Markus Patt sagt, er habe als Quereinsteiger einen guten Einstieg ins Präsidium von Jenaz erlebt. «Es ist interessanter, vielseitiger, aber auch noch komplexer, als ich gedacht habe.» Es sei alles sehr umfassend, doch er habe den grossen Vorteil, dass er zu einem eingespielten und gut funktionierenden Team auf Verwaltung und Vorstand stossen durfte. «Man merkt, dass die Gemeinde früher schon sehr gut geführt wurde und ich bin sehr dankbar, dass ich von Anfang an akzeptiert wurde. Es ist ein gesundes Miteinander und nicht ein Gegeneinander, was extrem wichtig und hilfreich ist.» Offiziell wären die Wahlen in Jenaz erst Ende dieses Jahres. Doch sein Vorgänger Werner Bär habe die Weitsicht gehabt, eine geordnete Übergangsphase früher einzuleiten.
Es darf gefragt werden
Diese Zeit brauche es auch, denn er als Quereinsteiger brauche schon noch einige Monate, um sattelfest auf dem neuen Terrain zu werden. «Ich darf aktuell noch die komischen Fragen stellen, weil ich keine Ahnung habe.» Diese Möglichkeit sei für ihn sehr wertvoll, denn es gebe da schon noch Dinge, die in der Arbeitswelt anders laufen als auf einer Gemeindeverwaltung. «Auch nach den ersten Monaten im Amt muss ich immer noch diverse Abkürzungen nachschlagen oder Dienstabläufe nachfragen.» Er wisse noch wenig, aber er könne immer und überall nachfragen. Dass Patt über eine schnelle Auffassungsgabe verfüge, komme ihm zusätzlich zugute. Er erlebe momentan hin und wieder ein Déjà-vu, denn als er vor 22 Jahren die Terno übernommen habe, wusste er ebenfalls nichts über den Stahlbau. «Wenn man nichts weiss, muss man zu den entsprechenden Leuten gehen und sie um Rat fragen. So kann es gemeinsam vorwärtsgehen.» Doch auch wenn Markus Patt nun an der Spitze von Jenaz steht, sieht er sich eher als einen Fünftel des Gemeindevorstands denn als deren Chef. «Es ist wie im Geschäftsleben auch: Wir sind fünf Personen im Gemeindevorstand, welche das Unternehmen Gemeinde leiten, und die Aktionäre sind die Einwohner. Ich muss nicht von allen Aktionären die komplette Zustimmung haben, aber ich brauche eine Mehrheit hinter mir.» In Jenaz werde eine offene und intensive Gesprächskultur gepflegt. «Wir haben jeden Montagabend Vorstandssitzung und beraten da, wie und wann die diversen Projekte angepackt werden.»
PV oder Turbine?
In Jenaz steht einiges an grossen Projekten an. Auf der Agenda haben Markus Patt und der Jenazer Gemeindevorstand unter anderem das Chlus-Energieprojekt. «Da von zwei Seiten beim Furnerbach der Stollen gebohrt wird, betrifft uns das auch als Gemeinde.» Ausserdem seien sie mitten in der Raumplanung beschäftigt. Zudem sei die Sanierung der zweiten Etappe der Kuhgasse im Gange. Beim Wasserreservat Valapint sei eine Neufassung in Planung, welche die bestehenden ersetzen könne. «Analysiert wird da auch eine Turbinierung zur Stromgewinnung, ebenso wie PV-Anlagen auf den Dächern der Schulanlage Feld. Vielleicht ist die Turbine wirkungsvoller, da diese auch bei schlechtem Wetter Strom produzieren kann.» Zudem werde der geplante RhB-Tunnel in der Fideriser Au mit der neuen Linienführung der Nationalstrasse die Gemeinde Jenaz beschäftigten. Die Sanierung der in den 70er-Jahren erbauten Rütibrücke komme in Kürze auch auf den Tisch. Des Weiteren gibt es laut Patt Pendenzen wie Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Polizeigesetz. Dass es einerseits so lange gehe und andererseits Entscheidungen durch die beschränkten Finanzmittel ausgebremst werden, sei schon eine Umgewöhnung für ihn als Unternehmer. Aber er habe ja geahnt, auf was er sich da einlasse. Regional werden sicher noch weitere Projekte hinzukommen, wie z.B. Themen der Präsidentenkonferenz, der Flury-Stiftung sowie des Schulverbands. Doch dank der sehr guten Teams in der Gemeinde sowie auch in seiner Terno, welche ihm den Rücken stärkten, sei Aussergewöhnliches erreichbar.
