Als er, alias «Rosso», zum ersten Mal gefragt wurde, ob dieser Song von ihm komponiert worden sei, stimmte ihn dies nachdenklich. Er begann zu überlegen, was KI und die Entwicklungen im Zusammenhang mit diesen neuen Möglichkeiten in der Musikbranche bedeuten.
Songs: Selber gemacht oder KI genutzt?

Haarbürste als Mikrofon
Als Marcel zehn Jahre alt war, starb Elvis Presley. Bis dahin noch nicht besonders interessiert an der Musikszene, vermittelten ihm seine Eltern, welche Musik-Ikone soeben gestorben war.
Mit der Haarbürste der Mutter als Mikrofon war der Grundstein für den Einstieg in den Bereich der Töne gelegt. Am Piano, welches zuhause stand, begann er erste Rhythmen zu spielen und erstaunte dabei seine Eltern. Der anschliessende Musikunterricht behagte ihm nicht sonderlich, da er mit einem Notenblatt nicht viel anfangen konnte, denn für ihn war Musikmachen ein Stück Freiheit und nicht Zwang.

Bekannte Grössen als Inspiration
Verschiedene Musiker und Gruppen haben «Rosso» in seinem Schaffen beeinflusst. Zu nennen wären da Led Zeppelin und andere Blues- und Rockgrössen aus den 60ern und 70ern. Rosso widmete sich dann hauptsächlich dem Gitarrenspiel und fand erst viel später auch wieder zum Piano zurück. Züri West und Patent Ochsner, welche Mundartsongs aus seiner Sicht in der Schweiz so richtig salonfähig machten, dienten ihm dann als Inspiration für das eigene Schreiben in Mundart.
Zunächst als leidenschaftliches Hobby, war seine Musik über einen kurzen Zeitraum vor etwa 20 Jahren auch eher kommerziell betrieben, als er sich für verschiedenste Anlässe engagieren liess. Bald erkannte er jedoch, dass dies nicht das Wahre ist und begab sich zurück zum Altbewährten.
Wenn er sich in seinen Musikkeller zurückzieht, entsteht immer zuerst die Musik. Das Texten kommt erst, wenn die Melodie, die Arrangements an der Gitarre und/oder am Piano fertig sind. Er merkt an, und dies sei eigentlich atypisch, besonders kreativ sei er, wenn er unter Druck arbeite. «Ich kann mich zurückziehen und mir vornehmen, bis am Abend einen Song geschrieben zu haben. Ich kann nicht auf die Musse warten, sondern muss da einfach mit Disziplin rangehen. Nicht immer, aber häufig klappt es dann auf diese Weise.»
«Eigentlich könnte ich in einer ‘Song-Fabrik’ arbeiten, wo ich montags bis freitags Kompositionen produzieren müsste – und wahrscheinlich würde dies auch funktionieren.»
Credo seiner Songs ist, dass er alle auch als Einmann-Orchester präsentieren kann und dass sie in Mundart getextet und authentisch sind. Am besten kann er sich so ausdrücken, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – man könnte auch sagen, sein Herz schlägt in seiner Muttersprache.
Künstliche Intelligenz als Bedrohung
Die Einflussnahme von KI auf das Songschreiben stimmt Marcel schon etwas nachdenklich. Es könne gut sein, dass mittelfristig keine merklichen Unterschiede mehr bestehen zwischen Eigenkompositionen und KI-generierten Songs. Zwar habe er noch etwas länger Gnadenfrist, da die Mundart noch nicht so KI-bedroht ist, jedoch auch dies werde sich ändern.
Für die Zuhörerschaft ist es aus Marcels Sicht vielleicht irgendwann gar nicht mehr relevant, wie ein Song entstanden ist, Hauptsache, die Musik gefällt.
«Anders ist dies bei einem Konzert», meint er, wobei auch hier im Zusammenhang mit den Möglichkeiten von Playback-Technik nicht immer alles so klar sei. Am ehrlichsten sei dies bei StrassenmusikerInnen, denn diese Darbietungen sind noch ehrlich und authentisch.

