Darauf folgte laut dem Grüscher eine sehr wüchsige Phase, in der die Erträge auch gestimmt haben. «Wir hatten sicher ein überdurchschnittliches Futterjahr erlebt, wenn man die Erträge anschaut.» Die Alpzeit sei verkürzt gewesen, was zur Folge habe, dass die Erträge in den Alpen magerer ausgefallen seien.
Wolf bleibt brisant
Was im Zusammenhang mit der Alpwirtschaft eine Problematik darstelle, sei das Grossraubwild. «In diesen grossen Gebieten ist es schwierig, die Tiere mit Herdenschutzhunden zu schützen. Und auch dieses Jahr mussten wir wieder Wolfsangriffe verzeichnen.» Das Eingreifen des Kantons mit der Weisung, Problemwölfe aus Rudeln zu eliminieren, habe sich bereits schon bemerkbar gemacht. «Das ist das Positive, was wir aus der Sache ziehen. Wenn man Leittiere aus den Rudeln entnehmen kann, sinken die Risszahlen.» Das sei darauf zurückzuführen, dass die älteren Tiere ihr Verhalten den jüngeren weitergeben. «Die guten, wie die schlechten Eigenschaften gehen dann auf die nächste Generation über.»
Keine Tierseuchen in Graubünden
Auch wenn der Wolf ein brisantes Thema bleibt, von den Tierseuchen blieben die Bauern im Prättigau, aber auch im ganzen Kanton glücklicherweise im Jahr 2024 verschont. Durch die natürlichen Begebenheiten mit den kälteren Temperaturen und dem Umstand, dass es in der Region schon mal prinzipiell weniger Mücken gebe, habe es die Blauzungenkrankheit gar nicht erst nach Graubünden geschafft, sagt Roffler. «Das ist etwas, was mich rückblickend sehr dankbar stimmt, denn die wirtschaftlichen Einbussen für die Bauern sind bei der Blauzungenkrankheit extrem. Ausserdem leiden die Tiere bei diesem Virus, der sonst praktisch in der ganzen Schweiz grassiert ist, sehr stark, da sie schnell sehr krank werden.»
Vegi-Initiative steht bereit
Rückblickend auf das Jahr 2024 ist Aussenstehenden vor allem etwas aufgefallen: Die Bäuerinnen und Bauern mussten im September erneut eine Naturschutz-Initiative abwehren. Die Volksinitiative zur Biodiversität habe sie vor allem personell stark gefordert. «Umso grösser war die Freude, dass alle Gemeinden im ganzen Kanton und sogar in der Hauptstadt Chur ein Nein zur Initiative gesprochen haben. 67 Prozent Nein-Stimmen ist ein enorm hohes Resultat, das wir vor allem auch den Landfrauen, den Jungbäuerinnen und Jungbauern verdanken.» Inzwischen habe man fast schon ein wenig Erfahrung mit den Initiativen. Sie kämen in regelmässigen Abständen und die nächste mit dem Titel «Vegi-Initiative» sei bereits angekündigt worden. Diese werde wahrscheinlich im Jahr 2026 zur Abstimmung kommen. Wie es auf der Website der Schweizer Bauern steht, will die Initiative für eine sichere Ernährung einstehen. Damit werde versucht, die Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln staatlich verordnet zu fördern und jene von tierischen Produkten zurückzubinden. Denn nur mit einer weitgehendst vegetarischen Ernährungsweise für alle liesse sich ihre Forderung von
70 Prozent Selbstversorgungsgrad erreichen. Das stösst bei Thomas Roffler, der in Überlandquart selbst Rindfleisch produziert, natürlich sauer auf. Nicht nur das Thema an und für sich stört ihn, ein Problem sieht er zudem im Fakt, dass die Initiantin Franziska Herren mit einer Agentur auf Stimmenfang gegangen sei. «Da sie so viele Stimmen gekauft hat, ist sie auch so schnell unterwegs. Das ist nicht verboten, das so zu machen. Es erhöht die Effizienz, stärkt aber nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit.»
