Markus Patt ist kein Politiker im klassischen Sinne. Wie schon vor mehr als zwanzig Jahren bei der Terno Stahlbau AG, wo er als branchenfremder Quereinsteiger begann und sich erfolgreich hocharbeitete, wird er auch in seine neue Funktion frischen Wind und einen unkonventionellen Blickwinkel mit einbringen. Seine klare Devise lautet, sich auf die zentralen Aufgaben der Gemeinde zu fokussieren und so eine nachhaltige Entwicklung für Jenaz zu fördern.Mitte 2023 sorgte die Ankündigung von Werner Bär, sein Amt als Gemeindepräsident von Jenaz für Ende 2024 niederzulegen, für Aufsehen. Der Entscheid des langjährigen FDP-Politikers stellte die 1145-Seelen-Gemeinde im Mittelprättigau vor eine unerwartete Herausforderung. Trotz intensiver Bemühungen von Privaten, der Geschäftsprüfungskommission sowie dem Gemeindevorstand blieb die Suche nach einem geeigneten Nachfolger lange Zeit erfolglos. Die Dringlichkeit der Situation wurde auch von engagierten Persönlichkeiten wie Markus Patt, Grossrat Walter Hartmann und Andreas Eggimann erkannt. Gemeinsam führten sie zahlreiche Gespräche und suchten nach potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten. Doch die Aufgabe erwies sich als schwierig. «Wir haben nach vielen Gesprächen gemerkt, dass es schwierig sein wird, das Präsidium abzudecken, weil es einen direkten Einstieg in die Exekutive verlangt.» Trotz der Hürden brachte die Suche positive Entwicklungen mit sich: Es konnten einige Personen gewonnen werden, die für zukünftige Positionen im Gemeindevorstand in Frage kommen. Diese Perspektive gibt Hoffnung, dass die Gemeinde Jenaz langfristig gestärkt aus der aktuellen Herausforderung geht.
«Ich muss anders einteilen»
Nach 22 Jahren in der Leitung von Terno steht Patt vor einer bedeutsamen Veränderung: Er wird künftig die operative Leitung der Firma abgeben und sich den neuen Herausforderungen widmen. Obwohl er schon früh als Nachfolger für den bisherigen Gemeindepräsidenten Bär gehandelt wurde, war er zunächst zurückhaltend. «Es reizte mich extrem, nach so langer Zeit eine neue Aufgabe zu übernehmen. Doch der Zeitpunkt schien mir zwei bis drei Jahre zu früh» erklärt Patt. Ursprünglich war geplant, die gesamte Geschäftsführung erst ab 2027 an Philipp Seith zu übergeben. «Wenn die Ersatzwahl später erfolgt wäre, hätte ich mich schnell überzeugen lassen», so Patt. Nun aber, da die Ausgangslage sich geändert hat, gab es intensive interne Diskussionen bei der Firma Terno. Ein wichtiger Faktor war die Möglichkeit, ab Mitte 2025 die aktuelle KV-Lernende Cindy Kessler in eine feste Rolle zu übernehmen. «Das gibt uns ab Juni 2025 etwas Luft,» erläutert Patt. Die Übergabe der Firma selbst werde dadurch jedoch nicht vorgezogen. Vielmehr gehe es darum, die derzeitige sehr hohe Arbeitsbelastung auf ein normales Vollzeitpensum zu reduzieren. «Ich muss es einfach anders einteilen. Mein Vorteil ist, dass ich viele Arbeiten auch von zuhause aus erledigen kann und nicht immer im Büro in Küblis sein muss.» Patt betont die Bedeutung eines straken Teams – sowohl bei der Terno als auch in der Gemeinde. Mit dem Rückhalt seiner Mitarbeiter ist er überzeugt, dass die Übergangszeit zwar fordernd, aber auch lehrreich sein wird. Diese Veränderung markiert nicht nur einen Wendepunkt in der Führung der Terno, sondern auch eine neue berufliche Etappe für Markus Patt, der als Quereinsteiger gespannt auf die kommenden Herausforderungen blickt.
