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Jenaz
04.06.2025

Ära voller Herz, Musik und Kochkunst geht zu Ende

Nach 14 Jahren verlassen sie das «Landhaus»: Madlene und Andy Rominger zieht es ins Zürcher Oberland.
Nach 14 Jahren verlassen sie das «Landhaus»: Madlene und Andy Rominger zieht es ins Zürcher Oberland. Bild: T. Egli
Hochzeiten, Geburtstage, Leichenmähler, Konfirmationen, Konzerte – im «Landhaus» Jenaz wurde gelebt, gefeiert, getrauert und gelacht. 20 Jahre prägen Madlene und Andy Rominger mit ihrem unverwechselbaren Stil das kulturelle und kulinarische Leben im Prättigau. Nun neigt sich diese Ära dem Ende zu – mit ihr verabschiedet sich ein Beizerpaar, das weit mehr war als Gast­geber.

Begonnen hat alles 2005 im «Rathaus» in Fideris, wo Andy – selbst aus Fideris stammend – und Madlene ihren Weg als Gastgeberpaar starteten. Damals war noch Rauchen in Restaurants erlaubt – ein Detail, das heute fast nostalgisch wirkt. 2011 folgte der Weiterzug nach Jenaz ins «Landhaus», vermittelt durch Balz und Elisabeth Eggimann, denen die beiden bis heute sehr dankbar sind. Ihr Vertrauen legte den Grundstein für das, was folgte: ein lebendiger Betrieb, der sich aus der Region heraus zu einem ganzjährigen Treffpunkt für Gäste aus nah und fern entwickelte.

Es dauerte etwas länger

Doch die Geschichte von Madlene und Andy beginnt noch viel früher. Andy verbrachte ab den 70er-Jahren 20 Jahre in den USA, bevor er in die Heimat zurückkehrte. Madlene, Mutter zweier Töchter, reiste durch Asien und Sri Lanka. Zufälligerweise machten dann beide Anfang der 2000er-Jahre eine Wintersaison im «Heuberg». Die Familie von Andy, welche auch Madlene schon lange kannte, da sie früher immer in der Arflina die Ferien verbrachten, wusste Bescheid: «Ich sagte ihnen noch, sagt Andy nichts.» Natürlich habe er das aber dann mitbekommen. Er sei direkt runtergekommen zum «Heuberg» in die Küche. Sie sei aber gerade im Keller gewesen. Als sie zurückkam, sagte Marlies, die Schwester von Andy: «Hey Madlene, die Stange hier ist für meinen Bruder, bring du sie ihm.» Als sie sich – nach 14 Jahren ohne Kontakt – wiederbegegneten, wussten beide: Jetzt ist es so weit. Es folgte die Hochzeit in den USA. Zehn Jahre später haben sie dann zu Hause in der Arflina nochmals mit den Leuten von hier geheiratet – ein Kreis hat sich geschlossen. Ihre Wege, so unterschiedlich sie waren, führten zu einem starken, aber auch lange wachsenden Team.

Sie ergänzen sich komplett

Diese Unterschiedlichkeit ist ihre grosse Stärke: Madlene, organisiert, digital versiert, mit einem unvergleichlichen Gedächtnis für Gesichter. Andy, bodenständig, pragmatisch, handwerklich begabt – und bis heute ohne Natel unterwegs. «Das kann ich mir nur leisten, weil sie eins hat», lacht er. Madlene ist eine super Köchin. «Als Gastgeber kriege ich vielleicht dreimal eine Rückmeldung, dass etwas nicht ganz so gut sei. Andere hören das dreimal am Tag – ich dreimal im Jahr. Unter dem Strich sind wir auch nur Menschen, aber ihre Küche ist top.» «Und er ist ein super Gastgeber», betont Madlene. Andy ergänzt: «Ich bin in der Arflina aufgewachsen. Wenn jemand kommt, dann tischt man dem was auf – das habe ich vermutlich etwas im Blut.» Madlene sei ergänzend sehr gut im Organisieren. Ein weiteres Beispiel: Andy habe ab und zu etwas Mühe mit Gesichtern. Madlene hingegen kann auf der anderen Seite der Welt jemanden sehen und wissen: Den oder die kenne ich. So passiert in der Karibik – aus Kochsicht für Madlene Gold – oder in Chur. Da habe sie ihre alte Cevi-Leiterin nach über 30 Jahren an ihrer Körpersprache erkannt. Ein weiteres Beispiel aus dem «Landhaus»: Einmal sei ein Mann gekommen, und Madlene wusste einmal mehr direkt, dass sie ihn kenne. Sie fragte nach und realisierte irgendwann: «Ah ja klar, ich arbeitete in der Mensa deiner Berufsschule!» Eine Gabe, die das Rominger-Beizerpaar unschlagbar macht. «Wir haben eine sehr lebendige Beziehung und ‘cherend’ auch immer wieder. Bei uns ist das nicht so Friede-Freude-Eierkuchen, aber ich denke, das gibt auch den gewissen ­Drive, den wir draufhaben.» Diese Ergänzung, Andersartigkeit und Reibungspunkte haben geholfen, um zu wachsen. In das «Landhaus» seien sie reingewachsen – dank grosser Unterstützung der Jenazer Bevölkerung. Seien es die Bauern, KMU oder Vereine – «sie haben uns immer grossartig unterstützt».

