Diese marketingtechnischen Gedanken seien jedoch origineller als der eigentliche Grund für die Veröffentlichung an diesem Tag, sagt Gitarrist Marco Schmellentin. «Betreffend Veröffentlichungsdatum ist es jedoch so, dass die Musik seit Mitte Januar 2024 fertig produziert ist beziehungsweise wir alles vom ehemaligen Primal Fear-Gitarristen Stefan Leibing, welcher den Songs den Feinschliff (Mixing und Mastering) verpasst hat, erhalten haben. Im Rahmen der Promotion für 'Silence Of The Swallows' erscheint am 29. Februar 2024 im Legacy, dem drittgrössten Rock-/Metalmagazin Deutschlands, ein Feature mit Interview und CD-Besprechung. Da haben wir uns gedacht, dass das ein guter Anlass ist, unsere Musik am selben Tag via die digitalen Plattformen zu veröffentlichen.» Sänger und Bassist Urs Kobelt schiebt lachend nach, dass man nun eine Wette abschliessen könne, ob das dritte Album dann am 29. Februar 2028 erscheine.
Musik ohne Schubladen
Die Musik von «dark side of me» in eine Schublade zu stecken, sei praktisch unmöglich. Das weiss auch Schmellentin. «'Ignition Spark', unser Debüt aus dem Jahr 2019, war damals sozusagen eine Bestandesaufnahme unserer älteren Songs, die wir heute noch lieben, regelmässig und sehr gerne spielen. 'Silence Of The Swallows' repräsentiert jedoch den Sound von 'dark side of me' und das, was die Band heute musikalisch ausmacht, am besten. Die Musik ist sicherlich anspruchsvoller geworden und bezüglich Härtegrad wurde auch nochmals eine Schippe draufgelegt, ohne dass wir jetzt deswegen als Metalband gelten – aber immer noch alles hochmelodisch und sehr eingängig.» Auch sein musikalischer Mitstreiter Kobelt findet, dass diese Vermischung von unterschiedlichen Stilen die Musik ihres Trios ausmache. «Es machen sich auf dem neuen Album ein paar neuere Einflüsse bemerkbar, zum Beispiel von Progressiv Metal-Bands. Für die programmierten Keyboards benützen wir teilweise neue Klänge. So haben wir die Band beispielsweise mit einer gesampelten Sängerin erweitert. Sie hört auf den Namen Celtia.» Die Geschichte der Band werde aber nicht verleugnet, was die Neuaufnahme des ältesten Songs «Unleash the beast» zeige.
Mutiger geworden
Wenn man beide Scheiben der Band nacheinander anhöre, könne man unschwer feststellen, dass die Band beim Liederschreiben Fortschritte gemacht habe, respektive reifer und durchdachter klinge, sagt Schmellentin. «Wir haben uns noch mehr mit Details auseinandergesetzt und an den Arrangements gefeilt. Auch haben Urs und ich den Bass und die Gitarren daheim, in unseren eigenen Studios, aufgenommen. So konnten wir ohne Zeitdruck an den Aufnahmen arbeiten und herumexperimentieren bis es für uns passte.» Qualität stehe bei ihnen immer vor der Quantität, weshalb ihre Anhängerschaft auch mehr als viereinhalb Jahre auf neue Klänge warten musste. Neben bewährten Kräften im Hintergrund, haben beim neuen Album auch neue mitgewirkt. «Wir haben, vor allem beim Gesang, auch wieder mit Roland Testi gearbeitet, aber dieses Mal die Aufnahmen für das Mixing und Mastering an jemand anderen, an Stefan Leibing, gegeben. Stefan wurde uns von Klaus Sperling (Nitrogods) empfohlen und vermittelt. Die Idee, die Musik jemandem an die Hand zu geben, der uns noch nicht kennt, nicht in die Aufnahmen involviert war und somit mit frischen, unvoreingenommenen Ohren ans Werk gehen konnte, war schon sehr reizvoll. Mit dem Ergebnis sind wir sehr, sehr zufrieden.» Urs Kobelt sieht es gleich. «Wir sind mutiger als beim Erstling. Es gibt noch weniger Tabus – erlaubt ist, was uns gefällt. Wir wagen uns auch an längere, kompliziertere Songs heran. Und wir haben am Workflow gearbeitet. Der Trend geht dahin, dass wir möglichst viel zuhause machen. Das vereinfacht auch die Terminsuche.»
Es gäbe auch billigere Hobbies
Seit Musik überall gratis gestreamt werden kann, sind die Einnahmen der Musiker drastisch zusammengeschrumpft. Das Trio mit der dunklen Seite produziert vom neuen Album jedoch nicht eine CD, um dies abzufedern, wie Marco Schmellentin sagt. «Die CD produzieren wir, weil wir ‘old school’ sind. Wir mögen dieses Format noch immer und verkaufen es an unseren Konzerten sowie über den Webshop. Die CD kommt übrigens, in kleiner Auflage, circa Ende März 2024 als Digipak mit einem schönen Booklet daher. Das gesamte Design stammt einmal mehr von Urs. Wir sind übrigens der Meinung, dass sich CDs auch besser signieren lassen als ein Smartphone oder Notebook-Bildschirm.» Laut Kobelt geht es ihnen ausserdem überhaupt nicht ums Geld beim Musizieren. «Wir sind mit LPs, MCs und CDs gross geworden. Die physischen Tonträger aus der Rock- und Metalwelt sind meistens Gesamtkunstwerke. Da sind eine bestimmte Anzahl Songs drauf, die zusammengehören. Auch die Reihenfolge ist nicht zufällig. Dazu kommt die passende Gestaltung von Cover und Booklet. Dieses Flair kriegt man mit Streaming nicht hin. Ich kann mich noch haargenau daran erinnern, wie ich in der Migros meine erste Beatles-CD gekauft habe. Das war ‘Beatles For Sale’ und ich habe diese CD natürlich heute noch. Bei Marco wird es ein Album von Judas Priest gewesen sein. Werden sich unsere Kinder daran erinnern, wann sie ihren ersten Song gestreamt haben?» Wenn man einer Tätigkeit aus Liebe und Leidenschaft nachgehe, spielen die Kosten meist auch eine untergeordnete Rolle. «Natürlich gibt es billigere Hobbies. Wir könnten auch Socken stricken oder Kaffeerahmdeckeli sammeln. Aber vorläufig macht uns die Musikproduktion so viel Freude, dass wir mindestens bis zum 29.02.28 damit weiter machen. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es dann für dark side of me zu einem ‘End Of A Honeymoon’ kommen wird.» Auch Schmellentin ist davon überzeugt, dass man die Musik in erster Linie für sich selber schreiben und produzieren muss, um komplett darin aufgehen zu können. «Wir setzen uns keine Limits. Der Song klingt so, weil er für uns so klingen muss. Er dauert 9 Minuten, weil wir der Ansicht sind, dass er solange braucht, bis die Geschichte in Worten und Musik erzählt ist. Mit der Produktion und Veröffentlichung, die wir aus dem eigenen Sack bezahlen, lassen wir andere daran teilhaben. Wir sind aber nicht auf die Einnahmen angewiesen, auch wenn es natürlich schön wäre, einen Teil unserer Ausgaben zurückzuerhalten.» Über die digitalen Plattformen erreiche man zudem Leute, die mit einer reinen physischen Veröffentlichung – ohne Label – nie erreichbar wären, wie Schmellentin abschliessend sagt. «Es ist doch cool, wenn jemand in Indien, Brasilien, Malaysia oder Schweden zufälligerweise über unsere Musik stolpert und Freude daran hat.»