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Seit 35 Jahren unterwegs am Chüenihorn

Martin Hardegger mit «seinem» Chüenihorn.
Martin Hardegger mit «seinem» Chüenihorn. Bild: P. Müller
Letztes Jahr, auf die Weihnachtstage hin, fiel Schnee in grösseren Mengen. Dies bedeutete für Martin Hardegger aus St. Antönien, wieder täglich die Lawinensituation in seiner Umgebung zu beurteilen und die Daten ans Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF weiterzuleiten. Doch dies ist nur eine der vielfältigen Aufgaben von Martin im Dienst des Gemeindezweckverbands «Forst Madrisa».

Schon bald geht Martin Hardegger in den wohlverdienten Ruhestand. Seit 35 Jahren ist er am Chüenihorn mit den imposanten Lawinenverbauungen und bei anderen Schutzbauten und in den Schutzwäldern der Region unterwegs.

Allerdings, so ganz nach Ruhestand tönt es noch nicht, denn in verschiedenen Bereichen seines weitreichenden Aufgabengebiets bleibt er weiterhin aktiv.

Die Werke am Chüenihorn

Wenn der Begriff dieses Bergs fällt, beginnen Martins Augen zu leuchten. Neben seinen vielen anderen Aufgaben sind die Kontrollen und die Überwachung der Sanierungs- und Ergänzungsarbeiten an einer der grössten alpinen Schutzbauten gegen Lawinen «sein Baby». Dies nicht zuletzt im Hinblick darauf, da er selbst am Fuss des steilen Abhangs wohnt, wo je nach Schneesituationen immer wieder mit Lawinenniedergängen zu rechnen ist. Einerseits kennt er die Gegend wie seine Hosentasche und andererseits sind ihm die technischen Daten der Schutzbauten präsent und wie auf Knopfdruck abrufbar. So weiss er, dass die in Beton, später in Stahl gefertigten Werke, welche zwischen 1953 und 1977 errichtet wurden, eine Gesamtlänge von 12 Kilometern aufweisen und mit Kosten von 12 Millionen Franken verbunden waren. Aktuell werden die schadhaften Beton-Werke durch solche aus Stahl ersetzt – bisher 8,5 Kilometer, verbunden mit Kosten von 21,5 Millionen Franken. Diese Massnahmen konnten in der ersten Priorität bis Ende Oktober dieses Jahres abgeschlossen werden.

Von diesen Aufwendungen übernahmen der Bund und der Kanton 80%, die Restkosten bleiben an der Gemeinde hängen. Diese wiederum konnte jahrelang auf die Hilfe von Partnergemeinden zählen.

Gleichzeitig wurden in der näheren Umgebung von Martin weitere Werke gebaut, welche er regelmässig kontrolliert und wenn erforderlich entsprechende Massnahmen einleitet. So sind am Eggberg Lawinenverbauungen mit einer Länge von weiteren 1,4 Kilometern und mit der etwa gleichen Baulänge solche im Gebiet Blaika erstellt worden. Beim Chopfwald stehen eine kurze Verbauung, sowie auf einer Länge von knapp 200 Metern Steinschlagnetze.

Verbauungen beim Holla Stein. Bild: P. Müller

LNB – was ist das?

Martin Hardegger ist in seiner Gemeinde LNB, also lokaler Naturgefahren-Berater. Dazu gehören nicht nur die täglichen Wetterbeobachtungen und Beurteilungen der Lawinengefahren im Winter mitsamt Datenübermittlung ans SLF. Es gilt auch die Grundlagen bereitzustellen, damit die Verantwortlichen die Entscheidungen bezüglich Strassensperrungen treffen können. In diesem Zusammenhang spürt Martin eine sehr grosse Verantwortung, stützen sich die Entscheidungsträger doch grundsätzlich auf seine Beurteilung ab.

Und wenn dann Sperrungen verfügt werden, so kehrt nicht einfach Ruhe und Sicherheit ein. Einerseits besteht der Ärger der Einheimischen, da Zufahrten unterbrochen sind, und andererseits ist ein Unverständnis und eine Sorglosigkeit von Gästen festzustellen. Oft bekommt man dann von diesen zu hören: «Lawinen? Kein Problem, das haben wir schon im Griff.»

Aber auch bezüglich Hochwasser und Rutschungen ist Martin aktiv eingebunden. Hier geht es jeweils auch darum, gegensätzliche Interessen in Einklang zu bringen. Naturschützer machen sich Sorgen um den Auenwald, während andererseits die Gefahren bei entsprechenden Wettersituationen bezüglich der Behinderung des Abflusses der Wassermassen in Betracht zu ziehen sind.

Bild: P. Müller

Auch seit 35 Jahren in der Rettungskolonne in St. Antönien

Wie könnte es auch anders sein, Martin Hardegger ist zudem einige Jahre Rettungsobmann der alpinen Rettung in St. Antönien, wobei er diesen Posten einem Jüngeren aus dem Tal auf den 1. Januar 2025 abgab. Mit so viel Wissen und Ortskenntnissen im Rucksack ist er für diese Aufgabe geradezu prädestiniert. Martin erfüllt diese Aufgabe mit viel Respekt und Sicherheitsbewusstsein. Er fühlt sich für seine Mannschaft verantwortlich und will sie keinen Gefahren aussetzen, so wie letzthin, als er angesichts der Wetterbedingungen auf eine Rettungsaktion verzichtete.

Wenn Martin Ende April in den sogenannten Ruhestand wechselt, so geschieht dies wohl nur auf dem Papier. Mit seinem Herzen, seinen Gedanken und auch noch einigen Aufgaben bleibt er seinem bisherigen Einsatzgebiet treu. Davon zeugen auch seine Aussagen zur Frage, was er eher negativ bewertet und was ihn besonders gefreut hat. Er bedauert, dass man im Gebiet Schlüecht die Aufforstung, die doch einige tausend Franken kostete, nicht besser mit Lawinenverbauungen schützt. Für ihn unerklärlich, dass das eigene AWN dies nicht mehr unterstützen wolle. Auf der anderen Seite sieht er seinen Beitrag zum Bevölkerungsschutz. Durch die Instandstellung der Lawinenverbauungen und die Pflege der darunterliegenden 54 Hektaren Aufforstung konnte er so seine Aufgaben zum Wohle der Einheimischen stets gewissenhaft erfüllen.

Peter Müller