Der Bahnhof Jenaz wird umgebaut
Bei allen Projekten habe der Umbau des Bahnhofs Jenaz jedoch eine hohe Priorität. Dieser geriet seit längerem in die Kritik, da er längst nicht mehr den heutigen Standards der Barrierefreiheit entspricht. «Im Jahr 2026 wird mit dem Umbau angefangen und Ende 2027 abgeschlossen.» Aussergewöhnlich dabei sei, dass über den Tag durch gebaut werde und voraussichtlich Bahnersatzbusse zum Einsatz gelangen. Auch über den zweiten Bahnhof auf Gemeindegebiet mit dem klingenden Namen «Furna Station» werde momentan häufig gesprochen. «Dort laufen noch Verhandlungen, wie es mit diesem Bahnhof weitergehen wird. Wir wollen da das Optimum rausholen für die Pragger Bevölkerung.»
Fluch und Segen zugleich
In den vergangenen Wochen war ISOS das Schlagzeilen bestimmende Thema schlechthin in den Medien. Das Bundesinventar für schützenswerte Bauten, welches Grüsch, Seewis Schmitten und Küblis von der Liste strich, ist auch in Jenaz seit längerem ein Thema. Sein Vorgänger habe Patt auf Nachfragen vor den Wahlen lachend darauf hingewiesen, dass er ihn erst über das ISOS-Thema informieren wolle, wenn der dann gewählt sei. Nach so vielen Jahren in der Politik hat Werner Bär geahnt, dass der neue Gemeindepräsident wegen dieses Themas oder beispielsweise auch wegen der anstehenden Raumplanung wohl noch einige neue graue Haare kriegen würde. Für Markus Patt ist der Umstand, dass Jenaz immer noch als schützenswert eingestuft wird, Fluch und Segen zugleich. «Das ist positiv vom Ortsbild her, aber sonst will eine Gemeinde ja nicht nur Strickhäuser und keine modernen Bauten.» Ein bisschen beneidet Patt seine Kollegen Thomas Gort, Kurt Kuster und Marcel Conzett. «Der Vorteil ist, sie können jetzt wieder mehr selbst entscheiden und wir haben immer noch eine Instanz obendran, die jetzt sogar noch mehr bei Neu- und Umbauten dreinredet.» Das wolle die Gemeinde Jenaz sicher nicht. Auf diese Liste der schützenswerten Dorfbilder zu kommen, gelte es unbedingt zu vermeiden, sagt Patt. «Wir wollen nicht auf diese ISOS-Liste. Denn da ist man nachher noch mehr unter der Kontrolle.» Den entsprechenden kantonalen und nationalen Ämtern habe schon sein Vorgänger bestätigt, dass Jenaz über ein wunderschönes Dorfbild verfüge. «Dies zum einen, weil die Gemeinde von Bränden im Dorfkern verschont geblieben ist. Zum anderen aber auch, weil man seit Generationen bei Um- und Neubauten auf ein intaktes Dorfbild schaut. Das wollen wir auch künftig beibehalten und haben dies auch mit dem Baugesetz im Griff.» Markus Patt muss schmunzeln. Jetzt habe man das über Jahrzehnte super gemeistert und erhalte als «Zückerli» eine Nennung auf der Liste, die dann eben noch mehr Einschränkungen bedeute. «Auf der einen Seite ist es eine Ehre, auf so einer Liste von schützenswerten Ortschaften aufgeführt zu sein, aber wir werden sicher kein Dorffest organisieren, wenn wir darauf ergänzt werden.» Auch wenn der Gemeindevorstand alle erdenklichen Hebel in Gang setzen wird, um nicht auf die Liste zu gelangen, rechnet er mit geringen Chancen, dass die Verantwortlichen in Bern Jenaz nicht in die ISOS-Inventarliste aufnimmt. Wie in allen Lebensbereichen sei auch als Gemeindepräsident die Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Gegenüber das A und O. Denn so könne man der Bevölkerung offenlegen, was man unternehme und wo andererseits einem die Hände gebunden seien.