Die Faszination für die Landwirtschaft ist bei beiden Brüdern gross. Jürg liebt die Abwechslung und das Arbeiten an der frischen Luft. Jan hat viel Freude am Beruf, weil er ihm unter anderem ermöglicht, jeden Tag gesunde Nahrungsmittel zu produzieren und den Kunden weiterzugeben.
Ein stetiger Spagat
Es ist nicht leicht mit den Ansprüchen der Gesellschaft heute Bauer zu sein. Einerseits will sie günstige Nahrungsmittel, andererseits verlangen die Konsumentinnen und Konsumenten immer höhere Tierwohlauflagen oder noch mehr ökologische Leistungen. Beide Brüder versuchen als Betriebsleiter einen Weg zu finden, um den Spagat zu meistern. Jürg sagt, man dürfe nicht zu viel darüber nachdenken, da man sonst noch den Verstand verliere. Die Konkurrenz schlafe nicht und im Ausland herrschen andere Bedingungen. «Wir müssen uns bewusst sein, dass jedes Kilogramm Fleisch und jeder Liter Milch, der nicht in der Schweiz produziert wird, ganz einfach importiert wird.» Die Schweiz habe das strengste Tierschutzgesetz, fügt Jan an. «Bei den Importwaren haben wir wenig bis gar keine Kontrolle, wie das Produkt produziert wurde, wie die Tiere gehalten wurden oder welche Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden. Darum ist es wichtig, dass wir hier in der Schweiz Milch, Fleisch und Gemüse produzieren können um so unsere Bevölkerung nachhaltig und gesund zu ernähren.» Heutzutage sei jeder ein Landwirtschaftsexperte – nur wir ausgebildeten Landwirte nicht, was schon frustrierend sein könne, sagt Jürg. «Wir Bauern sind nicht dumm. Die Arbeit, die wir verrichten hat meistens einen Zeck und dient der Ökologie oder der Produktion. Wir müssen nachhaltig produzieren und sorgfältig mit unserem Boden umgehen. Wir möchten, dass die nächste Generation auch weiterhin eine fruchtbare und gesunde Grundlage hat.»
Boden ist nicht vermehrbar
Neben der Kritik von aussen, gibt es weitere Faktoren wie der knappe Boden, die den Alltag der Landwirtschaft erschweren. Vor allem in den guten Lagen wie im Bündner Rheintal komme der Boden wegen Verkehr, Industrie, aber auch Hauseigentümer stark unter Druck, sagt Jan. «Den Leuten muss klar sein, dass Boden nicht vermehrbar ist. Ein einmal versiegelter Boden ist unwiederbringlich verloren.» Wolle man in Zukunft noch Landwirtschaft betreiben im Churer Rheintal, dann müsse man die Bevölkerung für diese Problematik sensibilisieren. Eine Prognose zu stellen, wie es in zehn Jahren aussehe sei heute schwierig, sagt Jürg. «Wir Bauern müssen uns bewusst sein, dass wir immer weniger Land zur Verfügung haben um Lebensmittel zu produzieren. Dies macht uns schon Sorgen.» Schon jetzt habe es zu wenig Fläche um die Schweizer Bevölkerung satt zu machen. Da der Bevölkerungszuwachs nicht gestoppt werden könne, werde in Zukunft sicher der Import von Lebensmitteln enorm ansteigen. «Die Schere zwischen den Produktionskosten und den Produzentenpreisen wird noch weiter aufgehen; manch ein Bauer kann nicht mehr mit diesem Preisdruck umgehen. Er wird den Betrieb resigniert aufgeben oder anders ausrichten.»
Die Pflege ist wichtig
Die Biodiversität gehe alle an, sagt Jan. «Die Landwirtschaft leistet bereits sehr viel; alleine schaffen wir das aber nicht. Die ganze Gesellschaft muss da mitmachen. Es müssen endlich Vorgaben gemacht werden, wie die Biodiversität im Siedlungsraum erhöht werden kann. Überall bei den Häusern, bei den Überbauungen etc. sieht man englischen Rasen mit oftmals exotischen Pflanzen im Garten. Das sind Monokulturen in Reinkultur. Wie wäre es, wenn ein Drittel des Gartens zur Verfügung gestellt wird für artenreiche, einheimische Blumenwiesen? Oder für Strukturen wie ein kleiner Steinhaufen, Asthaufen oder eine Dornenhecke?» Dies würde einheimischen Kleintieren, Insekten oder Vögeln ebenfalls Lebensraum bieten. Die Blumenpracht auf den Alpweiden komme davon, da die Landwirtschaft diese beweide. Doch auch im Tal werde viel geleistet, sagt Jürg. «Man muss nur einmal drauf achten, wie viele Hecken und gut strukturierte Rückzugsorte es gibt an den Feldrändern. Aber auch die Steinhaufen an manch einem Acker sind wichtig für die Insekten. Ebenso wichtig ist jedoch die Pflege dieser Elemente, sodass diese weiterhin von den Tieren genutzt werden können.»
Illusionen der Leute
Oft steht die Landwirtschaft auch in der Kritik, da die Produktion von Fleisch als Sündenbock für den Klimawandel herhalten muss. Jan ist sich durchaus bewusst, wie wichtig es ist, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. «Aber alles auf die Tierbestände abzuschieben, ist der falsche Weg. Diesen Sommer wurde eine Untersuchung präsentiert, welche aufzeigt, dass die Methanemissionen aus der Tierhaltung nicht so gross sind, wie immer angenommen worden ist.» Auch hier gelte das Solidaritätsprinzip und dass jeder vor der eigenen Haustüre wüsche. «Jedes Jahr mit dem Flugzeug in die Ferien zu fliegen oder immer mit dem Auto fahren ist sicher auch nicht hilfreich.» «Die Schweiz ist ein Grasland und nur die Wiederkäuer können dieses Futter in hochwertiges Eiweiss, welches für die menschliche Ernährung essenziell ist, umwandeln», sagt Jürg. Komplett auf Ackerbau umzuschalten, sei ausserdem gar nicht möglich, da nicht alle Flächen dafür geeignet sind. «Bei jenen, welche für die Nahrungsmittelproduktion geeignet sind, muss für die langfristige Ertragsfähigkeit des Bodens eine geregelte Fruchtfolge eingehalten werden. Die Vorstellung, dass alles ackerfähige Land in der Schweiz für die menschliche Ernährung und nicht für Futterzwecke genutzt wird, ist eine Illusion von Leuten, welche die Zusammenhänge überhaupt nicht kennen.» Zu dem bürokratischen Unsinn, den ein Bauer heute erledigen muss, hat sein Bruder eine klare Meinung. «Das ganze System sollte vereinfacht werden. Heute füllen die ganzen Vorgaben für die Landwirtschaft tausende Seiten Papier – das ist unglaublich. Die Wenigsten haben da noch den Überblick.» Was die Digitalisierung anbelangt, seien sie als Junge sicher im Vorteil, doch manch ein anderer stehe an. «Alles ist sehr komplex und kompliziert. Der kleinste Fehler zieht sofort Sanktionen nach sich. Es wäre vielleicht einfacher, wenn mit Zielvorgaben gearbeitet wird. Dann kann der Landwirt selbst wählen, wie er diese Ziele erreichen will und wird somit in seiner unternehmerischen Freiheit nicht eingeschränkt.»