Home Region Schweiz/Ausland Sport Agenda Magazin
Schiers
19.07.2023

Bald ist Schluss

Bild: Peter Müller
Beim Eintritt in die Gaststube des Berggasthauses Mottis stechen die Swissair-Bücher sofort in die Augen. Als ehemaliger Mitarbeiter im technischen Betrieb der ehemaligen nationalen Fluggesellschaft habe ich dies oben gar nicht erwartet. So war ein erstes Gesprächsthema bereits gegeben.
  • Bild: Peter Müller
    1 / 3
  • Bild: Peter Müller
    2 / 3
  • Bild: Peter Müller
    3 / 3

In kurzer Gehdistanz von der Endhaltestelle des Postautokurses von Schiers nach Stels, liegt etwas erhöht das Berggasthaus Mottis. Wie so viele Flurnamen im Prättigau geht auch «Mottis» auf die romanische Sprache zurück und bedeutet etwa soviel wie Hügel, Kuppe. Diese Lokalität wurde von Gretli und Georg Meier-Joos anfangs der 60-er Jahre erbaut und während 23 Jahren auch als Gastwirtschaftsbetrieb geführt. Nach einer zwischenzeitlichen Verpachtung sind Susanne und Andres Meier-Schmutz seit 1994 die Gastgeber, in zweiter Generation. Allerdings soll im Frühjahr 2024, nach 30 Jahren, Schluss sein.

Von der Bordküche der DC-10 hinauf nach Stels
Zurück zu den Swissair-Büchern. Darauf angesprochen, erklärt mir Andres, dass er bis anfangs der neunziger Jahre bei der Swissair in der Kabine gearbeitet hat, ganz zuletzt dann noch in der Crew-Planung. Auch Susanne war fasziniert, als Gastgeberin hoch über den Wolken tätig sein zu können und weist eine ganz ähnliche Laufbahn in der Fliegerei auf. Im aufliegenden Bildband ist gar eine Aufnahme mit Andres in der Bordküche einer DC-10 zu finden. Und wie bei beinahe allen ehemaligen Swissair-lern ist die Wehmut über den Untergang dieser einst stolzen Fluggesellschaft gross. Allerdings erlebten Andres und Susanne diesen traurigen Tag aus der Ferne, da sie zu dieser Zeit ja bereits Gastgeber im Berggasthaus Mottis waren.

Zeitgeist
An diesem Donnerstagmorgen sind noch keine anderen Gäste anwesend und so bleibt ausführlich Zeit zum Gespräch und gemeinsamen Kaffee. Schon bald wird aus den Worten von Andres und Susanne klar, dass das Betreiben eines Berggasthauses in der heutigen Zeit kaum als Haupterwerb dienen kann – ausgenommen natürlich die bekannten Örtlichkeiten oder eben dort wo grosse Passantenströme vorhanden sind. Für die beiden hier oben ist klar, dass auch der Zeitgeist eine grosse Rolle spielt. Waren früher längerfristige Buchungen für Übernachtungen die Regel, so ist heute alles sehr kurzfristig und nicht zuletzt auch unverbindlich und kaum planbar. Susanne macht ein Beispiel: am vergangenen Sonntag, bei prächtigem Wetter, besuchten nur wenige Gäste das Restaurant; eine Woche zuvor, als sich Regen abzeichnete, war die Gaststube innert kürzester Zeit vollbelegt. Für Andres – welcher alleine den Küchendienst besorgt, denn um Personal anzustellen ist der Betrieb zu klein – hiess dies, innert kürzester Zeit rund 40 Menüs auf die Tische zu zaubern.

Allerdings beginnt Mitte Juli die Ferienzeit und so können dann doch etwas mehr Gäste erwartet werden, ist doch hier oben ein Wander- und Biker-Paradies zu finden. Andres weiss, dass ab Herbst mit einer Frequenzsteigerung gerechnet werden darf. Auch die Gleitschirm-Piloten finden hier, gleich neben dem Mottis ein ideales Startgelände – aber eben, deren Ziel ist nicht der Besuch im Berggasthaus, sondern sich möglichst bald in die Luft zu schwingen und davonzugleiten.

Schluss ist
Im Frühjahr 2024 soll dann für den Gastwirtschaftsbetrieb endgültig der Schlüssel gedreht werden. Etwas sarkastisch meint Susanne, dass sie dies ja auf der Homepage platziert habe: «Wir Meiers (Susanne und Andres) starten unseren letzten Sommer im Berghaus Mottis» – allerdings schwingt da sicher auch etwas Wehmut mit. Aus der Familie zeichnet sich keine Nachfolge ab, und Andreas möchte keinen Druck auf seine beiden Kinder machen, welche sich in guten Berufen etabliert haben, nur um der Tradition willen.

Zudem müssten bei einer Geschäftsübergabe beträchtliche Investitionen getätigt werden, da die gesetzlichen Bestimmungen das Auskommen in einem Berggasthaus zunehmend erschweren. Verpachten mag er das «Mottis» nicht, da er seine Erfahrungen bereits früher damit gemacht habe. Und so bleibt nur die Schliessung.

Andres wird seinen wohlverdienten Ruhestand geniessen und Susanne wird weiterhin an der EMS Englisch unterrichten. Den beiden ist für ihre letzte Saison als Gastgeber im «Mottis» alles Gute zu wünschen und, dass die 6 Doppelzimmer auf beinahe 1500 m.ü.M. in paradiesischer Ruhe, möglichst oft mit glücklichen und zufriedenen Gästen belegt sind.

Peter Müller