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Kultur
13.07.2023

Laut gedacht: Der immer gleiche Kamm

Bild: zVg
Die Bilanz vom Openair Frauenfeld sieht ernüchternd aus. In den Medien wird von Diebstählen und einer Messerattacke gesprochen, und die zurückgelassenen Zelte und Müllberge stimmen einem wieder einmal traurig. Doch auf den Anhängern der Jugendkultur Hip-Hop herumzuhacken, wie es viele Kommentierende aktuell praktizieren, macht wenig Sinn, denn dass es bei 160'000 Personen auch schwarze Schafe auf dem Platz hat, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Wer kennt es nicht? Man hat mit einer Person aus einer gewissen Völkergruppe schlechte Erfahrungen gemacht und geht anschliessend nicht mehr komplett unvoreingenommen auf Menschen der gleichen Herkunft zu. Das heisst, man schert diese Menschen grundsätzlich über den gleichen Kamm. Auch wenn sie eigentlich ganz nette und bereichernde Persönlichkeiten wären, verschliesst man so eine Tür. Viele meiner besten Freunde in der Jugendzeit kamen ursprünglich aus fremden Ländern und haben meine Sicht auf die Welt verändert. Auch wenn ich, ein gewisses Mass an Vorurteilen heute noch mit mir rumschleppe, muss ich doch sagen, dass es überall auf der Welt, selbst bei uns in der Schweiz, Menschen mit guten und weniger guten Absichten gibt.

Mit anderen Augen
Die aktuell verfassten Kommentare unter den Openair Frauenfeld- Artikeln stören mich, da ich die Hip-Hop-Gemeinde anders wahrgenommen habe, als sie in den Medien dargestellt wird. Dort behaupten die Leute, dass die meisten Raplieder von Gewalttaten handeln und man sich nicht wundern müsse, dass es wie man es propagiere, auch passiere. Klar, gibt es gewaltverherrlichende Musik, doch ich habe die Kunstform häufiger aufbauend, motivierend und verbindend erlebt, als dass ich mich dadurch motiviert gefühlt hätte, ein Messer zu zücken. Auch wenn ich ursprünglich aus einer anderen musikalischen Ecke kam, wurde ich in der Szene immer sehr willkommen geheissen und fühlte mich gut aufgehoben unter Menschen, bei denen das Texten ebenfalls einen hohen Stellenwert hat.

Einen frischen Wind ausprobieren
Am kommenden Wochenende findet auf dem Werkhofareal in Grüsch bereits zum 20. Mal die legendäre Polenta Jam statt. Und genau an dieser Veranstaltung habe ich erstmals eine Rapszene erlebt, die so ganz anders ist, als sie die Medien gerne hätten. Es wird familiär miteinander umgegangen und irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass jede und jeder gerne in der grossen Gemeinde aufgenommen wurde. Auf diesem Platz zählte lediglich die Liebe zur Musik und nicht etwa der Kantönligeist, der soziale Hintergrund oder gar das Aussehen. Darum empfehle ich Ihnen liebe Leserinnen und Leser, auch wenn Sie mit der Musik wenig anfangen können, schauen Sie mal für einen Sprung vorbei in Grüsch und erleben Sie dabei die einzigartige Atmosphäre. Ein frischer Wind ist pflegender als ein alter Kamm und das Problem mit dem Abfall mit dem das grosse Openair Frauenfeld seit Jahren kämpft, haben die Grüscher Organisatoren bereits mit der Platzwahl grandios gelöst. (Christian Imhof)

Christian Imhof