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Jenaz
04.01.2025

«Ich würde alles wieder gleich machen»

Bild: zVg
Am 31. Dezember hat Werner Bär sein Büro in der Gemeindekanzlei im Feld Jenaz ausgeräumt. Zuvor war er siebzehn Jahre für die Gemeinde und davon zehn als Gemeindepräsident tätig. Die Amtsübergabe an seinen Nachfolger Markus Patt habe bereits stattgefunden. Doch ganz ab der Welt sei er ja nicht. «Wenn es mich braucht, werden sie mich finden. Ich bleibe hier in Jenaz, wo ich auch verwurzelt bin.»

Grundsätzlich werde sich Werner Bär in Zukunft raushalten, wenn es um die Gemeinde Jenaz gehe. «Es ist wichtig, dass man sich distanziert. Ich hatte jetzt lange Gelegenheit vorne zu stehen und mich einzubringen.» Sich als ehemaliger Präsident einzumischen und dem neuen Gremium dreinreden, sei etwas vom Dümmsten, was man machen könne. «Das werde ich bewusst nicht machen. Ich werde selbstverständlich auch in Zukunft an die Gemeindeversammlungen gehen. Das habe ich schon so gemacht, bevor ich ins Amt gekommen bin.» 17 Jahre ist eine lange Zeit, in der sich viel Wissen angesammelt habe. Das sehe man vor allem bei den Sachen, die längerfristig angelegt seien. «Neben dem Tagesgeschäft ist man als Gemeindepräsident auch strategisch tätig und mit Dingen beschäftigt, die weit über eine Amtszeit hinauslaufen. Doch es ist ganz wichtig, das Vertrauen zu haben, dass die neuen Leute das anders, aber auch gut machen.» Bär ist überzeugt, dass die Gemeinde Jenaz in guten Händen ist.

Fast zwei Jahrzehnte Politik
Angesprochen auf die Höhe- und Tiefpunkte seiner Legislatur sagt Werner Bär, dass er alles mehr oder weniger nochmals genau gleich machen würde. «Was ich immer sehr geschätzt habe, ist der Kontakt zur Bevölkerung. Mir war es immer sehr wichtig, nahe an der Bevölkerung zu sein. Das ist mir gut gelungen, da ich in Jenaz wohnhaft und als Unternehmer tätig war, respektive immer noch bin.» Es seien viele Erinnerungen, die bleiben werden. «Auch wenn es als Gemeindepräsident hin und wieder schwierige Begegnungen gebe, seien es die positiven Dinge, die überwiegen.» Ganz gerne haben die Jenazerinnen und Jenazer ihren Werner nicht gehen lassen. Das hat Bär bemerkt, als er im März 2024 seine Demission bekannt gegeben hat. «Es geht an den Leuten weniger vorbei, als man vielleicht das Gefühl hat. In Jenaz interessiert es die Bevölkerung, was gemacht wird, was auch die gut besuchten Gemeindeversammlungen beweisen.» Doch auch wenn viele Personen mit Bedauern seine Demission zur Kenntnis genommen hätten, zum Weitermachen überreden lassen habe er sich nicht. «Ich denke, wer mich kennt, weiss, dass ich das nicht nur gesagt habe, weil ich mal einen schlechten Tag hatte, sondern weil ich es von langer Hand geplant habe.» Das sei auch etwas, was man so angehen müsse. «Für mich hat am ersten Januar ein neues Leben angefangen. Da geht ein sehr grosser Teil vom Arbeitspensum, von Abendsitzungen, vom Druck und allem weg.» Er freue sich auf jeden Fall auf die vielen Dinge, die bisher zu kurz gekommen seien. 