Musik in der Zukunft
Die Entwicklungen in der Musikszene, verbunden mit KI, machen Marcel Roth auch etwas Angst. KI wird immer besser, ausgefeilter, entwickelt sich rasant. Sie greift auf Datenmengen zu, welchen wir mit unseren Erinnerungen, unseren Erfahrungen und unserem Wissen nicht ebenbürtig sind.
So sagt Marcel im Hinblick auf diese Entwicklungen: «Die Frage, ob Songs noch selber geschrieben wurden, ist nicht ganz unberechtigt.»
Am 1. November 2025 feiert Marcel Roth sein Debut mit einem Konzert in Flums, wo er alle seine 20 Eigenkompositionen zum Besten gibt – alle selbst geschrieben und arrangiert.
Der nachfolgende Text und die darin enthaltenen Überlegungen stammen aus der Feder von Marcel Roth.
KI und Musik
Der Umgang mit KI ist derzeit ein absolutes Hype-Thema. Die Veränderungen und Umbrüche ziehen sich durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Auch die Musik ist inzwischen auf umwälzende Art und Weise von KI geprägt. Das mag für reine Hit-Produzenten verlockend und willkommen sein. Schon die Digitalisierung der Musikproduktion vereinfacht die frühere Studiotechnik enorm, was die wertvolle und spezialisierte Handarbeit vieler Studioproduzenten oft obsolet macht. Diese radikale Vereinfachung der Aufnahmetechnik führt seit Jahren dazu, dass auch die Musik zum tendenziell schnelllebigen Wegwerfartikel verkommt. Mit nahezu allen kostenlosen Musikprogrammen kann heute radiotaugliche Qualität produziert werden. Die Deutungshoheit bezüglich radiotauglicher Audioqualität liegt allerdings nicht mehr bei den Musikredaktionen, sondern längst bei den Streamingdiensten.
Im Zusammenhang mit den KI-Möglichkeiten entwickelt sich aber noch ein weiterer Trend und der macht mir eigentlich mehr Sorge als die inzwischen akzeptierte Digitalisierung in der Produktion. Die Digitalisierung konkurrenziert die Ton- und Aufnahmetechnik, KI konkurrenziert nun aber auch die Kreativität. Ich werde vermehrt gefragt, ob meine Songs von mir seien oder ob es eine KI-Produktion ist. Mit solchen Fragen musste man vor zwei Jahren noch nicht rechnen. Da sehe ich eine bedrückende Tendenz: Ich sehe 2 Szenarien für die Zukunft:
- Der künstlerische Hintergrund einer Produktion wird bedeutungslos. Das heisst, Bands und Interpreten sind im besten Fall nur noch auf den Bühnen gefragt. (Was ja nicht nur Nachteile hat). Diese Entwicklung sehen wir ja schon seit der Bedeutungslosigkeit des Tonträgermarkts. 2. Der Urheberstatus eines Songs muss beweisbar werden beziehungsweise es spielt keine Rolle mehr, ob KI dafür verantwortlich ist, dass uns ein Lied gefällt oder ob sich da jemand noch abmüht, Arrangements zu schreiben und Instrumente spielt.
- Bei meinen Songs bin ich der KI derzeit noch einen Schritt voraus, da sich mindestens bei den Mundarttexten derzeit noch jeder Algorithmus «verschlucken» wird. Aber das wird sich wohl auch noch ändern. Diese Entwicklung verleitet mich momentan dazu, meine Musik auf «Retro» zu dimmen. Ich habe derzeit grosse Freude daran, meine bestehenden und neuen Songs im Unplugged-, Akustik-Modus zu arrangieren. Vorerst ist es mir also noch wichtig, dass man meiner Musik meine organische, fehlbare Urheberschaft auch anhört. Im Grossen und Ganzen bedeutet dies, dass ich jeden Song alleine mit der Gitarre oder dem Piano performen kann und zunehmend auch werde. Einer Gefahr muss ich mich zum Glück vorerst noch nicht stellen: Die konsequent angewandte Virtualität in der Musik bedeutet für «amtsmüde» Profis wie Abba oder Kiss inzwischen auch, dass sie als Musiker auf der Bühne durch sogenannte Hologramme ersetzt werden. Dies allerdings setzt ein seliges Bedürfnis von Millionen von Fans voraus. Da hab ich (zum Glück) noch genügend Luft nach oben.
- Rossos brandneuer und topaktueller Mundartsong «Silicon Valley» ist auf mx3.ch/rosso zum Herunterladen bereit. Er beschreibt etwas bissig und ironisch die «Tiefen» der künstlichen Intelligenz: https://mx3.ch/t/1UZv