Ursprünglich wollte ich diesen Beitrag schon im Dezember schreiben. Züri West haben damals ein neues Album veröffentlicht und bekannt gegeben, dass die Band aufgrund der MS-Erkrankung von Sänger Kuno Lauener niemals wieder live auftreten wird. Diese Meldung schleuderte mich direkt zurück in meine Zeit bei Radio Liechtenstein, als die Kultband in Vaduz auftrat. Da ich am nächsten Tag Frühdienst bei den Nachrichten hatte, entschied ich mich, nicht an das Konzert zu gehen. Wie sich herausstellte, war das eine der letzten Chancen, die Mundartband live zu sehen und ich hatte sie verpasst. Viel schlimmer noch: Obwohl ich einer der grössten Züri West-Fans überhaupt bin, ein Konzert der Band habe ich leider nie erlebt. Dass dieser Umstand nicht mehr gerade zu rücken ist, bleibt der Abend am Vaduz Soundz für immer eine verpasste Chance, was mich nachdenklich stimmt.
Ein Zeitzeuge ist gegangen
Bereits im 2023 entwickelten Beni Garrido und ich die Idee, wie wir filmisch Geschichten von älteren Personen bergen und für die Nachwelt archivieren könnten. Daraus entstand die Filmreihe «Ziitzüüga», die inzwischen auch schon sechs publizierte Filme vorzuweisen hat und in diesem Jahr sechs weitere hervorbringen wird. Im Konzept, welches wir den Sponsoren vorgelegt haben, war der Name Konrad Flütsch-Gansner ganz oben vermerkt. Der Prättigauer konnte nämlich Geschichten erzählen wie kaum ein anderer und hatte doch auf seinem Weg einige echt imposante Momente erlebt. Als dann im Dezember die Meldung über seinen Tod kam, war ich neben der Traurigkeit auch ein wenig genervt, dass wir die Chance auf einen Film mit dem Original nicht früher ergriffen haben, denn Zeitzeugen wie er sind sehr schwer zu finden.
Das Hard Rock-Hotel zum Klingen gebracht
Eine weitere Persönlichkeit, die ich in meinem Kopf als sehr gut geeignet für ein Porträt hinterlegt hatte, war der Musiker Michael Dreier. Ihn lernte ich an der Pro Infirmis - Gala «Musik unterscheidet nicht» kennen. Er trat dort mit seiner Band Sümetrix auf, ich moderierte die Veranstaltung. Er war für mich sehr interessant, weil er beim Hard Rock-Hotel Davos für regelmässige Konzerte gesorgt hat. Leider erlebte er vergangenes Jahr einen Aorta-Riss und kämpfte sich wieder zurück ins Leben. Dies stets voller Hoffnung, was mich sehr beeindruckte. Nie hätte der Glarner öffentlich reklamiert, welches Schicksal ihn ereilt hat, was mich schwer beeindruckte. Anfang Jahr wollte ich ihn deshalb anschreiben und um ein Interview bitten. So hätte man mit seiner Geschichte anderen Menschen in ähnlichen Lebenslagen Mut machen können und darauf hinweisen, dass es ein einmaliges Geschenk ist, Zeit auf dieser Kugel verbringen zu dürfen. Die Mitteilung über seinen Tod lief mir eiskalt den Rücken runter, denn Dreier ist nicht viel älter als ich.
Wenn ein grosses Herz zu schlagen aufhört
Als ob dies nicht schon genug schlechte Nachrichten gewesen wären, hörte am vergangenen Wochenende auch noch das Herz des Liechtensteiner Volksschauspielers Leander Marxer auf zu schlagen. Mit ihm hatte ich in den vergangenen Jahren oft zu tun. Unvergessen, wie herzlich er lachte und wie verständnisvoll und geduldig er mit allen umging. Marxer war ein Tausendsassa, der als Sprecher, Schauspieler, Moderator und Gastronom wirkte. Es schien fast ein wenig so, dass der Maurer an jedem guten Fest im Fürstentum zugegen war und mit Leichtigkeit eine familiäre Atmosphäre erschuf. Ach, wie gerne hätte ich sein Lachen in einem Sonntagsgespräch konserviert, doch auch hier habe ich, trotz dem Plan, ihm eine Einladung zu schicken, es immer wieder auf später verschoben. «Latte», wie ihn alle nannten, war «one of a kind» und wirklich niemand hatte damit gerechnet, dass er so plötzlich nicht mehr da sein könnte. Dementsprechend gross war der Schock bei allen und tief ist das Loch, das er hinterlässt.
Carpe diem
Den Beruf des Journalisten habe ich ergriffen, weil es mich wie die Motte zum Licht immer wieder zu den Menschen zieht. Es sind die grossen Geschichten der kleinen Leute, die mich besonders elektrisieren. Da nun in kurzer Zeit gleich drei Personen gestorben sind, die ich unheimlich gerne porträtiert hätte, stimmt mich traurig und hat mich sehr zum Grübeln gebracht. Sie zeigen mir, dass ich zukünftig keine Geschichten, die ich unbedingt machen will, liegen lasse und dass ich dankbar sein kann für jeden Tag, an dem noch kein Zettel an meinem Zeh hängt. Den Hinterbliebenen von Konrad Flütsch-Gansner, Michael Dreier und Leander Marxer spreche ich mein herzliches Beileid aus und wünsche ihnen viel Kraft in dieser schwierigen Zeit.