«Ich war so ein typischer Jugendlicher, der nicht so genau wusste, was ich mal werden wollte und darum die Aufnahmeprüfung für die EMS gemacht hat», sagt Andri Cavegn mit einem Lachen auf den Lippen. Dadurch, dass er diese nicht bestand, habe sich die Zeit der Suche nach seinem Beruf noch ein wenig in die Länge gezogen. «Über die Berufsberatung wurde mir empfohlen, mal als Fachangestellter Gesundheit schnuppern zu gehen, was ich mir am Anfang überhaupt nicht vorstellen konnte. Nach dem Einblick, den ich im Schierser Spital erhalten habe, merkte ich, dass es doch das wäre, was mir noch am meisten passen könnte. Ich wusste immer schon, dass ich gerne was mit Menschen machen würde und anschliessend durfte ich im Pflegeheim die Lehre machen.» Von Anfang an habe er gewusst, dass es wohl nicht nur bei dieser Ausbildung bleiben würde, woraufhin er dann doch noch zu seiner «Halb-Matura» neben dem Beruf gekommen sei.
Ergotherapie und Familie statt Studium
In der Pflege sei damals schon das Thema da gewesen, dass man sich nicht wirklich Zeit für die Menschen nehmen konnte und dass es viel Druck gab. Deshalb entschied sich Andri Cavegn, der damals noch den Nachnamen Badertscher trug, sich weiter zu orientieren. «Ich habe gemerkt, dass dies nicht das ist, was ich gerne habe. Wir haben gerade im Pflegeheim viele Leute bei ihrer letzte Lebensabschnittphase mitbegleitet. Damals empfand ich , es nicht als Erfolg, wenn man einfach dem nahenden Lebensende eine schöne Zeit gib. Ich hatte wirklich das Bedürfnis etwas zu verändern, verbessern und vorantreiben.» Erneut machte Andri eine Aufnahmeprüfung, um Soziale Arbeit zu studieren. Und wieder pfuschte ihm das Universum rein, denn erneut bestand er diese nicht. «Am Anfang war ich leicht geknickt und ahnungslos. Doch ich arbeitete weiter in der Pflege. Während dieser Zeit lernte ich meine Frau, ihres Zeichens Pflegefachfrau, kennen. Ihre Mutter sagte zu mir, dass die Ergotherapie doch noch was für mich wäre.» Obwohl Cavegn schon lange in der Pflegebranche tätig gewesen ist, war ihm diese Profession praktisch unbekannt. «Als ich dann einen Tag in Valens mal reinschauen konnte, merkte ich, dass mir das sehr gut gefällt und ging dann auch vor dem Studium noch ein wenig arbeiten als FaGe dort oben.» Bei diesem Studium sei dann alles aufgegangen mit der Aufnahmeprüfung, was ihm auch die Bestätigung gab, dass er den richtigen Weg eingeschlagen habe.
Ein breites Wirkungsgebiet
Ergotherapie ist, rein schon wegen der geringeren Verbreitung an Anbietern, deutlich weniger bekannt als beispielsweise Physiotherapie. «Wir sind Spezialisten fürs menschliches Handeln», erklärt Andri Cavegn. «Wir haben dem auch eine eigene Bezeichnung gegeben, nämlich Betätigung. Im Englischen heisst es Occupational Therapy, was sich nicht richtig ins Deutsche übertragen lässt. Die Betätigung meint eigentlich alle die Sachen, die Sinn- und Bedeutungsvoll für dich sind. Und das kann durch einen Unfall, eine Krankheit oder eine Behinderung beeinträchtigt sein. Und unser Ziel ist es, wie du trotz dieser Beeinträchtigungen entweder dort etwas verbessern oder deine Betätigungen oder dein Umfeld anpassen, damit du wieder eine Zufriedenheit erlangst in dem was du tust.» Diese Beschreibung seines Wirkens ist wenig konkret und ziemlich schwammig, was der in Seewis Pardisla Wohnhafte auch selbst weiss. «Wir haben ein Imageproblem in dem Sinn, dass wir nicht sagen können, dass wir genau Dies oder Das machen. Da die Behandlungen immer sehr individuell sind.» Andererseits mache dies den Arbeitsalltag abwechslungsreich. «Wir arbeiten mit Menschen vom Kind bis zum Rentner, im ambulanten Setting, aber auch in Institutionen.» Es mache durchaus Sinn, auch hin und wieder zu den Patientinnen und Patienten nachhause zu gehen. Denn so könnten die Übungen gleich direkt an dem Ort ausprobiert werden, wo man lebe. Auch bei ihm zuhause werde viel Wert auf Harmonie gesetzt. Seine Selbstständigkeit in Teilzeit, die Teilzeitanstellung seiner Frau Leonie und das Familienleben hätten sich gut eingepegelt, da sie von Anfang an gesagt hätten, dass ihnen die Zeit mit den Kindern und miteinander wichtig sei. Somit scheint bei Andri Cavegn alles gut aufgegangen zu sein und es zeigt sich einmal mehr, dass viele Wege nach Rom führen. Zudem sieht man an seinem Beispiel, dass auch wenn sich eine Türe schliesst, irgendwo dafür eine andere aufgeht.