Als Chef eines Versorgungsbetriebs schlägt er sich täglich mit den Zahlen eines Spitalbetriebs herum und kennt dabei die Zusammenhänge mit den Anforderungen an die medizinischen Bedürfnisse und Anforderungen, welche oft im Widerspruch zu rein wirtschaftlichen Überlegungen stehen, nur allzu gut.
Es kostet heute generell viel mehr
Aus der Sicht von Oliver Kleinbrod gibt es verschiedenste Kostentreiber und -faktoren im Gesundheitswesen. Neben der generellen Teuerung sind es steigende gesellschaftliche Anforderungen und Fehlanreizen im System – so wie sie Candinas auch erwähnt hat. Die Anspruchshaltung der Bevölkerung hat sich stark verändert und die Wahrnehmung ist eine gänzlich andere. Sprach man früher im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen von Schicksal, so wird heute mit allen Mitteln nach Ursachen und zuweilen auch nach Schuldigen gesucht; und dies alles ist mit deutlich höheren Kosten verbunden. Kommt hinzu, dass im Vergleich zu früher zuweilen auch eine juristische Auseinandersetzung im Hintergrund lauert.
Als Spitalverantwortlicher bezeichnet er zudem eine Überregulierung als weiteren Faktor, welcher als Betroffener jedoch nicht zu beeinflussen sei. Diese Einengungen kommen primär von nationalen aber auch kantonalen Bestimmungen. So sind es nicht nur Regelwerke aus dem medizinischen Bereich, welche eine kostenbewusste Spitalleitung erschweren. Es werden auch arbeitsrechtliche Inspektionen durchgeführt, die technischen Einrichtungen kontrolliert und weitere r diverse Revisionen durchgeführt, was oft zu ungeplanten und nicht zwingend notwendigen Investitionen in beträchtliche Höhe führen können.
Und schliesslich trägt der Grundauftrag, welcher den Spitälern von der Regierung mitgegeben wird, zur Aufrechterhaltung bestimmter Leistungen, welche wirtschaftlich gesehen nur noch schwer vertretbar sind.
Das System unter der Lupe
Die Kostenverteilung in einem Spital besteht aus 65% Personalkosten, 10% medizinischem Bedarf und weiteren 10% Abschreibungen. Somit bleibt ein Handlungsspielraum von nur noch 15% der Gesamtkosten. Wenn dann beachtet wird, dass darin Kosten für Verpflegung und Anderes, wenig Beeinflussbares enthalten sind, so lässt sich abschätzen, dass Kosteneinsparungen schwer zu realisieren sind, zumal auf der Einnahmenseite mit dem jetzigen Tarifsystem die aktuelle Kostensituation längst nicht mehr abgebildet wird.
Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass das ganze System mengengetrieben ist. Das heisst, dass Operationssäle, Bettenstationen, etc. möglichst ausgelastet sein müssen um Kosten und Amortisationen zu gerechtfertigten. Es müssen möglichst viele Diagnosen gestellt, und Behandlungen durchgeführt werden. Dabei weist er darauf hin, dass oberste Maxime bleibt, nicht Gesunde zu behandeln und keine «gefährliche» Medizin zu betreiben.
Kleinbrod meint, dass unser System irgendwie verkehrt ist, da wir sehr grosse Mittel in die Behandlung investieren und viel zu wenig in präventive Massnahmen.
Nüchtern betrachtet ist, neben Teuerung, den regulatorischen Anforderungen an das Gesundheitssystem, der Patient mit seinen medizinischen Problemen und seinen zunehmenden Ansprüchen auch Kostenverursacher.
Ein Blick auf die Medikamentenpreise lässt eine Abschwächung der Kostensteigerung auch unwahrscheinlich erscheinen. Denn hier fehlt ein Anreiz um günstigere Preise auszuhandeln, da erzielte Preisreduktionen direkt weitergegeben müssen und dem Spital somit ausser Aufwand nichts bleibt.
Gemeinsam stärker – wirklich?
Auf der einen Seite steht der Versorgungsauftrag aus der Politik und andererseits bestehen im Kanton viele Spitäler mit teilweise ungenügend ausgelasteter Infrastruktur. So stellt sich als Aussenstehendem die Frage, ob eine verstärkte Zentralisierung oder Spezialisierung nicht auch einen Einfluss auf die Kostenentwicklung hat. Hier sieht Kleinbrod durchaus noch ein gewisses Potenzial, wobei dies aber aus politischer und gesellschaftlicher Sicht nicht ganz einfach zu realisieren sei. In gewissen Bereichen, zum Beispiel IT und Aus- und Weiterbildung existieren Ansätze, welche sicherlich einfach erweitert werden könnten.
Ein weiterer möglicher Bereich zur verstärkten Zusammenarbeit der verschiedenen regionalen Leistungserbringer sieht Kleinbrod in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten. So könnten einerseits Fallzahlen erhöht und Kompetenzen gesteigert werden, während gleichzeitig Kosten, zumindest im Investitionsbereich, reduziert werden könnten. Allerdings beruhe dies auf einem Nehmen und Geben, was nicht immer einfach zu realisieren sei. Zudem müsste die Politik bezüglich des heutigen Versorgungsauftrags auch noch einmal über die Bücher.
Abschliessend meinte der Schierser Spitaldirektor, dass eine Verlangsamung des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen möglich sei, aber die Anstrengungen aller Akteure bedürfe. Eine Kostensenkung ist für ihn illusorisch, denn dann müsste unser ganzes System auf den Kopf gestellt werden und die Anreize für die Leistungserbringer als auch für die Patienten ganz anders ausgestaltet werden – und dies ist politisch als auch gesellschaftlich zum jetzigen Zeitpunkt gänzlich undenkbar.
Schiers
16.10.2024
15.10.2024 07:24 Uhr
Gefangen im Netzwerk der Regulationen
Bild:
zVg
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Gesundheitskosten kommt, nach dem Interview mit Martin Candinas (P&H vom 28.10.), mit Oliver Kleinbrod, CEO/Spitaldirektor der Flurystiftung zu Wort.