Alle auf integrierte Produktion und Bio
Dass die Bauern immer wieder Volksinitiativen aufs Auge gedrückt kriegen, lasse sie nicht grundsätzlich kalt, sagt Thomas Roffler. Auf die Frage hin, ob «weniger vielleicht doch hin und wieder mehr» wäre, zeigt sich der höchste Bündner Bauer auch mal selbstkritisch. «Wir schauen jede Volksinitiative und jegliche agrarpolitische Veränderung intensiv an. Wir sind auch immer daran interessiert, uns weiterzuentwickeln.» In Acht-Jahres-Schritten gebe es neue Gesetzesrevisionen, die den Rahmen für die Landwirtschaft vorgeben. Die Landwirtschaftspolitik sei nicht alleine von der Landwirtschaft gemacht. Das seien Gesetzesprozesse auf Bundesebene, die vom National- und Ständerat verabschiedet werden. «Wir versuchen, uns in jeder neuen Etappe der Agrarpolitik dem Zeitgeist anzupassen.» Die Bauern haben laut Roffler in den vergangenen Jahren viele Massnahmen im ökologischen Bereich umgesetzt und man habe dort viele Fortschritte gemacht. «In Graubünden haben fast alle Betriebe auf integrierte Produktion und Bio umgestellt.» Dass die Initianten in allen Bereichen grundsätzlich falsch liegen mit ihren Anliegen, könne man nicht behaupten. «Im gleichen zeitlichen Rahmen, als die Trinkwasserinitiative aufkam, habe das eidgenössische Parlament den Absenkpfad für Pflanzenschutzmittel beschlossen.» Dieser sei im vergangenen Jahr umgesetzt worden. «Die Initianten geben uns bei jeder Abstimmung auch immer wieder die Möglichkeit, die Landwirtschaft der Bevölkerung zu erklären und weiterzuentwickeln. Die Agrarpolitik wird auch dank Einflüssen der Bevölkerung und der Politik verbessert. Den Zeitgeist ignorieren wir nicht.»
Kampf der Bürokratie
Im kommenden Jahr hat die Landwirtschaft einiges geplant, wie Thomas Roffler sagt. «Wir erwarten eine Gesetzesänderung auf den 1. Januar 2030. Das Landwirtschaftsgesetz zu ändern, braucht eine grosse Vorarbeit.» Der Bündner Bauernverband habe beschlossen, diese Vorleistungen jetzt schon zu erbringen. «In Arbeitsgruppen werden wir uns um das Aufgleisen der Agrarpolitik 2030 kümmern. Es geht bei der Agrarpolitik auch um den Einbezug der Sömmerungsgebiete.» Die Agrarpolitik richte sich anschliessend bis ins Jahr 2042. «Das ist jetzt das erste Mal so, dass die Periode vom Bundesrat selbst verlängert wird. Bis jetzt war es immer in achtjährigen Schritten abgehandelt.» Darum wollen sie sich jetzt schon ganz seriös auf die Gesetzesdiskussion zur «AP2030» konzentrieren. «Für uns geht es um sehr viel. Ein Teil der Agrarpolitik 2030 ist auch das Direktzahlungssystem. Der Bundesrat hat der Branche ausserdem aufgegeben, eine ganzheitliche Betrachtung des Ernährungssystems zu machen.» Dabei gebe es erstmals eine Verschmelzung des Ernährungssystems und der Direktzahlungen. «Man koppelt das aneinander und das finde ich eine gute Idee. Weil wir so viele Initiativen bereits abgewehrt haben, wird nun nicht nur die Ernährung, sondern auch die Entwicklung im ländlichen Raum angeschaut.» Der Bundesrat habe ihnen eine grosse, aber sehr spannende Aufgabe aufgebürgt. «Das gibt auch eine Grundsatzdiskussion über den administrativen Aufwand. Dort sind wir heute an einem Punkt angelangt, wo die Bürokratie Überhand nimmt und fast nicht mehr zu bewältigen ist.» Das Ziel sei, dort durch gewisse Massnahmen das Ganze zu entschlacken, was aber nie auf Kosten der Qualität gehen dürfe.