanlage Valzeina, welche das Sarganserland seit Ende der Fünfzigerjahre mit Radio- und TV-Signalen versorgt, wobei das terrestrische Fernsehen seit ein paar Jahren eingestellt ist. Seit Mitte 2017 ist die Anlage auf der 1370 Meter über Meer gelegenen Mittagplatte, die man nachts von weitherum blinken sieht, so erweitert worden, dass sie parallel zum bestehenden UKW-Radio auch das neue digitale Signal DAB+ aussendet. Die Swisscom Broadcasting AG hat diese Arbeiten im Auftrag ihrer Kunden vorgenommen; dies sind namentlich die SRG und Swiss Media Cast, welche ihrerseits die Deutschschweiz und das Tessin mit Digitalradio versorgt – aktuell sind es fünf Sender der SRG und 40 private Anbieter, darunter die in unserer Region gern gehörten Radio Südostschweiz und FM1. Aktuell seien bei der Sendeanlage Valzeina «keine weiteren Anpassungen geplant», teilt die Swisscom Broadcasting AG auf Anfrage mit. Und, ungefragt: «Sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen NIS-Grenzwerte werden in Valzeina – wie selbstverständlich auch an allen anderen Swisscom-Standorten – jederzeit eingehalten.» NIS bezeichnet die nicht ionisierende Strahlung (elektromagnetische Felder). Hierbei ist gemäss M. zu beachten, dass die seit rund 30 Jahren geltenden NIS-Grenzwerte nur auf thermischen Faktoren basieren und keine digital pulsierenden Signale berücksichtigen, da es diese bei der damaligen Festlegung der Grenzwerte noch nicht gab. Die beratende Expertengruppe des Bundes-rates (Berenis; siehe Box) habe nun aber festgestellt, dass die aktuellen Grenzwerte die Bevölkerung nicht vor nicht thermischen Einflüssen schützen würden. «Das ist sehr alarmierend.»
820 Prozent höhere Sendeleistung
Vor der Einführung von DAB im Jahr 2001 war die Leistung aller UKW-Sender mit total 13,5 kW sichergestellt, wie M. darlegt. In den Folgejahren sei für DAB eine zusätzliche Leistung von 29,4 kW installiert worden, «was damals schon mehr als einer Verdoppelung der bisherigen UKW-Leistung entsprach». 2017 erfolgte dann laut M. noch einmal eine Leistungserhöhung der DAB+-Sender um 67,8 kW. «Total wurde mit der Einführung von DAB/DAB+ die Leistung für den Radioempfang in der Region in den letzten Jahren um nicht weniger als 820 Prozent erhöht.» Damit aber endgültig zur Geschichte von M. Dieser verspürte – eben erst von einer schweren Krankheit genesen – ab August 2017 Beschwerden, die sich in Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Erschöpfung, Muskelkrämpfen, Tinnitus, Engegefühlen im Brustbereich, Konzentrationsmangel, Gedächtnisverlust und Muskelschmerzen äusserten. Just zum Zeitpunkt, an dem die Swisscom die letzte Umstellung am Sender Valzeina auf DAB+ vollzogen hatte, verbunden mit einer um mehr als 460 Prozent höheren Sendeleistung im Bereich von DAB+. Im Gegensatz zu den harmonisch verlaufenden, wellenartigen UKW-Signalen werden für die DAB- beziehungsweise DAB+-Nutzerschaft «regelrechte Stakkato-Salven abgefeuert», wie sich M. ausdrückt. Die Digitalsignale seien in sogenannten Ensembles à 16 Sender gebündelt, die in vier Hauptrichtungen ausgestrahlt werden: Chur, Bad Ragaz (bis Walen-stadt), Rheintal (bis Buchs) und ins Vorderprättigau. Auch die Leistung weiterer Rundfunksender im Raum Südostschweiz wurde im Rahmen der Umrüstung auf DAB+ in ähnlicher Grössenordnung erhöht. Betroffen sind Sender wie Maienberg in Vilters, Malixeralp in Malix, Gotschnagrat in Klosters, Feldis, Sartons in Valbella, Känzeli in Chur usw. Einer der Kritikpunkte von M. am Sender Valzeina ist eine «massive und völlig unnötige Mehrfachausstrahlung gleicher Programme, ohne jeglichen Mehrnutzen für den Endkunden». Das Extrembeispiel ist SRF1, das via DAB+ achtfach ausgestrahlt wird mit dem einzigen Unterschied der acht Regionaljournale. Rechnet man die mindestens dreifache Ausstrahlung über UKW hinzu (diese analoge, drahtlos-terrestrische Übertragungsart von Radio-signalen soll bis Ende 2024 verschwinden), «ist nur schon der Sender SRF1 in Bad Ragaz also elffach zu empfangen und verursacht entsprechend unnötige Emissionen».