Das Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgbarer Buchdruckerbrauch. Dabei wird ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer feierlichen Freisprechungszeremonie zuerst auf einen Schwamm gesetzt und anschliessend in einen Brunnen getaucht. Ursprünglich bedeutet der Begriff «Gautschen» den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers, das Ablegen des frisch geschöpften Papierbogens vom Sieb auf eine Filzunterlage.
Viel Rummel um den Brunnen
Am 24. Juni war es dann auch für Luca Baumann so weit. Der frischgebackene Polygraf wurde von ihren Kolleginnen und Kollegen in der Druckerei Landquart überrascht. Zunächst wurde er unter grossem Jubel in ein Postwägeli gesperrt und mit Kabelbinder fixiert. Schnell wurden Handy und Portemonnaie noch aus den Hosentaschen entfernt, damit auch kein Schaden entstehen konnte. Gestossen von seiner ehemaligen «Oberstiftin» Laura Weber und seiner Mitschülerin Cassandra Künzler wurden der grossgewachsene Hüne zum Brunnen, um die Ecke gekarrt. Luca liess die Prozedur mit Geduld über sich ergehen und fügte sich seinem Schicksal mit einem Lächeln auf den Lippen. Als das «Gautschi-Mobil» dann beim Brunnen vis-à-vis von der Bäckerei Gwerder ankam, erwartete eine grosse Schar Menschen das Spektakel. Nicht nur Baumanns Familie war gekommen, auch diverse Freunde und Mitarbeitende liessen sich die aussergewöhnliche Prozedur nicht entgehen.
Rein ins kühle Nass
Zuerst wurde Luca von Geschäftsführer Thomas Ambühl und Standortleiter Remo Thöny von den Kabelbindern befreit und auf einen mit kaltem Wasser prallgefüllten Schwamm gesetzt. Nach ein paar kurzen Worten vom Gautschmeister Michael Bieler wurde ein voller Eimer mit Wasser über Baumann ausgeschüttet. Zum Glück spielte das Wetter mit, denn dadurch war dies für den im Berufsleben angekommenen eine willkommene Abkühlung bei den warmen Temperaturen. Deshalb hat sich Luca wahrscheinlich auch nicht gross gewehrt, als er anschliessend zum Abschluss der Zeremonie noch im Brunnen untergetaucht wurde. Doch die Ruhe vor dem Sturm war trügerisch. Denn kaum war Baumann im Brunnen aufgestanden, fing er an die schaulustige Menge rund um den Brunnen mit Wasser zu bespritzen.
Glückwünsche von allen Seiten
Anschliessend wurde Luca von allen Seiten mit Glückwünschen überhäuft. Er genoss sichtlich die Aufmerksamkeit und spürte, mit dieser Zeremonie einen wichtigen weiteren Schritt in ihrem Leben gegangen zu sein. Im Anschluss an das Gautschen wurde ausgiebig gefeiert. Beim anschliessenden Apéro erhielt Luca ihre Gautsch-Urkunde überreicht. Kolleginnen und Kollegen, Familie und Freunde feierten sein Gautschen in einem schönen Rahmen in der Druckerei in Landquart. Mitte August beginnt Luca Baumann die Ausbildung zur gestalterischen Berufsmatura. Mit seiner unterhaltsamen und kollegialen Art sowie auch seinem skurrilen Geschmack für spezielle Socken wird er im Betrieb definitiv fehlen.