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Bixon und die Viertagewoche

Renato und Leandra Stappung gehen neue Wege.
Renato und Leandra Stappung gehen neue Wege. Bild: Ch. Imhof
Lange hatte die Firma Bixon ihre Wirkungsstätte in Landquart. Seit Anfang Jahr sind die in Igis wohnhaften Leandra und Renato Stappung in die Villa Sumatra direkt beim Bahnhof Chur eingezogen. Auch wenn sie nun in geschichtsträchtigen Mauern arbeiten, die Einstellung und der Umgang mit ihren Arbeitnehmern ist progressiver als bei manch anderer Firma.

Renato Stappung war zu Beginn im Studium Unternehmenskommunikation und arbeitete nebenher bei einer Agentur. «Ich konnte da für tolle Brands wie Coca-Cola, den WWF oder ein paar Banken arbeiten und viele Erfahrungen sammeln.» Obwohl er noch heute von den tollen Projekten schwärmt, wuchs in ihm mit der Zeit der Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. «Ich wollte es mal selber probieren ohne Chef vornedran. Das war so die Idee.» Beim Wechsel vom Grund- ins Hauptstudium, also nach zwei von insgesamt vier Jahren, entschied er sich dann 2017, seine Kommunikationsagentur Bixon zu gründen. «Ich habe gesagt, dass ich es mal ausprobieren will, und falls es mit der Selbstständigkeit nicht klappen würde, hätte ich mich ja immer noch bei einer Agentur anstellen lassen können.» Auf diesen Plan B musste der Kreative nie zurückgreifen, da bei der Selbstständigkeit dann alles rasant Tempo aufnahm.

Alles aus einer Hand

Aufgebaut habe er seine Firma alleine. «Ich habe mich in ein Büro eingemietet und am Anfang nur Webdesign angeboten.» Da er zuvor bei der anderen Agentur in der Geschäftsleitung tätig gewesen sei, habe er rasch begriffen, was es brauchen wird, dass Ende Jahr noch etwas übrig bleibt. «Schnell wurde mir klar, dass die Kundinnen und Kunden mehr brauchen als eine Website. Für die Fotos, Videos und Weiteres haben wir dann angefangen, mit Freelancern zu arbeiten.» Der dadurch entstehende administrative Aufwand sei nicht zu unterschätzen gewesen und hin und wieder seien die Kunden auch nicht durchs Band glücklich gewesen mit dem von den Freischaffenden gelieferten Content. «Damals hatte ich eine Kundin, die sehr an mich geglaubt und mich ermutigt hat, doch alles selbst in die Hand zu nehmen.» Es habe in seinem Kopf ein Umdenken gebraucht, da er zwar schon als Hobby fotografiert habe, aber nie daran gedacht hätte, das auch als Dienstleistung zu verkaufen. Als sie dann im 2017 und 2018 angefangen haben, eine Rundumversorgung anzubieten, sei das Geschäft durch die Decke gegangen. «Viele Kunden haben es geschätzt, wenn man an einem Tag vorbeikam, alle Bilder und Videos produzierte und dann nachher eine Website daraus erstellte. Zudem konnten wir punkten, da wir auch schon viele Ideen für die sozialen Medien hatten.» Die Rückmeldungen seien sehr positiv gewesen, da die Kunden sich als Unternehmer wahrgenommen gefühlt hätten und Stappung trotzdem alle Marketing-Zusammenhänge aus dem Effeff beherrscht habe. «So hat sich der Kreis wieder geschlossen und im 2021 kam dann meine Frau Leandra dazu.»

Kommunikation auf  Augenhöhe

Der Fokus der Kommunikationsagentur Bixon liegt auch heute noch auf dem Konzept. Leandra und Renato Stappung setzten auf eine klare Markenstrategie, ästhetisches Design und wirkungsvolles Storytelling – für eine Kommunikation, die bleibt. Diese klare Linie ist ziemlich gefragt, was nicht weiter verwundert. Denn wer ein Angebot im Internet sucht, sieht oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. In dem inzwischen vorherrschenden Überfluss ist eine klare Kommunikation von Angeboten auch bei langjährig aktiven Institutionen oft das Zünglein an der Waage. Und deshalb auch Grund, wieso nicht nur die Website, sondern auch der Inhalt darauf elementar ist für ein Unternehmen. Ebenfalls wichtig sei es den beiden, mit ihren Kunden auf Augenhöhe unterwegs zu sein, sagt Renato. «Eine Zusammenarbeit soll beiden Parteien etwas bringen. Wir werden besoldet und das Unternehmen des Kunden kann wachsen und die gesteckten Ziele erreichen.» Wobei es nicht immer nur um Wachstum gehe. «Manchmal geht es auch um Effizienz, Qualität oder Positionierungsthemen wie die Aussenwirkung einer Firma.» Es gebe aber auch Kunden, bei denen sie nichts beitragen könnten. Dort seien sie dann am falschen Ort. «Wenn wir anfangen, so was zu fabrizieren, das nur kostet und dem Gegenüber nichts bringt, ist es ziemlich kontraproduktiv.» Mund-zu-Mund-Propaganda könne auch viel kaputt machen. «Wenn eine Kunde mit einem anderen telefoniert und sich herausstellt, dass die Leistungen nur viel gekostet, aber nicht wirklich was gebracht haben, dann sind wir raus.»

