«Die Region Prättigau, Bündner Herrschaft, aber auch die Gemeinden im Kreis Fünf Dörfer liegen in den Alpen», sagt Leeger. Entsprechend kämen in diesen Regionen auch alle gravitativen Naturgefahrenprozesse wie Lawinen, Wasser, Sturz und Rutschung vor. «Für die Talgebiete im Kreis Fünf Dörfer und der Bündner Herrschaft sind insbesondere die Wasser- und lokal auch Sturzprozesse durch Steinschlag und Blockschlag relevant, welche in den Gefahrenkarten zu Gefahrengebieten führen.» Im Prättigau sei aufgrund der vorherrschenden Geologie zudem der Prozess Rutschung und in den höheren Lagen auch Lawinen von grösserer Bedeutung. Heutzutage werde die Gefährdung durch gravitative Naturgefahrenprozesse in Gebieten, in denen eine massgebende menschliche Nutzung stattfinde, die sogenannten Erfassungsbereiche, im Auftrag des Kantons Graubünden mittels prozessgetrennten Gefahrenkarten beurteilt. «Unter Berücksichtigung von vielen verschiedenen Grundlagen, beispielsweise dem Ereigniskataster, dem Schutzbautenkataster, der Gefahrenhinweiskarten, werden diese Gefahrenkarten durch spezialisierte Ingenieurbüros anhand der schweizweit geltenden Richtlinien und technischen Hilfsmittel erarbeitet.»
Die vier Gefahrenstufen
Schlussendlich gebe die Gefahrenkarte Auskunft über die Gefahrenart, die Häufigkeit (Wiederkehrperiode), zur räumlichen Ausdehnung der Gefährdung und zum Gefährdungsgrad. «Dieser wird mittels roter (erhebliche Gefährdung), blauer (mittlere Gefährdung), gelber (geringe Gefährdung) und gelb-weiss-gestreifter (Restgefährdung) Farbe dargestellt.» Laut Gian Claudio Leeger beraten die kantonalen Gefahrenkommissionen die Ergebnisse der Gefahrenkarten und setzen diese mittels des Plans der Gefahrenkommission in behördenverbindliche Gefahrenzonen um. «Diese Gefahrenzonen werden sodann von den Gemeinden in die Nutzungsplanung übernommen und damit eigentümerverbindlich in der Raumplanung wirksam.» Gefahrenkarten und Gefahrenzonen sind öffentlich zugänglich und können im Internet unter ‘Naturgefahren in Graubünden’ angeschaut werden. Direkt nachschauen, wo ihre Heimat liegt, können Sie, wenn Sie den beigelegten QR-Code scannen.
Permanente Rutschungen im Prättigau
Rutschungen gebe es im Kanton Graubünden und natürlich auch im Prättigau viele, sagt Leeger. Doch bei den Rutschungen werde unterschieden, ob es sich um eine permanente Rutschung, eine spontane Rutschung oder eine Hangmure handle. «Permanente Rutschungen sind in der Regel tiefgründig. Das heisst, der Gleithorizont befindet sich mehr als 30 m unter Terrain. Auch möglich ist, dass sie mittelgründig sind, dann befindet sich der Gleithorizont in 2 m bis 30 m Tiefe. Die spontanen Rutschungen und Hangmuren treten in der Regel in den obersten Bodenschichten bis ca. 2 m auf.» Letztgenannte erfolgen meist während eines grösseren Niederschlagereignisses beispielsweise bei Gewittern oder in Kombination mit der Schneeschmelze, wenn viel Wasser im Spiel sei. «Permanente Rutschungen dagegen rutschen, wie es der Name schon sagt, permanent, also immer. Beispiele für tiefgründige permanente Rutschung im Prättigau gibt es beispielsweise in Seewis, Schiers, Fideris, Saas und Klosters.»
Blatten ist im Tal nicht möglich
Trotz den permanenten Rutschungen gebe es aktuell keinen Grund zur Panik, sagt der Fachmann beim Kanton. «Aufgrund der Lage und den topografischen Verhältnissen unserer Region ist ein vergleichbares Ereignis wie in Blatten sehr unwahrscheinlich.» Das liege insbesondere daran, dass unsere Region viel weniger von den klassischen periglazialen Prozessen betroffen sei. «Gebiete mit Permafrost sind nur noch in sehr reduziertem Ausmass vorhanden. Zum Beispiel an der Nordseite des Rätikons, der Sulzfluh, am Madrisahorn oder am Silvrettahorn.» Bestehende Gletscher wie beispielsweise der Silvretta- oder Verstanclagletscher in Klosters seien aber allesamt sehr weit vom eigentlichen Siedlungsgebiet entfernt. Auf der einen Seite beruhigt das die Nerven, doch anderseits können spontane Rutschprozesse beispielsweise in Form von Hangmuren oder in Kombination mit Wasser vielerorts auftreten. Doch meist seien diese in ihrem Ausmass eher kleinflächig und lokal begrenzt. In höheren Lagen wie beispielsweise in St. Antönien erhalte der Gefahrenprozess Lawine eine wesentlich grössere Bedeutung, sagt Leeger. «Bei starken, aussergewöhnlichen Niederschlagsereignissen können in unseren Tälern aber auch Seitenbäche anspringen und Material in Form eines Murgangs in die Talgebiete transportieren.»