Home Region Schweiz/Ausland Sport Agenda Magazin

Die Glühbirne und das Kirchenrecht

Harren der Dinge, die da kommen.
Harren der Dinge, die da kommen. Bild: Peter Müller
Am vergangenen Sonntag fand die Installation des Pfarrehepaares Peggy Kirsten und Dirk Schulz in einem feierlichen Gottesdienst statt. Was eine Glühbirne und das Kirchenrecht da zu suchen hatten, finden Sie etwas weiter unten.

Peggy Kirsten und Dirk Schulz sind keine Neuen in der Kirchgemeinde Grüsch-Fanas-Valzeina. Seit rund einem Jahr sind sie bereits in der Gemeinde aktiv und haben auch bereits einige neue Ideen eingebracht und in Absprache und mit der Unterstützung des Kirchenvorstands umsetzen können. Und dieser frische Wind wehte auch an diesem Festgottesdienst durch das Grüscher Kirchenschiff.

Füsse auf weitem Raum

«Du, Gott, stellst meine Füsse auf weiten Raum» (Psalm 31,9). Dieser Leitspruch stand allgegenwärtig über diesem Gottesdienst. Die Posaunisten des Quartetts Ansiberami eröffneten die Feier mit feiner Blasmusik – und Posaunen werden in der Bibel ja an verschiedenen Stellen immer wieder erwähnt. Der Präsident der Kirchenregion Prättigau, Pfarrer Florian Sonderegger aus Pany, führte in diesen Gottesdienst ein. Und bevor er seine Gedanken zum eingangs erwähnten Leitspruch darlegte, stimmte die Gemeinde sinnigerweise in das Kirchenlied ein, welches besagt, dass Gott das erste und das letzte Wort hat. Florian Sonderegger beleuchtete den angesprochenen weiten Raum auch im Hinblick darauf, wie dieser Raum erfüllt werden kann. Kritisch hinterfragte er die Ansprüche, welche von der Gesellschaft oftmals an die Kirche gestellt werden – sie sollte, sie muss! Und gleichzeitig machte er deutlich, dass nicht nur die Pfarrer:innen und der Gemeindevorstand die Kirche darstellen, sondern dass alle, welche unter dem Dach der Kirche leben, Teil dieser Kirche sind, und dass dieses miteinander Leben und Gestalten die heutige und auch künftige Kirche ausmachen.

Die Installation

Nach einem Jahr Dienst in der Kirchgemeinde als Provisoren wurden Peggy und Dirk in die Synode der Landeskirche des Kantons Graubünden aufgenommen und dadurch für ein Bündner Pfarramt wählbar. Diese Wahl war eine Woche vor diesem Installationsgottesdienst erfolgt – und nun war es endlich so weit. Die beiden Pfarrpersonen und der Kirchgemeindevorstand legten das feierliche Gelübde ab, zum Wohl der Kirchgemeinde und geleitet von Gottes Wort zusammenzuarbeiten und dafür besorgt zu sein, dass die Kirche lebt, so wie dies Florian Sonderegger in seiner Predigt erwähnte. Und hier kommt nun eben die Glühbirne ins Spiel: Peggy Kirsten war der Ausdruck «Installation» für die Amtseinsetzung zunächst nicht geläufig, und sie dachte eher an das Einschrauben einer Glühbirne. Aber wenn die Glühbirne dann installiert ist, dann sorgt sie für das Licht – und hier ist die Parallele zum Pfarramt, so wie sie Peggy und Dirk verstehen: Ihr Auftrag besteht auch darin, Licht in die Gemeinde zu tragen und das Leben hier im Vorderprättigau zu beleuchten und zum Leuchten zu bringen.

Feierliche Amtseinsetzung und Gelübde. Bild: Peter Müller

Geerdet und gehimmelt Peggy Kirsten und Dirk Schulz legten ihrer Predigt dasselbe Psalmwort zugrunde. Die Pfarrerin möchte mit einem Fuss auf dem Boden stehen, mit dem anderen aber ganz weit im Himmel, also geerdet und gehimmelt. Denn in diesem Raum leben Menschen, Tiere und die Natur in allen Fadie Überleitung zu Dirks Worten. Er schilderte eine Begebenheit aus seiner Jugendzeit, als er, ausschliesslich aufgrund der damals herrschenden Rassendiskriminierung im südlichen Afrika, sogar Jugendfussball-Nationalspieler war. Und dieses Gegensätzliche, dieses Schwarz-Weiss-Denken, führte ihm die Ungerechtigkeiten vor Augen. Es war die Kirche, eine katholische Missionsstation, wo er lernte, dass es vor Gott nicht Schwarze und Weisse gibt, sondern dass es hier «nur» Menschen gibt und keine Privilegierten. Und dieses Gemeinsame ist es, was die Kirche ausmacht und ihr die Kraft und Stärke verleiht, Gutes zu tun und Unrecht zu verdrängen.

Der Weg von der Erde zum Himmel

Die beiden neuen Pfarrpersonen wurden von Kirchgemeindepräsident Hans Ruedi Brunner herzlich begrüsst, und dieser war sichtlich froh, mit Peggy und Dirk den eingeschlagenen Weg weitergehen zu können. Die Grussworte des Kirchenrats überbrachte Hanspeter Wildi – und hier kommt nun auch das Kirchenrecht noch zu seiner Erwähnung. Seit der Reformation bestehen altrechtliche Bestimmungen, welche bis in unsere Zeit hineinreichen. So war der Weg für Peggy und Dirk, welche ihre vertraute Umgebung in Schleswig-Holstein gegen den Ort gleich hinter der Chlus aufgaben, auch mit etlichen Erschwernissen versehen. So wurde ein einjähriges Provisoriat erforderlich, und erst nach der Aufnahme in die Synode waren die beiden für die Grüscher erst als Pfarrpersonen wählbar. Für Aussenstehende wahrlich sonderbare Bestimmungen – aber so steht es nun einmal im Bündner Kirchenrecht. Ob sich hier die Bündner Kirche wirklich einen Gefallen tut oder sich allenfalls etwas selbst auf den Füssen steht, überlasse ich der geneigten Leserschaft. Das mächtige «Halleluja» der Posaunisten leitete über zum reichhaltigen Apéro im Garten des Kulturhauses Rosengarten, wo sich manch angeregtes Gespräch – oder eben ein gemütlicher «Hengert» – ergab. Die Damen des Frauenvereins Grüsch verwöhnten die Gäste mit kulinarischen Leckerbissen. Mit beiden Füssen fest auf dem Boden, begleitet von den Posaunisten, mit etwas Feinem zum Knabbern zwischen den Zähnen und Tranksame im Glas liess es sich unter freiem Himmel gut gemütlich sein und diese Installation würdig abschliessen.

Peter Müller