Musiker aus aller Welt

Im «Landhaus» haben sie nicht nur gekocht – sie haben kulturelle Spuren hinterlassen. Über 100 Konzerte fanden statt. «Das Highlight waren The Animals.» Madlene beginnt direkt zu singen: «There is a house in New Orleans …», und strahlt. Das sei etwas Verrücktes gewesen – «eines der grössten Konzerte hier». Ein weiteres Highlight: Meena Cryle. «Ich habe die im Fernsehen gesehen und wusste: Die will ich hierhin holen.» Madlene begann über Social Media zu organisieren und schaffte es, die Sängerin nach Jenaz zu bringen. «Ich habe mit dem Drummer der Band das Konzert über das Hintertürchen abgemacht.» Irgendwann wurde sie dann aber doch etwas nervös, ob die Sängerin wirklich komme – oder nur die Band. «Andy sagte: Frag, wie viele Beine unter dem Tisch sind, wenn sie essen.» So war dann klar, dass auch Meena Cryle kam. Es war rappelvoll im «Landhaus» – kein Wunder, kam die Band nochmals vorbei. Viele, die kamen, kamen wieder. Im Fall von Meena Cryle waren es schliesslich fünf Mal. Die Österreicherin hat auf allen grossen Blues-Festivals der Schweiz gespielt. «Ich habe sie in die Schweiz geholt, das ist für mich heute noch eine Herzenssache», strahlt Madlene stolz. Musiker wurden zu Freunden, manche heirateten sogar im «Landhaus». Bands auf Tour wurden liebevoll beherbergt – «da war ich dann auch mal das Tour-Mami», erzählt Madlene. Auch die Bands vom Country oder Unirock verköstigten die beiden als Sponsoring2 – ein Beitrag an die Kultur im Tal.

Madlene Rominger im Einsatz beim letzten Asia-Buffet. Bild: T. Egli

Asia-Buffet fand grossen Anklang

Auch kulinarisch wagten sie Neues. Die asiatischen Abende – einst belächelt – wurden zum vollen Erfolg. Unihockey-Frauen, Schulräte, Arztpraxen: Bald kamen sie alle. Mancher Skeptiker wechselte nach drei, vier Besuchen vom Kotelett zum Curry. Der Erfolg lag nicht nur in der Küche, sondern in der Atmosphäre, die Madlene und Andy schufen: Weltoffenheit mit Bodenhaftung. Wer ins «Landhaus» kam, konnte von Jenaz aus quasi die Welt bereisen.

Viele langjährige Mitarbeitende

Ihre Mitarbeitenden waren ihnen dabei stets besonders wichtig. Viele arbeiteten über Jahre mit – vier von ihnen länger als sieben Jahre, Patrizia gar über 14 Jahre. Madlene bildete Lehrlinge aus, auch ohne Hotelbetrieb – eine Seltenheit in der Region. Die Gästebriefe im Untergeschoss, aus aller Welt – etwa weil die WC so sauber geputzt waren –, zeugen von Dankbarkeit. «Uns war der Mitarbeiter stets am Herzen, auch wenn es nicht mit allen immer geklappt hat. Aber wir hatten immer gute Leute – mit ihnen haben wir das alles hier geschafft.» Da kullern der sonst so taffen Frau die Tränen über die Wangen.

Weiter geht’s im Zürcher Oberland

Der Abschied fällt schwer. «Als jemand kam fürs Inventar und unsere grosse Saaluhr wollte, kamen mir ebenfalls die Tränen», sagt Madlene gerührt. Andy sieht es etwas nüchterner: «Es ist Zeit für etwas Neues.» Im Zürcher Oberland wartet nun zwischen Rüti und Wald ein kleines Beizli auf sie, auf dem Hof von Madlenes Tochter und Schwiegersohn. Hier wollen sie mit regionaler, traditioneller Küche weitermachen, wie es zu ihnen und den Gästen dort passe. Ganz aufhören kommt nicht infrage. «Wir brauchen die Leute – wenn wir nicht mehr beizern würden, müssten wir zu ihnen gehen», sagt Andy lachend. Das Neue sei nur eine Autostunde von hier entfernt. Er werde die Kollegen von hier behalten und einmal im Monat hochkommen zum Jassen. Vielleicht schaffe er es dann auch mehr auf die Ski – dieses Jahr war es gerade ein Mal. «Klar, hier ist meine Heimat, aber ich brauche den Wechsel. 24 Jahre war ich hier, dann 25 Jahre in Amerika – und jetzt, nach 20 Jahren hier, ist es wieder Zeit für den Wechsel. Ich habe es gern, wieder neue Energie zu spüren.» Madlene ergänzt: «Ich bin froh, dass wir diesen Entscheid gemacht haben, obwohl ich grossen Respekt davor hatte. Aber Andy gibt mir wirklich gute Energie», sagt sie. Dass viele Gäste schon angekündigt haben, sie im Zürcher Oberland zu besuchen, ist Trost und Motivation zugleich.

Abschlusskonzert am 7. Juni

Das allerletzte Konzert im «Landhaus» bestreitet Brent Moyer – der Countrymusiker, der eine Schierserin geheiratet hat, mit dem alles begann und der inzwischen ein Freund wurde. Ein Kreis schliesst sich – wie so viele im Leben dieses Wirtepaares. Und wenn Madlene dann beim definitiv letzten «Landhaus»-Tag am 3. August an der After-Party mit den Mitarbeitenden wieder auf dem Tisch tanzt – dann ist das genau der richtige Schlussakkord für eine Zeit voller Leben, Liebe und Leidenschaft.

Tanja Egli