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Küblis
26.02.2025

Ein Haus der Wärme und Geborgenheit

Chnödli drehen – eine alte Gewohnheit.
Chnödli drehen – eine alte Gewohnheit. Bild: P. Müller
Nun ist das Hengerthuus bereits seit einem halben Jahr geöffnet. Zeit, um wieder einmal hineinzuschauen und etwas über den aktuellen Tagesablauf zu erfahren.

Es ist neun Uhr und die Freiwilligen sind dabei, sich auf die Besucherinnen vorzubereiten. Bei einer Tasse Kaffee, mitsamt Gipfeli aus der Dorfbäckerei, lässt sich einiges über bisherige Erfahrungen und Ideen für die Zukunft erfahren.

Betreuung, nicht Pflege

Noch sind die Gäste nicht eingetroffen, Zeit also, um etwas über die Freiwilligen selbst zu erfahren. Nicht überraschend, haben alle einen beruflichen Hintergrund im Pflegebereich und möchten, abseits vom streng getakteten Alltag in einer Pflegeinstitution, ihre Fähigkeiten und Empathie Menschen zukommen lassen, dort wo noch grosser Bedarf ist. Allerdings, ihre pflegerischen Kompetenzen kommen im Hengerthuus nicht zum Tragen, da der Leistungsauftrag dies ausschliesst. Umso mehr – und dies ist deutlich spürbar – rückt das soziale Engagement in den Vordergrund und der Schwerpunkt fokussiert sich auf Betreuung und Aktivierung. Die Besucher des Hengerthuus sind vorwiegend Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten (Demenz).

Inzwischen engagieren sich 15 freiwillige Personen, vorwiegend im Pensionsalter, im Helferteam. Und obwohl diese Aufgabe recht aufwendig ist, ist sie eben auch bereichernd. Dabei dringen Aussagen wie: «einen längeren Traum verwirklichen», «Entschleunigung pur» oder «mit wenig viel bewirken», in die Ohren des Besuchers, sind aber auch wirklich spürbar.

Gerade in unsere schnelllebigen, hektischen und immer mehr anonymisierten Welt sind solche Angebote äusserst wichtig. Wie viele betreuende Angehörige gibt es, welche zwischendurch Entlastung dringend nötig haben? – Und gerade deshalb ist das Hengerthuus ein ganz wichtiger Mosaikstein in unserer Gesellschaft, aber auch auf dem Weg von der Geburt bis zum Abschied.

Die Herzensarbeit beginnt

Es klopft leise an der Tür und die erste Besucherin trifft ein, mit kalten Händen, wie die Betreuerinnen bei der Begrüssung sofort feststellen. Wärmende Hände begleiten die Person an den runden Tisch und es entwickelt sich ein lockeres, fröhliches Gespräch.

Bereits trifft die zweite Besucherin, begleitet von ihrer Tochter, im Hengerthuus ein. Durch den regelmässigen Besuch hier, in den inzwischen vertrauten Räumlichkeiten, kommt auch so etwas wie «Familie» auf, man kennt sich. Bald schon steht, je nach Wunsch und Gewohnheit, eine Tasse Kaffee oder Tee auf dem Tisch und es wird am frischen Gipfeli geknabbert.

Das Menu des heutigen Tages ist auf einem Spiegel notiert: Kartoffelstock, Chnödli und gedämpfte Rüebli. Es gehört zum Hengerthuus, dass die Betreuerinnen das Mittagessen mit den Gästen gemeinsam zubereiten. Eine der Besucherinnen freut sich bereits aufs Kochen, während die andere einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft bevorzugt, denn stricken mag sie im Moment nicht.

Am Mittwoch ist Oase

Interessant ist das Gespräch mit einer betreuenden Angehörigen, welche sich jeweils am Mittwoch entlasten kann, wenn ihre Mutter im Hengerthuus zu Gast ist. So hat sie einmal einen ganzen Tag frei, Zeit für sich selbst und vor allem Zeit zum Verschnaufen – für sie Oasenzeit. Auch für ihre Mutter ist dieser Besuch im Hengerthuus zur liebgewordenen Gewohnheit und Abwechslung geworden – dies ist nicht zuletzt am zufriedenen und glücklichen Gesichtsausdruck abzulesen.

Für Aussenstehende ist diese kräftezehrende Aufgabe kaum wahrnehmbar. Und für betreuende Angehörige ist oft Scham damit verbunden, den betreuungsbedürftigen Menschen ins Hengerthuus zu bringen – sie fühlen, wie wenn sie jemanden abschieben würden. Zudem kommen einem selbst schlechte Gefühle auf, dass man dies nicht zu schaffen imstand ist. Aber auch die Aussensicht «was, die können das nicht alleine!» hindert die Angehörigen oft daran, die Dienste des Hengerthuus in Anspruch zu nehmen. Dies merken auch die Frauen, welche sich um die älteren Menschen kümmern – es ist noch eine gewisse Zurückhaltung spürbar, es braucht noch etwas mehr Zeit. Ein interessanter Vergleich: das Hengerthuus ist doch so etwas wie eine KITA, einfach für ältere Menschen. So wie man inzwischen die Kinder bedenkenlos in die KITA bringt, solle es im Umkehrschluss für Angehörige möglich sein, die Mutter oder den Vater für einen Tag ins Hengerthuus zu bringen.

Die hier anwesende Angehörige meint: «Wenn diese betreuenden Frauen Flügel hätten, sähe man nur die Flügel!» Diesen schönen Worten und der Anerkennung für die Freiwilligen im Hengerthuus ist nichts beizufügen.

Peter Müller