Chancen des Quereinstiegs
In der Gemeinde Jenaz musste eine ungewöhnliche Lösung gefunden werden, nachdem der bisherige Gemeindepräsident seinen Rücktritt erklärt hatte. Traditionell wird dieses Amt von einem Mitglied des Gemeindevorstandes übernommen. Doch diesmal erwies sich dies als schwierig, da alle Vorstandsmitglieder entweder stark in ihrem eigenen Unternehmen eingebunden oder mit ihrem aktuellen beruflichen Status zufrieden sind. Markus Patt, ein Quereinsteiger, wurde schlussendlich für die Position des Gemeindepräsidenten gewählt. Obwohl dies von der Norm abweicht, sieht Patt darin eher Vor- als Nachteile. «Wenn man jemanden zwingen müsste, ein Amt zu übernehmen, wäre das suboptimal und wenig förderlich für die Weiterentwicklung des Teams», erklärt er. Mit seinem Hintergrund als Unternehmer bringt er eine andere Perspektive auf die Gemeindepolitik. Sein Ansatz als neuer Präsident ist von einer pragmatischen Haltung geprägt. «In der ersten Phase des Kennenlernens wird vieles wie bisher weitergeführt. Änderungsvorschläge werden Schritt für Schritt eingebracht und analysiert», so Patt. Gleichzeitig betont er, dass die Entwicklung der Gemeinde nicht allein von ihm abhänge. Es brauche Lösungen, die im Dialog mit dem Gemeindevorstand und der Bevölkerung entstehen und alle Beteiligten weiterbringe. Ein grosser Vorteil sei die solide Führung, die die Gemeinde bereits aufweise, sodass keine überstürzten Änderungen nötig seien. Dennoch stellt sich die Frage, ob ein Machertyp wie Patt bereit ist, sich in die bestehenden Strukturen einzufügen. Er selbst sieht darin kein Problem: «Als Teamplayer kann ich Mehrheitsentscheide gut akzeptieren und stehe hinter dem Kollegialitätsprinzip.» Politische Fettnäpfchen schliesst er nicht aus, betont jedoch seine Bereitschaft, Rat einzuholen, wenn es notwendig ist. Sein Ziel ist es, Präsident für alle Bürgerinnen und Bürger von Jenaz zu sein – jedoch nicht, um individuelle Interessen zu bedienen. «Partikularinteressen haben keinen Platz», stellt Patt klar. Er sieht sich als Vertreter des gesamten Gemeindevorstands und betont, dass Entscheidungen im Gremium getroffen werden: «Ich stehe nur vorne hin und kommuniziere diese.» Die Gemeinde Jenaz startet mit Markus Patt in eine neue Ära. Seine Offenheit, sein unternehmerisches Denken und sein Fokus auf Teamarbeit lassen darauf hoffen, dass auch ein Quereinsteiger das Amt des Gemeindepräsidenten erfolgreich ausfüllen kann.
Melioration wird wieder Thema
Markus Patt, der die Meliorationsdebatten seiner Vorgänger Werner Bär und Valentin Luzi hautnah miterlebt hat, erinnert sich vor allem an die hitzigen und teils gehässigen Diskussionen rund um das Thema. Die emotionale Auseinandersetzung hinterliess bei ihm einen bitteren Nachgeschmack. Besonders störend empfand Patt die zahlreichen Leserbriefe, die in der Öffentlichkeit zirkulierten: «Leserbriefe gegenüber der Gemeindeverwaltung sind wie Boxen gegen einen Blinden, der sich nicht wehren kann», kritisiert er. Trotz der damaligen Kontroversen sieht Patt die Melioration als eine unvermeidliche Herausforderung für die Zukunft. Der 54-Jährige betont, dass die finanzielle Lage der Gemeinde es nicht zulasse, mittelfristig auf Fördermittel des Kantons und des Bundes zu verzichten. Gleichzeitig erkennt er die Dringlichkeit, das Strassennetz der Gemeinde zu modernisieren. Als Beispiel nennt er die Bahnhofstrasse in Pragg, deren schlechter Zustand selbst bei kurzen Fahrten spürbar sei: «Wenn ich mit meinem Smart dort hinauffahre, bekomme ich fast eine Hirnerschütterung», scherzt Patt. Er bemängelt, dass in der Vergangenheit bereits über Linienführungen diskutiert wurde, bevor überhaupt konkrete Projekte andiskutiert wurden. Für ihn ist eine transparente und frühe Kommunikation der Schlüssel, um die Bevölkerung in solche Projekte einzubinden. «Die Gelder von Bund und Kanton müssen wir abholen, und das wird nur gelingen, wenn von Anfang an klar ist, worum es geht», erklärt Patt. Er sieht es als essenziell an, auch Gegner frühzeitig einzubeziehen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. «Wenn die Kommunikation nicht funktioniert, wird es schwierig», betont er. Auch in finanzieller Hinsicht warnt Patt vor einer kurzsichtigen Haltung. Das jüngste Beispiel der Sanierung der Kuhgasse-Strasse verdeutliche, dass von den rund 2,1 Mio. Franken Gesamtkosten einen Teil über Subventionen finanziert worden wären, da sich eine Teilstrecke in der Landwirtschaftszone befinde. Patt ist überzeugt, dass die Melioration in den nächsten zehn Jahren erneut auf die politische Agenda kommen wird. Voraussetzung dafür sei jedoch eine saubere Vorbereitung und klare Kommunikation, um die Bevölkerung mitzunehmen und ein nachhaltiges Projekt umzusetzen. «Unsere Steuergelder fließen sonst einfach in andere Regionen wie das Oberland oder das Engadin, und die Jenazer profitieren nicht davon», relativiert Patt. Ein erneuter Anlauf zur Melioration könnte, wenn er sorgfältig geplant werde, nicht nur die Straßenproblematik lösen, sondern auch die langfristige Entwicklung der Gemeinde sichern.
