Der Dialekt von Ursula Huggenberger klingt nicht gerade nach Prättigau. Und doch ist die im Aargau aufgewachsene Frau tief im Tal verwurzelt, da ihre Mutter ursprünglich aus Küblis stammt. Der Grossvater Christian Beglinger war Mitbegründer des Jodelklubs. Die Liebe zur Musik war also an den geliebten Grossvater in Küblis geknüpft. 30 Jahre hat sie in Wien gelebt. Als sie dann zurück in die Schweiz kam, hielt es sie nicht lange im Mittelland und sie ist durch ihre Liebe zur Bergwelt ins Prättigau gezogen. «Ich liebe einfach die Höhenluft, und am liebsten bin ich über der Baumgrenze am Wandern oder Skifahren», sagt sie lachend.
Mit alten Kinderliedern heilen
Ursula Huggenberger ist ein sehr unabhängigkeitsliebender Mensch und sie sagt von sich, dass sie immer noch mit einem Bein in Wien lebe, welche ja als Stadt der Musik bekannt ist. Ursprünglich sei sie hauptberuflich als Blockflötenlehrerin tätig gewesen. «Ich war aber immer schwanger mit der Frage, auf welche Art und Weise das Jodeln eine heilende Wirkung habe. Die wichtigste Antwort fand ich interessanterweise in der indischen Musikpädagogik, wo Tonsprünge in der Musik als Energiebeweger erlebt und verstanden werden. Singen wirkt also vor allem energetisch. Mit der Zeit ging mein Interesse immer mehr in Richtung Heilarbeit mit Musik, Heilarbeit mit der Stimme und der Hörregeneration. Die Hörregeneration erlernte ich bei Anton Stucki, einem Schweizer, der in der Nähe von Berlin zu Hause ist. Am liebsten singe ich heute in meinen Kursen mit den Menschen gemeinsam alte Kinderlieder und Volkslieder. Nicht selten passiert es da, dass Menschen plötzlich erstaunt sagen, dass ihre Schmerzen weg seien. In diesen einfachen Melodien finden wir altes Heilwissen, das wir neu für uns entdecken. Wir verwenden nicht die Silben do, re, mi,… sondern noch viel ältere Silben, welche gezielt im Energiehaushalt Mensch wirken. Was ich heute mache, bezeichne ich gerne als ‘Aufwachmedizin’. Beispielsweise der Kanon ‘Bruder Jakob’ ist, wenn man die Wirkweise der Melodie versteht, wunderbare Heilakupunktur. Manchmal bringt uns auch der Liedtext eine Selbsterkenntnis. Der Schlüssel zu meinem heutigen Musikverständnis war das Studium von Musikpädagogik aus fernen Ländern. Studiert man Musik bei uns im Westen, hört man nichts davon, dass beispielsweise die Oktave in unserem Körper eine Entsprechung hat und der untere Ton dieses Tonabstandes dem Nabel zugeordnet ist. Wir nähren also singend energetisch unseren Nabel. In meinen Kursen tauche ich mit den Menschen tiefer in das bewusste Erleben von Melodien ein, sodass die Motivation für das gemeinsame Singen wieder wächst, in Schulen, Kindergärten und anderen Institutionen, und vor allem auch in den Familien. Die Dur-Tonleiter und die alten Kinderlieder sind beispielsweise sehr stimmungsaufhellend. Wenn das Singen und Klingen wieder vollumfänglich Medizin für unsere Zukunft sein darf, können wir auf viele Medikamente verzichten. Sogar chronische Schmerzen lassen sich oft wegsingen. Und: «Alles Gemeinschaftsbildende brauchen wir heute mehr dann je!»
