Genau genommen sei «James und das Boot» bereits der zweite Roman aus der Feder des Jungautoren. Anlässlich seiner Maturaarbeit habe er bereits ein Buch geschrieben, doch es nie wirklich offiziell in den Handel gestellt. Einen besonderen Anlass für das Schreiben habe es bei ihm nicht gegeben. Die Leidenschaft begleite ihn einfach schon sein halbes Leben. «Ich schreibe seit meinem neunten Lebensjahr und weiss einfach, dass ich es tun muss.» Das Schreiben bedeutet dem 24-Jährigen viel. «Für mich ist es die Flucht aus dem echten Leben, das oft unbarmherzig sein kann. Gleichzeitig verarbeite ich viele Eindrücke und Erlebnisse in meinen Texten. Es ist sehr schön und unglaublich spannend, verschiedene Ereignisse und Diskurse durch Erzählertext und Figuren zu reflektieren.»
Hürden zum Meistern
358 Seiten lang ist das Debüt von Andrej Millius, der übrigens der Göttibub des Kultautors und Journalisten Stefan Millius ist. Mit dem Schreiben des Romans habe er bereits 2019 begonnen, doch dann habe er lange pausiert. «Das Meiste habe ich in den Winter- und Sommersemesterferien 2022 geschrieben. Ich schätze, es waren über 150 Stunden. Wahrscheinlich noch mehr.» Er sei als Buchstabenmensch leider nicht so gut im Schätzen, wie er lachend zugibt. Auch sonst gab es noch einige Hürden, die zu meistern waren, bevor das Buch nun endlich in die Läden gekommen sei. «Es war herausfordernd, ein Buch zu schreiben, das einen starken Bezug zu Japan hat, wo ich leider noch nie war. Auch über Spanien und die Bootsfahrt im Allgemeinen musste ich mich gut informieren.» Dazu sei noch die nicht einfache Verlagssuche gekommen. «Als unbekannter Jungautor ist es sehr schwierig, irgendwo angenommen zu werden, insbesondere, wenn man so etwas Nischiges schreibt. Zum Glück habe ich dann vom Qultur Verlag erfahren, der sich meinem unkonventionellen Projekt angenommen hat. Da bin ich wirklich sehr dankbar.»
Eine Reise der anderen Art
Doch das Durchbeissen habe sich gelohnt, denn Andrej Millius ist absolut zufrieden mit seinem ersten eigenen Buch. «Inhaltlich ist es genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. Dafür hat man keine Garantie, wenn man beginnt, ein Buch zu schreiben», erklärt er schmunzelnd. «Auch optisch hat es meine Erwartungen übertroffen. Das Cover sieht super aus und auch mein Autorenfoto im Buch ist toll geworden.» Die Aufmachung entspreche der aussergewöhnlichen Geschichte, in der James ein Ruderboot an der japanischen Küste klaue, um nach England zu reisen. Auf seinem Weg habe er genügend Zeit, um über einige Dinge nachzudenken, wie die Vergangenheit, die versprochene Zukunft, Schönes, Trauriges, Absurdes; von Herzschmerz über traditionelle Feste bis zu Kannibalismus und dem seltsamen Aussehen von Fischen und Füssen. «Er trifft immer wieder auf Menschen und hat zeitweise sogar Wegbegleiter, mit denen er diskutiert, lacht, Schach spielt oder den Gefahren des Meeres trotzt, seien es Wellen, Stürme oder tief im Ozean lauernde Kreaturen.»
Keine Mainstream-Literatur
Persönlich habe er von der Produktion des Buches bemerkt, dass die Recherche wirklich viel Zeit in Anspruch nehme. Auch sonst habe er einiges mitgenommen. «Wie auch schon beim ersten Roman ist mir hier wieder bewusst geworden, welche Disziplin das Schreiben eines grossen Projekts erfordert. Man muss sich regelmässig hinsetzen, auch wenn man nicht immer Lust hat, sonst wird man nie fertig.» Aber auch inhaltlich habe Millius James und das Boot weitergebracht. «Die Charaktere debattieren über aktuelle und zeitlose Themen, bei denen es mir wichtig war, verschiedene Perspektiven zu integrieren. Durch meine Charaktere wurde mir einmal mehr klar, wie wichtig eine angemessene Diskussionskultur ist und dass man immer bereit sein sollte, aus seinen alten Denkmustern auszubrechen.» Doch auch sein Handwerk sei dank dem Text stilistisch gewachsen. «Während ich im ersten Roman noch versucht habe, möglichst komplizierte und lange Formulierungen mit vielen rhetorischen Mitteln zu verwenden, habe ich mich hier wieder auf eine einfachere Sprache konzentriert, bei der es in den richtigen Momenten aber gerne mal etwas ‘poetischer’ werden darf.» Obwohl Andrej Millius durch seine Tätigkeit als Literaturstudent ständig am Lesen ist, habe er es nicht als schwierig empfunden, selbst etwas Neues zu erschaffen. «Ich habe den Vorteil, dass ich immer seltsame Genremixes schreiben muss. Damit weiche ich schonmal von einem grossen Teil der Mainstream - Literatur ab. James und das Boot schwankt zwischen Melancholie, Absurdität und Groteske – manchmal fast Horror – und hat eine Grundprämisse, die ich so noch nirgends entdeckt habe.» Dennoch werde es da draussen irgendwo sicher ein Buch geben, das dem seinen sehr ähnlich sei. «So ist es nun mal in der Literatur: Es gibt jede Idee schon. Es kommt deshalb darauf an, wie man die Idee inhaltlich und stilistisch präsentiert. Somit erzählt jedes Buch etwas Neues, wenn auch mit einem bekannten Kern und oft mit ähnlichen Strategien.»
Das Buch «James und das Boot» von Andrej Millius kann hier bestellt werden.