Geschäftsführermodell als Lösung?
Die jüngsten Diskussionen rund um die Wahl in Jenaz haben gezeigt, dass die Besetzung des Gemeindevorstands zunehmend zur Herausforderung wird. Ein Problem stellt dabei die Vergütung dar, die Gemeindevorstandsmitglieder erhalten. Die Diskrepanz zwischen Arbeitsaufwand und Entschädigung erschwert es zunehmend, qualifizierte und motivierte Personen für diese öffentlichen Ämter zu gewinnen. Derzeit entspricht die Vergütung des Gemeindepräsidenten etwa einem 40-Prozent-Pensum, obwohl der tatsächliche Arbeitsaufwand oft bis zu 60 Prozent beträgt. Dieses Ungleichgewicht macht es insbesondere für Personen mit jungen Familien und finanziellen Verpflichtungen schwer, ein solches Amt zu übernehmen. Öffentliche Ämter sind zwar mit einem gewissen Idealismus verbunden, doch finanzielle Einbußen von mehreren Tausend Franken jährlich können für viele potenzielle Kandidaten abschreckend wirken. Ein Gemeindevorstand müsse sich das Amt leisten können, was de facto einen grossen Teile der Bevölkerung ausschliesse, so Patt. Dies widerspreche dem Gedanken, dass öffentliche Ämter einer breiten Bevölkerungsgruppe zugänglich sein sollten. Um die Attraktivität solcher Ämter zu steigern, wäre unter anderem die Prüfung eines Geschäftsführermodells zu hinterfragen. Dieses Modell könnte eine Lösung darstellen, wie es derzeit auch in anderen Gemeinden diskutiert wird. Eine professionelle Leitung durch einen Geschäftsführer könnte einerseits den Arbeitsaufwand reduzieren und andererseits sicherstellen, dass qualifizierte Personen sich nicht durch finanzielle Nachteile oder mangelnde Sozial- und Pensionskassenleistungen von der Kandidatur abhalten lassen. Neben der finanziellen Entschädigung betont Patt auch die Notwendigkeit klarer Strukturen und Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde. Anliegen der Bevölkerung sollten zunächst über die Kanzlei und anschließend über die zuständigen Departemente abgewickelt werden. Der Gemeindepräsident sei nicht die richtige Anlaufstelle für Streitigkeiten wie etwa Nachbarschaftskonflikte. Diese Abgrenzung solle helfen, den Arbeitsaufwand zu fokussieren.
Wird Gemeinde Mittelprättigau Thema?
Die Diskussion über Visionen und mögliche Zukunftsmodelle ist im Prättigau wie in vielen anderen Regionen eine fortwährende Herausforderung. Markus Patt, ein langjähriger Befürworter von Gemeindefusionen, bringt es auf den Punkt: «Letztendlich entscheidet der Markt – und in einer Gemeinde das Volk – welche Modelle zukunftsfähig sind.» Doch obwohl das Thema Fusionen seit über zwei Jahrzehnten immer wieder aufkommt, bleibt die Umsetzung eine Hürde. Patt selbst spricht seit über 20 Jahren über die Idee einer Fusion im Prättigau und hat dabei nicht selten Gegenwind erfahren. Er hinterfragt, ob das sogenannte «Gärtchendenken» vieler Menschen der Grund für die stagnierende Diskussion sei. «Ich denke, das Thema wird in den nächsten zwanzig Jahren sicher wieder aufgegriffen», meint er. Seine Vision einer vereinten Gemeinde Mittelprättigau sieht Patt als ein langfristiges Ziel, das Graubünden sogar zugutekommen könnte. Die Strategie des Kantons, die Zahl der Gemeinden perspektivisch auf unter 50 zu reduzieren, würde von solchen Zusammenschlüssen profitieren. Wann der Prozess tatsächlich beginnen wird, steht jedoch noch in den Sternen. Dennoch bleibt Patt optimistisch, dass er die Entstehung einer grösseren Gemeinde Mittelprättigau noch miterleben wird. Seine Überzeugung, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Realitäten den Wandel früher oder später erzwingen werden, könnte langfristig richtungsweisend sein.