Klare Sicht und Selbstverantwortung
Ursula Huggenberger erzählt gerne, wieso ihre Arbeit gerade jetzt wichtig wird. Als sie vor Jahrzehnten selber Musik studiert habe, seien diese ganzen wichtigen Informationen ihr nicht vermittelt worden. Sie habe auf ihrem Weg interessehalber dann unzählige Weiterbildungen in unterschiedlichen Therapierichtungen gemacht. «Inzwischen erzählt mir die Musik selbst, wie Heilung von Schmerz aller Art funktionieren kann.» Heute gebe es viele Therapiemöglichkeiten, die bei der Krankenkasse abgerechnet werden können. Das sei einerseits gut, andererseits würde uns dadurch auch Orientierung genommen, was wir selbst für unsere Gesundheit tun können. «Singend sprechen wir den Heiler in uns selbst an. Heute finden wir leider in der Wortschöpfung ‘Musiktherapie’ eindeutig eine Trennung zwischen Musikpädagogik und Therapie, was den wahren Wert der Musik und der Pädagogik schmälert. Vorsicht also gegenüber Wortschöpfungen der heutigen Zeit, sie erschaffen möglicherweise wirklichkeitsferne Realität!»
Raus aus dem Kopf
Es sei wichtig, wieder aus dem Kopf und rein ins Erleben zu kommen. Dafür sei Singen und Tanzen eine wunderbare Medizin. Ursula Huggenberger führt weiter aus: «Auch die Spaltung in der Gesellschaft hört wieder auf, wenn wir zusammen singen und einander interessiert zuhören. Zuhören heisst auch, sich auf das Lauschen, auf das Horchen zu fokussieren. Unsere Sinnesorgane, vor allem das Ohr, haben eine grosse Bedeutung für unsere Fähigkeit, uns zu entspannen. Wenn wir uns berühren lassen von dem, was wir hören, kommen wir wieder zu unserer wahren Natur, und das Diskutieren und die Lust daran hat dann ein Ende, weil wir das liebevolle Miteinander suchen. Es gibt eben einen Unterschied zwischen einem Dialog und einer Diskussion. Wir sind nicht zum Diskutieren geboren, das ist nicht unsere wahre Natur. Da haben wir es heute massiv mit Auswirkungen eines Schulsystems zu tun, das uns der Sinnlichkeit beraubt hat. Es ist die Zeit des Aufwachens und wir dürfen uns die wichtige Frage stellen, was unsere Kinder wirklich brauchen. Auch der Musikunterricht muss vom Leistungsgedanken befreit werden.
Ein Tinnitus muss nicht bleiben
Rund 15 Prozent der Bevölkerung respektive rund eine halbe Million Menschen in der Schweiz sind in irgendeiner Form vorübergehend oder dauerhaft von Tinnitus betroffen. Gegen das stetige Pfeifen im Ohr bietet Ursula Huggenberger die Hörregeneration an. Um unseren Hörsinn genauer verstehen zu können, brauche es ein Umdenken. «Es ist ein Verarbeitungsthema, wenn jemand etwas mit den Ohren hat. Auch Schwerhörigkeit hat mit der Verarbeitung einer Hörinformation zu tun, ist also eine Leistung des Gehirns. Die Geschichte von den abgestorbenen Härchen im Innenohr ist also eher ein Märchen. Unser Gehör ist kein Reifen, der sich abfährt, sonst wären ja alle älteren Menschen schwerhörig. Das Wort Altersschwerhörigkeit ist also auch eine Wortschöpfung, die eine Realität erschafft? Diese Wortschöpfung lenkt davon ab, dass Schwerhörigkeit mit einem Trauma zu tun hat, zum Beispiel mit einer Hörinformation, die uns überfordert hat und die nicht verarbeitet werden konnte. Es geht im Leben doch oft darum, einen inneren Konflikt zu erkennen und nachträglich eine Lösung zu finden. In dem Moment, wo du merkst, dass du einen Konflikt hast und dagegen keine Lösung, kann dir Tinnitus einschiessen.» Es gehe darum, herauszufinden, was einem tief innen beschäftige, welche Hörinformation einem am falschen Fuss erwischt habe. Mehr Information: www-happy-ears-happy-you.net. Literaturhinweis: Anton Stucki «besser hören, leichter leben» AT Verlag