Klare Linie statt Mauscheln

Seine Schreinerei im Industriegebiet Garola in Pragg habe ihn nie in einen Clinch mit der Bevölkerung gebracht. «Ich war ja Baufachchef die ersten sieben Jahre und habe von Anfang an gesagt, dass ich eine Schnur spanne. Egal ob der beste Kollege oder jemand, den ich nicht kenne – ich behandle alle gleich.» Die Leute realisieren das laut Bär relativ schnell, wenn man so eine saubere Linie fährt anstatt irgendwas zu mauscheln. «Ich habe mich auch jeweils komplett rausgenommen, wenn es um Aufträge für die Gemeinde gegangen ist. Das war für mich selbstverständlich, dass ich mir nicht selber solche zugeschanzt habe.» Er habe keine Angriffsfläche bieten wollen, wodurch er weder als Gemeindepräsident noch als Unternehmer irgendeinen Nachteil gespürt habe. Werner Bär ist bekannt für die Aussage, dass man als Gemeindepräsident die Gemeinde immer an vorderster Stelle halten muss. Auch wenn er die Entlöhnung als Gewerbler über die Jahre sicher mehr Potenzial gehabt hätte, er bereue keine Sekunde als Gemeindepräsident. «In der Zeit, in der ich hier bin, hat die Gemeinde höchste Priorität. Es geht für mich gar nicht anders, denn man hat ja ein gewisses Bild im Kopf, wie man ein solches Amt über lange Zeit ausführt.» 

Gehen, wenn sie einem noch mögen
Dass sein Vater Werner senior auch mal Gemeindepräsident gewesen sei, habe keinen Einfluss darauf gehabt, dass er sich selbst 2014 als Gemeindepräsident aufstellen liess. «Was natürlich ist, wenn am Mittagstisch politisiert wird, kriegen das die Kinder auch mit. Das Interesse ist in so einer Familie eher da, als in einer, in der Politik keinen Stellenwert hat.» Geplant sei seine Karriere in der Politik nie gewesen. «Ich denke, wenn man es plant, funktioniert es nicht. Es muss wie von selbst kommen und passen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort bei den richtigen Leuten, die dann auch wollen, dass du mehrheitsfähig bist.» Politik sei nicht planbar. Es müsse passieren. «Das Gemeindewohl war bei uns immer ein Thema. Jenaz ist was wert und man setzt sich dafür ein. Das prägt die Kinder natürlich. Doch es gibt auch genügend Fälle, in denen daraus nachher nichts entsteht.» Seit dem 1. Januar hat Werner Bär kein politisches Amt mehr inne, bleibt aber zumindest der FDP erhalten. Sein Rückzug aus der Politik sei etappenweise von statten gegangen. «Ende 2023 habe ich das Präsidium der Region Prättigau/Davos abgegeben. Jetzt den Rest noch.» Für mindestens ein Jahr werde er sich nun auch komplett aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. «Ich werde mich nicht in einem Verein, nicht in einem Club, politisch oder in einem Verband engagieren. Werner Bär ist nicht verfügbar für mindestens ein Jahr.» Dann schaue er weiter. Doch beim Blick in die Glaskugel wird klar, dass der 56-Jährige nicht auf ein Grossratsmandat schielt. Er habe sehr gerne politisiert und sei immer mit viel Herzblut dabei gewesen. «Wichtig ist einfach, dass man den Zeitpunkt zum Gehen nicht verpasst. Man muss dann gehen, wenn die Leute dich noch gerne haben. Und nicht erst dann, wenn ein Grossteil froh ist, dass du gehst.» Des Weiteren gebe es den Moment, an dem man merke, dass man bereit für den Schritt sei. «Es sieht vielleicht einfach so aus, dass ich jetzt wieder viel Freizeit habe, was durchaus positiv ist. Aber man muss sich auch das vor Augen halten, dass ich jetzt 17 Jahre engagiert war und gar nicht mehr weiss, wie es ohne Abendsitzungen ist.» Dazu kämen noch hunderte von Mails und Anrufe über sieben Tage die Woche hinweg, die jetzt einfach nicht mehr da seien. «Es ist eine grosse Umstellung und das muss man sich bewusst sein.» Er sei überzeugt, dass er den richtigen Zeitpunkt erwischt habe und nun in einen neuen Lebensabschnitt starte. Werner Bär hat keine Angst durch diesen Entscheid in ein Loch zu fallen. «Ich hatte den Vorteil, dass ich psychisch und physisch sehr stabil war. Ich fühle mich sehr gesund und bin vorbereitet. Für mich war es eine wunderschöne Zeit. Ich würde es nochmals so machen. Es war eine herausfordernde Lebensschule, die zu meinem Leben gepasst hat. Jetzt kommt eine andere Zeit.» 

Christian Imhof