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Kanton
08.04.2023

Restwasser fliesst wieder

Bild: zVg
Seit dem 1. April 2023 fliessen überall wieder die konzessionierten Restwassermengen in den Flüssen und Bächen. Die Ausnahmeregelung, die der Bundesrat für die Versorgungssicherheit im Winter beschlossen hatte, wurde vorzeitig auf Ende März ausser Kraft gesetzt. Der Bundesrat begründet diesen Entscheid mit der stabi-len Stromversorgungslage. Fakt ist jedoch, dass diese Ausnahmeregelung kaum etwas gebracht hat, weil die Flüsse und Bäche heute übernutzt werden.

Der Bundesrat hat das Potential der temporären Herabsetzung der Restwassermengen auf das gesetzliche Mi-nimum völlig überschätzt. Das sagte die Bündner Regierung bereits in der Dezembersession in ihrer Antwort auf eine Anfrage der GRÜNEN-Grossrätin Anita Mazzetta. Die Massnahme bringe deutlich weniger Mehrproduktion als vom Bundesrat ursprünglich angenommen, sagte Regierungsrat Mario Cavigelli. Der Bundesrat rechnete mit einer Zunahme der Stromproduktion von maximal 0.4% der durchschnittlichen inländischen Wasserkraftpro-duktion.

Wie die Erfahrungen in Graubünden und in anderen Kantonen zeigen, sind die Restwassermengen im Winter bereits so ausgereizt, dass kaum Potential für eine Mehrproduktion vorhanden ist. Der Grund: Viele Kraftwerke, die vor 1992 konzessioniert wurden, haben im Winter gar kein Restwasser oder weniger als das gesetzliche Minimum. Von den 18 Bündner Kraftwerken, die nach 1992 konzessioniert wurden, konnten nur vier von der Sonderregelung profitieren. Jedoch auch diese nur sehr beschränkt, weil sie nur geringfügig mehr als die mini-male Restwassermenge nach Artikel 31 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz abgeben.

Es zeigt sich so eindrücklich, dass die Wasserkraft die Flüsse und Bäche heute übernutzt. Erst mit der Neukon-zessionierung der Anlagen wird sich die Restwassersituation nach und nach verbessern. Doch damit nicht genug. Noch bevor endlich minimale Restwassermengen in unseren Flüssen und Bächen fliessen, versucht das Parla-ment in Bern, das Gewässerschutzgesetz auszuhebeln. So hat der Nationalrat kürzlich beschlossen, die Restwas-servorgaben bis 2035 zu sistieren. Die GRÜNEN Graubünden erinnern das Parlament daran, dass die Min-destrestwassermengen das Existenzminimum für die Fische und Wasserlebewesen bedeuten. «Diese Mindest-mengen, die sich an Beobachtungen in der Natur orientieren, stellen gewissermassen das Existenzminimum für die Wasserlebewelt dar», schrieb der Bundesrat 1987 in der Botschaft zur Revision des Gewässerschutzgeset-zes. Würde diese unterschritten, käme dies praktisch einer Opferung der biologischen Funktion eines Gewäs-sers gleich.

Der Entscheid des Nationalrates, die Restwasservorgaben bis 2035 zu sistieren, muss darum vom Ständerat kor-rigiert werden. Das gleiche gilt für den Schutz der Gletschervorfelder und alpinen Schwemmebenen. Der Natio-nalrat will verhindern, dass weitere dieser urtümlichen und artenreichen Gebiete unter Schutz kommen kön-nen. Wird das nicht korrigiert, kommt (wohl) ein Referendum.

Pressedienst