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26.03.2025

Steinschlagschutz aus Holz?

Neu angelegte Steinschlagschutzbaute aus Holz.
Neu angelegte Steinschlagschutzbaute aus Holz. Bild: zVg
Seit jeher führten Steinschläge an Gebäuden und Verkehrs­wegen zu teils immensen Schäden. Dieses Phänomen nimmt durch die aktuelle ­Klimaveränderung stetig zu. Dies heisst, dass Ortschaften und die Infrastrukturen eines vermehrten und verbesserten Schutzes bedürfen.

Neben Stahldrahtnetzen und Betonbauten kennt man im Kanton Graubünden auch Holzbarrieren zum Schutz gegen Steinschläge. Die beiden erstgenannten Schutzbauwerke bieten eine hohe Sicherheit, weisen aber auch gravierende Nachteile auf. So weisen sie einen hohen CO2-Fussabdruck auf. Bei den Stahlbauwerken kommen die umweltschädlichen Oberflächenbeschichtungen der Basismaterialien hinzu. Schutzbauten aus Beton und Stahl sind zudem grundsätzlich teurer als die traditionellen Lösungen mit Holz.

Einige Unbekannte

Im Kanton Graubünden finden sich gut 20 Kilometer solcher alter Holzverbauungen entlang von Verkehrswegen – markant zu beobachten entlang der Bahnstrecke und Strasse zwischen Fideris und Küblis. Die Schutzwirkung dieser Bauwerke hat sich bewährt, aber wegen fehlender bautechnischer Bemessungswerte wird die Anwendung dieser umweltgerechten, natürlichen Schutzbauten immer mehr vernachlässigt. Um diese Wissenslücke zu schliessen, wurde an der Fachhochschule Graubünden FHGR ein Projekt lanciert. Mit besonderen Versuchen und Messungen soll das Potenzial von Holzschutzbauten bei dynamischen Belastungen aufgezeigt und wissenschaftlich untermauert werden. Durch die Erarbeitung von Mess- und Prüfverfahren soll die vermehrte Nutzung von regionalen, nachhaltigen, nachwachsenden Baumaterialien für den Einsatz bei Steinschlagschutzbauten gefördert werden.

Klimatische Veränderungen

An der FHGR ist ein Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR) etabliert, und dies nicht von ungefähr. Ist doch das Bündnerland mit seinen topografischen Gegebenheiten sehr direkt konfrontiert mit den Auswirkungen im Zusammenhang mit Steinschlägen. Aktuell schlägt sich der Einfluss des sich ändernden Klimas direkt auf die Steinschlaggefahr nieder. Der Klimawandel erhöht das Risiko von Steinschlagereignissen. Schmelzende Gletscher und auftauender Permafrost (dauerhaft gefrorene Erdoberfläche) entlassen Steine und Felsblöcke aus ihrem eisigen Griff und lassen diese unkontrolliert zu Tal stürzen.  Dieses Phänomen erfordert die zusätzliche Errichtung von Bauwerken zum Schutz von Gebäuden und Infrastrukturanlagen.

Wissenslücken schliessen

In den letzten Jahrzehnten wurden Steinschlagschutzbauten mit Holzelementen – zugunsten von Stahlbauwerken – kaum mehr errichtet. Dies nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der gezielten Dimensionierung, da, im Gegensatz zu Holzverbauungen, die Kenngrössen von Stahlbauwerken bekannt sind. Dies soll sich nun ändern.

Mit Unterstützung des bündnerischen Amtes für Wald und Naturgefahren und in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Holz des Instituts für Baustatik und Konstruktion an der ETH Zürich ist eine Reihe von Schlagversuchen an gebrauchten und neuen Holzbalken geplant. Dazu soll der an der ETH vorhandene Schlaghammer verwendet werden. Der speziell entwickelte Schlaghammer wiegt 3,5 Tonnen mit einem Pendelarm von 4 Metern Länge und kann auf Holzbalken Schläge von sehr grosser Energie abgeben. Die FHGR hat sich bereits 100 Kastanienholzbalken aus einer 30 Jahre alten Schutzbaute aus dem Gruobenwald ausserhalb von Klosters gesichert. Diese alten und eine Anzahl neuer Balken werden nun auf ihre Eigenschaften überprüft, eben auch mit den Schlagversuchen an der ETH Zürich. Die Ergebnisse werden Aufschluss darüber geben, wie die Auswirkungen von Verwitterung und Alterung des Holzes sich auf die Eigenschaften des Holzes und demzufolge auf das Schutzniveau auswirken. Interesse und Bedarf an dieser Forschungsarbeit wurde vom Amt für Wald und Naturgefahren, der RhB und dem Tiefbauamt Graubünden angemeldet.

Dabei sein, wenn’s kracht

Ab sofort bis Mitte April können Sie bei solchen Versuchen vor Ort dabei sein. Im Baulabor an der FHGR (nach Vereinbarung) erfahren Sie mehr über die statische Testreihe mit neuen und gebrauchten Holzbalken. In der Bauhalle der ETH Zürich (nach Vereinbarung) bei den dynamischen Pendelschlagversuchen mit neuen und gebrauchten Holzbalken.Zudem können im Vorfeld oder im Nachgang derzeit verwendete Steinschlagschutzkonstruktionen aus Holz besichtigt werden.

Seien Sie dabei, wenn die Holzbalken krachend zu Bruch gehen!

Peter Müller