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Ausland
19.10.2024

Das Ebro-Delta begünstigt weltweit höchste Reis-Qualität

Bild: zVg
In den letzten drei Jahren durchlebt Spanien eine Dürreperiode. Dieses Jahr war das Sommerwetter besonders dominant und sehr oft stieg das Thermometer bis 38 Grad. Da seit Monaten der Regen ausblieb, tragen auch die Olivenbäume in diesem Jahr praktisch keine Früchte. Aus diesem Grund haben einige Landwirte bereits kleine Krater um die Bäume gezogen damit beim nächsten Gewitter wenigstens etwas Nass zurückbleibt, welches nicht gleich in der prallen Sonne verdunstet.

Seit meiner Niederlassung im Küsten-Städtchen Ampolla, das den Zugang zum grossen Flachdelta bildet, befragte ich einige Reisbauern zur aktuellen Klima Situation. Die Landwirte waren sehr begeistert über die herrschende Wetterlage. Das zurzeit nahezu tropische Klima ermögliche drei Wochen früher die Ernte einzufahren und verspreche ein hervorragendes Produkt! Im Normalfall beginnt die Erntezeit Ende September oder Anfang Oktober.

Spezielle Lage
Das völlig flache Delta liegt nur knapp über dem Meerspiegel im inneren Bereich einer Klimazone, die vollständig durch das Mittelmeer geprägt wird. Die Reisfelder des Ebro-Deltas bieten hervorragende Anbaueigenschaften und erreichen weltweit die höchsten Erträge, was auch der geografischen Lage dieses Delta und der mittleren Lufttemperatur von 19 Grad zu verdanken ist. Das nutzen die Reisbauern aus. Zur Bewässerung der Pflanzen bauten sie grössere und kleiner Kanäle, die jetzt eine Gesamtlänge von 452 Kilometer erreichen.  

Anpflanzung
Der Rhythmus von Anpflanzung und Ernte hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Anfang Februar legen die Landwirte die Felder trocken. Dann wird die Erde bearbeitet und anschliessend werden die Felder geflutet. Die Aussaat wird maschinell jedoch mehrheitlich aus der Luft mit Agrar-Flugzeuge oder Helikopter gestreut. In nur zwölf Stunden werden so 30’000 Kilo Samen aus der Luft über 300 Hektar geflutetes Land verteilt. Im Sommer steht der Reis ca. 65. cm hoch und verwandelt die Felder in ein grünes Pflanzenmeer. Pro Jahr benötigt ein Hektar Anbaufläche 35’000 Kubikmeter Ebro-Süsswasser, was bei der Wassersituation in Spanien doppelt ins Gewicht fällt.

Ernte
Für die Ernte, die dieses Jahr drei Wochen früher begann, fahren jeweils gewaltige 12 m hohe Erntemaschinen mit breiter Schneid-und Dreschmechanik ungefähr in einer Stunde ein hektargrosses Reisfeld ein. Anschliessend werden die erntefrischen Reis-Körner in Kombination Trocknung und Kühlung in Gross-Stahlsilos eingelagert. Das Produkt kann nun sukzessive dem Mühlprozess zugeführt werden.

Das Korn atmet
Das Reiskorn lebt auch nach dem Schnitt weiter. Die Kornatmung ist sehr abhängig von der Produktfeuchtigkeit wie auch der Lagertemperatur. Das äusserst empfindliche Korn wird in hiesiger Gegend mit einer Erntefeuchtigkeit von 18 bis 21% besonders schonend in mehreren Stufen maschinell auf 15% Feuchte getrocknet damit eine stabile Lagerung über mehere Wochen möglich ist. Vorausgesetzt, wenn zu wenig Trocknungdkapatzität vorhanden ist, zum Beispiel während der Erntekampagne, muss das Lagergut umgehend durch eine Getreide-Kühlanlage auf 6 bis 8 Grad (plus) Dauerlagertemperatur gekühlt werden. Eine schnelle Kühlung unmittelbar nach dem Ernte-Schnitt gewährt eine langfristige Lagerung über Monate, bürgt für beste Erntequalität und verhindert die üblichen Schwierigkeiten, wie Selbstenzündung, Alterungsschäden, Gewichtsverluste und ist überdies sehr vorteilhaft, damit vorhandene Schädlinge sofort in ihrer weitern Entwicklung gestoppt werden bbeziehungsweise in eine Art Winterschlaf verfallen und daher inaktiv bleiben.

Lagerung
90’000 Tonnen Ebro-Reis weden von Gross-Mühlen in der Region gelagert, kontroliert, sortiert, enthülst und poliert. So bekommt der Reis seinen weissen Glanz. Die Getreidemühlen verarbeiten 80% Rundkorn, die restlichen 20% werden als Langkorn ausgeliefert. Der Markt erhält ein Vitamin-und Mineralstoffreiches Nahrungsmittel. 30’000 Kilo Ebro-Reis werden mit schonender Behandlung zu Saatreis mit hoher Keimqualität aufgearbeitet. Auf grossen Betonplatten werden die Körner zur Trocknung ausgelegt. Teilmengen werden sogar noch mittels Pferdegespann während mehreren Stunden mit einem speziellen Kehrrechen sehr vorsichtig hin und her bewegt, bis das sonnenerwärmte Saatgut 16% Feuchtigeitsgehalt erreicht hat. Die Pferdehufe sind mit speziellen Gummischuhen ausgerüstet damit das Reiskorn nicht verletzt wird. 

Jährliche Weltproduktion
Die Ursachen für den Verderb erntefrischer Getreide, Weizen, Reis, Mais, Roggen, Gerste, Raps, Soja, Hirse und so weiter liegt grundsätzlich in der Selbsterhitzung des Produktes. Aus Anbaugebieten mit mässigem Klima  zum Beispiel Mitteleuropa  ist bekannt, dass während der kühleren Jahreszeit im Herbst und Winter erheblich weniger Lagerungsprobleme auftreten, als in der warmen Periode während und unmittelbar nach der Ernte. Mittels Kühlkonservierung (System Sulzer Escher-Wyss) wird gekühlte und getrocknete Luft + 8 Grad durch die Schüttung in Silos und Flachlager jeder Grössenordnung gepresst. Die Kühlung versichert beste Qualitätserhaltung und Schutz gegen Insektenfrass und deren Entwicklung. Eine chemische Behandlung ist bei gekühltem Getreide nicht erforderlich. Trockenes und warmes Getreide dagegen ist ein Paradies für Insekten. Die Entwicklung von Schimmelpilzen und deren Mykotoxine – am bekanntesten das Aflatoxin – wird unter Wärme gefördert. Die Weltproduktion beträgt ca. 2’300 Millionen Tonnen aller Getreidesorten die geerntet werden, davon werden allein nur duch Schädlinge über 250 Mio. Tonnen (ca. CHF 95 Mrd.) vernichtet. Diese Menge Nahrungsmittel würde ausreichen um 600 Mio. Menschen zu ernähren! Weitere Geschichten aus meinem Leben finden Sie im Buch «Vom Geisshirt zum Wirtschaftsmann“, welches überall im Buchhandel erhältlich ist. 

Viktor Nell