Die neue Wirkungsstätte von Bixon: Die Villa Sumatra in Chur. Bild: zVg

Pudelwohl in der Region

In der Region gelandet sind die Rheintalerin und der Mann aus dem Zürcher Oberland eher zufällig. «Ursprünglich haben wir im Zürcher Oberland zusammengewohnt, wo Renato auch seine Firma gegründet hatte. Aber uns hat es hier in der Region immer sehr gut gefallen», sagt Leandra. «Der Schritt hierher ist uns nicht wirklich schwergefallen.» Auch wenn die Marketingfirma im Unterland je nachdem grössere und lukrativere Aufträge an Land ziehen könnte, Igis als Lebensmittelpunkt stimme für sie immer noch sehr. Und jegliche Kunden, die in den Anfangsjahren in Zürich akquiriert werden konnten, seien ihnen auch nach ihrem Umzug ins Bündnerland treu geblieben. Renato sagt, dass sich viele Sachen in der Geschäftswelt jeweils einfach ergeben und dass sie nie aus marktrelevanten Gründen ihr Privatleben dem geschäftlichen unterordnen. «Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen Bündner und Zürcher Unternehmen ganz gut ausgeglichen», sagt Renato. «Schön ist es für uns, dass wir mit Institutionen wie dem Juwelier Jäggi, dem Museumscafé Chur, der Argo-Stiftung oder auch Klosters Music zusammenarbeiten dürfen.» Bei diesen Partnerschaften stehe immer der Mensch im Fokus, was die Arbeit definitiv erleichtere. «Wenn man von solch langjährig erfolgreichen Unternehmen Vertrauen kriegt, berührt einen das schon.» 

Viertagewoche statt «stündelen»

Privat und geschäftlich immer gemeinsam unterwegs zu sein, stört das Paar Stappung nicht gross. «Wir finden es schön. Es wäre gelogen, wenn man behaupten würde, dass es nur Sonnenschein gibt in einer Beziehung», sagt Renato. «Wenn man einen Menschen heiratet und in dem Moment ohne Netz und doppelten Boden Ja sagt zu ihm oder ihr, wieso sollte man dann nicht auch mit der Person gemeinsam zusammenarbeiten können?» Es sei noch lustig, wenn jemand mit seinem besten Kollegen eine Firma gründe, frage auch niemand nach, wie das denn so sei. Die heute viel diskutierte Work-Life-­Balance spiele bei ihnen persönlich keine grosse Rolle, da sie das, was sie machen, mit Leib und Seele tun. «Hobby und Beruf grenzen sich bei uns längst nicht mehr ab, sondern fliessen ineinander, was nicht immer einfach ist. Doch wir gleichen das mit einer dreiwöchigen Reise einmal im Jahr aus.» Um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben, spiele eine progressive Einstellung jedoch definitiv eine tragende Rolle. «Die Herausforderung heute ist, dass die Generation, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommt, ein anderes Werteschema hat. Als Unternehmer ist es wichtig, dass man auf das eingehen kann, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.» Es sei wie bei den Kunden: Man müsse sich in die Zielgruppe reindenken und sich überlegen, was denen wichtig sei. «Darum haben wir eine Viertagewoche eingeführt für un­sere Mitarbeitenden.» Bei Bixon werde nicht gestempelt, sondern einfach von Projekt zu Projekt gearbeitet. Wenn dies in einer Viertagewoche möglich sei, gibt es laut Renato Stappung keinen Grund, ihre Angestellten an ihre Arbeitsplätze zu fesseln. Es würden die Ta­ge auch nicht aufgefüllt mit den Stunden des Tages, der als Freitag genommen werde. «Mir ist es lieber, wenn jemand am Freitag auf die Skipiste geht und einen schönen Tag hat, statt dass jemand am Freitag im Homeoffice versucht, die Anwesenheit zu faken.» Die veralteten Strukturen oder auch ein Verbot von Smartphones bringe doch niemandem etwas. «Lieber die vier Tage wirklich präsent hier und intensiv nutzen, als fünf Tage stündelen», fügt Leandra hinzu. 

Christian Imhof