Er blickt auf und schaut in Richtung der gegenüberliegenden Backstube. «Wäre es nach meinem Bubentraum gegangen, würde ich vielleicht da drüben arbeiten», schwelgt Claudio Biedermann in seinen Erinnerungen. Doch das Leben hatte nicht etwa eine Konditorkarriere für ihn vorgesehen, sondern ganz andere Pläne in Aussicht gestellt. Biedermann, Baujahr 1973, ging in Neuhausen zur Schule, ehe er eine vierjährige Elektronikerlehre absolvierte. «Ich wusste, dass ich nicht auf dem Beruf bleiben wollte», erinnert er sich. Der Passion als Snowboarder geschuldet, war bald klar, dass Schaffhausen genau ein solcher Laden fehlt. «Es gab einen Kollegen, der ein Skatergeschäft in der Repfergasse führte, wo es jedoch keine Snowboards gab. Später, nach dem Umzug in die Neustadt 9 1993, durfte ich nach Absprache meine Snowboardartikel im neu benannten ‹Snow Skate› verkaufen.» Die Nachfrage war noch übersichtlich, jedoch erweiterte sich der Kundenkreis stetig. Das Momentum lag auf Biedermanns Seite, denn zusammen mit zwei Kollegen stand die Gründung einer GmbH bevor. Gleichzeitig konnten sich die Jungunternehmer die freigewordene Räumlichkeit an der Oberstadt 17 als Zwischennutzung sichern. Der Name «work4donuts» entstand aus einem Selektionsverfahren verschiedener Vorschläge. «Und dieser klang am besten», schmunzelt Biedermann. Im April 1994 wurde der neue Laden eröffnet, ehe bereits ein Jahr später, wegen dem Umbau des Hotel Rüden, der Umzug in die Oberstadt 21 folgte.
Ein neuer Lifestyle entsteht
Das Timing passte, weil sich auch die Interessen des urbanen Lifestyles der damaligen Jugend kontinuierlich entwickelten. Es war die Zeit, als Hip-Hop und Crossover immer populärer wurden und der «work4donuts» nicht ganz unschuldig am «neuen» Kleidungsstil der Jungen in Schaffhausen war. Sneakers, Hoodies und Baggy Pants waren plötzlich allgegenwärtig. Das Angebot im angesagten Geschäft war für die Zielgruppe ein Paradies: Komplettbekleidungen von Kopf bis Fuss, Ausrüstungsgegenstände für Skating und Snowboarding sowie Zubehör. «Kein Wunsch blieb unerfüllt, und was wir nicht im Laden hatten, bestellte ich über mein Netzwerk», weiss Claudio Biedermann zu berichten. Nicht nur das: Auch an einem CD- und LP-Sortiment konnten sich die Gäste erfreuen. Und sie kamen zahlreich, oft in Gruppen, und bescherten dem «work4donuts» florierende Geschäfte. Konkurrenz durch Warenhäuser oder andere Kleiderläden fürchtete Biedermann nicht: «Die grossen Kaufhäuser waren zu wenig mutig, und falls doch mal eine Marke aufgenommen wurde, passten wir unser Sortiment einfach an und der Frontside Shop ergänzte das Angebot in der Stadt.»
Ausbau des Angebots
Claudio Biedermann nahm auf dem Weg ins Geschäft oft die Abkürzung durch den Posthof und beobachtete, wie der damalige Pelzladen langsam verschwand. «Ich erkundigte mich, ob die Lokalität bereits vermietet sei, was verneint wurde.» Die Idee, den früheren Jukebox-Shop auf dem Herrenacker, wo sich Freunde von «P.I.G. records» über den Baulärm ärgerten, welcher ihre Kundschaft fernhielt, im Posthof unterzubringen, nahm Gestalt an. Im September 2001 wurde der neue Combo-Laden eröffnet. Doch «P.I.G. records» fiel schliesslich dem wachsenden Einfluss des Internets zum Opfer und gab das Geschäft im folgenden Jahr auf. Seither führt Claudio Biedermann seinen Store über drei Verkaufsetagen. «Nach der Idee von Martina Strobel, nutzten wir die zusätzliche Fläche, um eine Abteilung für Frauen einzurichten, da diese zuvor immer zu kurz kamen», erklärt der Inhaber das weitere Vorgehen.
Engagement für die Szene
Claudio Biedermann und sein Team setzten sich stets für die Anliegen ihrer Kundschaft ein, die sich über die Jahre hinweg verwirklichten. Ein Skaterpark wurde an der Mühlenstrasse unter der Autobahnbrücke realisiert, aber auch bei besonderen Projekten wie einer Halfpipe auf dem Herrenacker oder bei Konzertveranstaltungen war der «work4donuts» involviert. «Wir bieten regelmässig Support und unterstützen auch heute noch Aktionen, einfach im Hintergrund», sagt Biedermann. Schon in seinen Anfangsjahren war er aktiv dabei, wie im Oktober 1994, als im alten Tramdepot ein Hip-Hop-Abend mit Sens Unik stattfand. «Stress war damals als Supporter ebenfalls mit dabei. Ihn hatte ich kürzlich wieder getroffen, aber er erkannte mich nicht mehr», lacht er.
Generationen im Shop
Um sich weiterhin erfolgreich zu behaupten, hat er das Sortiment angepasst und legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit – sowohl bei den Produkten als auch beim Recyceln. Selbst die Anhefter der Preisetiketten werden gesammelt und ordnungsgemäss entsorgt. Der Handel hat sich verändert, der Onlinehandel nimmt zu, Trends wechseln schneller und auch die Kundschaft wird älter. «Mittlerweile kommen die Kinder der früheren Stammgäste hier einkaufen», grinst Claudio Biedermann. Ein Paradebeispiel dafür sei sein Lehrling Simao Gabathuler, den er seit dessen Kindheit kennt, da bereits sein Vater zu den Kunden gehörte. «Eine Ausbildung im Detailhandel irgendwo anders hätte ich mir nicht vorstellen können. Hier gefällt es mir sehr gut», bestätigt der 18-Jährige. Während zu Spitzenzeiten fünf Personen im Laden arbeiteten, sind es heute nur noch zwei.