Rund 25 Personen hatten sich bereits vorm Podiumsanlass zur Stadionführung mit dem ehemaligen FCSG-Teamchef Roland «Roli» Löw versammelt. Auf einer 60-minütigen Stadiontour durch die «heiligen Hallen» des FC St.Gallen 1879 erfuhren die Teilnehmenden alles Wissenswerte zum Stadion- und Spielbetrieb, zum Mannschaftsmanagement, dem Sponsoring und den Möglichkeiten beim Ticketing bzw. den Logen. Einzig die Mannschaftskabinen konnten nicht besichtigt werden: «Ich sehe euch allen die Enttäuschung an. Aber dafür könnt ihr dann gerne Mal ausserhalb der Saison wiederkommen», sagt Roli Löw. Einige Jungs der ersten Mannschaft befanden sich den Tag sogar im Haus: Auf der Führung begegnete den Teilnehmenden Mittelfeldspieler Betim Fazliji.
Hurni sei Dank
Ein besonderer Dank wurde nach der Führung nicht nur Roli Löw, sondern auch Stadion Gründervater Hans Hurni, ehemaliger Kantonalbankdirektor, Präsident des FC St.Gallen und FDP-Mitglied, ausgesprochen. Sven Bradke, Vize-Präsident und Parteileitungsmitglied der FDP St.Gallen, sowie Vater der später im Podium auftretenden Céline Bradke als stv. Projektleiterin der Frauenfussball-Europameisterschaft 2025 (WEURO 25), zeigte sich sichtlich begeistert ob Hurnis Erbe: «Wegen ihm sind wir hier – wegen ihm gibt es das Stadion. Er hat gesagt ‘wir müssen was machen’», erzählt Bradke. «Die damaligen Eckwerte für den Bau des Stadions waren 0 Franken Budget, kein Land und eine Volksabstimmung zum Gewinnen.» Hurni habe als FDPler die Finanzen immer hochgehalten, was zum Bau und Erfolg des Stadions beigetragen habe.
Frauenfussball wird unterschätzt
Der Fokus an diesem Abend galt jedoch vor allem den weiblichen Figuren am Ball: Am nachfolgenden Podium zum Thema «Frauenfussball. Fairplay. Politik.» waren gleich mehrere relevante Stakeholder insbesondere in Bezug auf die WEURO25 am Start: Neben Céline Bradke als vorderster Frau im Organisationsteam der Frauen-EM waren auch Marc Mächler, Regierungsrat Kanton St.Gallen, Aliena Umbricht, Co-Präsidentin Jungfreisinnige Region St.Gallen-Gossau, Mathias Gabathuler, Stadtrat der Stadt St.Gallen und Direktor Bildung und Freizeit und die FC St.Gallen-Spielerin Siv Schefer geladen. Moderiert wurde der Abend von Kantonsrätin Isabel Schorer. Rund 40 Personen kamen zum Anlass.
Weniger Diven, mehr Fairness
«Frauenfussball ist wirklich attraktiv», findet Marc Mächler. «Die Spiele sind deutlich fairer – und vor allem der Umgang viel weniger divenhaft wie bei den Männern.» Eine Foul-Show würde es da nicht geben. Auch die anderen Anwesenden sind sich einig, dass Frauenfussball unterschätzt wird: «Wir müssen viel mehr Werbung für die Spiele machen – insbesondere haben diese auch ein grosses Potenzial für Familien», findet Siv Schefer. Das Publikum sei ein anderes als beim Männerfussball – aber genau das sei auch eine Chance.
Von Gleichberechtigung weit entfernt
Besonders kritisch betrachtet wurde an diesem Abend auch die Gleichberechtigung und der «equal pay» von Frauen und Männern im Fussball. «Die Gleichstellung fehlt hier noch völlig: Warum heisst es Frauenfussball und nicht einfach Fussball?», kritisiert Aliena Umbricht. «In anderen Sportarten unterscheiden wir das doch auch nicht.» Auch Céline Bradke, die ihre Masterarbeit zum Thema equal pay und play im Frauenfussball geschrieben hat, sieht noch grosses Entwicklungspotenzial. «Frauen können in der Regel nicht von ihrem Einkommen in der Profiliga leben – Männer verdienen Gehälter in Millionenhöhe.» Man dürfe aber nicht aus den Augen verlieren, dass der Frauenfussball erst in den 70er Jahren gestartet habe. «Der Markt im Männerfussball ist erschöpft, wir Frauen stehen erst am Anfang.» Insbesondere weil die gleiche Bezahlung eben nicht erreicht sei, seien Fussballerinnen sogar die grösseren Vorbilder: «Sie bringen den Fussball, einen Job und die Familie unter einen Hut – mehr als die Männer, die an der Spitze Fussball spielen.»
Gleiche Chancen für Frauen
Wichtiger als die gleichgestellte Entlohnung innerhalb derselben Spielklasse empfindet Schefer die Ermöglichung von Spielchancen für Frauen: «Als Frau an die Spitze zu kommen ist schwierig, wenn es keine Infrastruktur gibt und nur die Männer in den Vereinen gefördert werden», sagt sie. Sie selbst habe nicht mit ins Spiellager gedurft, weil sie die einzige Frau in einem Jungenclub gewesen sei. «Das ist doch schade, wenn die Motivation gleich im Keim erstickt wird.» Viele Frauen würden höher spielen wollen, scheitern aber an den Optionen, die es einfach nicht gebe. Die Nachwuchsförderung im Frauenfussball sei nicht so stark ausgeprägt wie in anderen Ländern wie zum Beispiel Deutschland oder Italien.
St.Gallen erarbeitet Lösungen
Mathias Gabathuler weiss um diese Problematik: «Es muss eine Infrastruktur geben, aber Boden und Mittel sind begrenzt.» Man appelliere hier an die Vereine, Synergien zu nutzen, sich gegenseitig zu helfen - und habe im Austausch mit den St.Galler Vereinen auch schon viel erreicht. «Wir haben unsere städtische Strategie angepasst – aber dabei stehen neben Fussball auch andere Breitensportarten wie Unihockey oder Handball im Fokus.» Man müsse die Bedürfnisse aller Vereine gleichermassen betrachten und Lösungsansätze finden. «Die Stadt allein kann dabei aber nur unterstützend wirken.»
St.Gallen Hostcity für Fussball EM 2025
Der Event, auf den sich alle Podiumsgäste freuen, ist die bevorstehende Frauenfussball-EM im Juli 2025. Drei der geplanten Spiele werden in St.Gallen als Hostcity stattfinden. «Wir hoffen, dass diese EM ein vierwöchiges Fest für die ganze Schweiz und umliegende Länder wird», sagt Céline Bradke. «Insbesondere um Werbung für den Frauenfussball zu machen und zu zeigen, wie attraktiv er ist.» Insgesamt wird es acht Austragungsorte geben: Das Finalspiel wird in Basel stattfinden. Die Austragung in der Schweiz wird von Bund, Kantonen und Host-Städten finanziert. Sponsoren gibt es einige, aber nicht im grossen Stil wie bei den Männern. «Auch hier herrscht Ungleichheit. Die Hostcities selbst haben ein eigenes Budget: Die Stadt St.Gallen zahlt gemeinsam mit dem Kanton 2.8 Millionen – diese werden zur Hälfte geteilt», sagt Gabathuler.
Finanzielle Schlappe vom Bund
Von den erwarteten 15 Millionen Franken Budgetzuschuss vom Bund wurden bisher nur 4 Millionen genehmigt: «Die EM ist eine grosse Chance, die man nutzen muss. Diesen lachhaften Betrag muss der Bund ausbessern – und dafür müssen wir jetzt Druck machen», sagt Regierungsrat Marc Mächler. Es sei traurig, dass der Frauenfussball gerade vom Bund und Bundesrat ebenso anders bewertet würde als der Männerfussball.
Bund muss richtiges Zeichen setzen
Auch die anderen sind sich dahingehend einig. «Wir müssen uns als Gastgeberland klar für den Frauenfussball und die Stärkung des Sports positionieren – es kann nicht sein, dass Männerfussballmeisterschaften mit 80 Millionen Franken bezuschusst werden. So setzen wir ein falsches Zeichen», sagt Céline Bradke. Die Gelder vom Bund werden hauptsächlich für den öV und die nationale Kommunikation verwendet. Und genau da fehle es sonst auch: «Wir wollten die EM nachhaltiger machen: Die Tickets sollten zeitgleich auch ein GA sein, damit man ökologisch sinnvoll an die Austragungsorte reisen kann.» Unter anderem diese Idee kann nicht umgesetzt werden, sollte es beim kleinen Budget bleiben.