Kurz nach 19 Uhr begrüsste die Präsidentin des Handels- und Gewerbeverband Vorderprättigau, Sarah Davatz die rund 50 Interessierten zum munteren Austausch. Doch erstmals gab es einen ausschlussreichen Vortrag von Brigitte Küng, Co-Geschäftsleiterin vom Wirtschaftsforum Graubünden.
Jeder Fünfte fällt weg
Die Zahlen, die sie, untermalt von imposanten Grafiken, aufzeigt, liessen die Stimmung im Saal in den Keller schiessen. Denn inzwischen ist es in Graubünden schon so weit, dass jährlich 1000 Personen aus dem Arbeitsmarkt verschwinden, da die Babyboomer nun langsam in Pension gehen und wenige 20-Jährige nachkommen. Ein weiterer wichtiger Faktor sei zudem, auch wenn man es hier nicht gerne höre, die Abwanderung. Auch wenn das Vorderprättigau im Vergleich zu anderen Regionen noch von der Dynamik aus dem Bündner Rheintal profitieren könne, sei es leider eine Tatsache, dass immer mehr 15- bis 29-jährige oder auch 30- bis 44-jährige Personen ihr Glück an einem anderen Ort suchen. Man könne es drehen und wenden, wie man wolle, der Fachkräftemangel stehe schon vor der Tür und wenn nicht zügig etwas unternommen werde, sei der Umstand, dass bald jede fünfte Fachkraft dem Arbeitsmarkt wegfalle, eine Tatsache.
Lösungsansätze aus dem Osten
Laut Küng sei die Lage in Japan besonders schlimm. Dort kämen heute auf 16 Stellen zehn Bewerber, was dazu führe, dass die Öffnungszeiten eingeschränkt werden und beispielsweise auch die Samstagszustellung von Zeitungen eingestellt wurde. Vier von insgesamt rund 30 Lösungsansätzen können laut Brigitte Küng auch für die Region adaptiert werden. Um einen Fachkräftemangel besser abfedern zu können, müsse geschaut werden, dass die Pensionierten länger dem Arbeitsmarkt erhalten bleiben. Das Zuwandern von Menschen, ideal aus einem Land, in dem Jobs fehlen und die Gesellschaft demografisch anders aufgestellt ist, also über eine jüngere Bevölkerung verfügt. Des weiteren stecke riesiges Potential darin, wenn man die Hindernisse für Frauen im Arbeitsmarkt abbaue oder auch vermehrt auf Automatisierung setze. Mit dem kleinen Tipp, den Bewerbern schmackhaft zu machen, welche Traumjobs mit Mehrwert hier in der Region angeboten werden und dem Hinweis, dass wir alle im gleichen Schlitten sitzen, übergab Küng das Wort den Podiumsteilnehmern, die vom Regionalentwickler Georg Fromm befragt wurden. Die Podiumsdiskussion hatte es echt in sich, und es wurde durchaus angeregt über mögliche Lösungsansätze gesprochen. Tobias Unger, Leiter Human Resources & Internal Services und Mitglied der Geschäftsleitung der Trumpf Schweiz AG erklärte, dass er am ehesten den Schlüssel darin sehe, dass die Region gemeinsam auftrete und so dafür sorge, dass die Menschen sich mal in der Umgebung niederlassen. Bei welcher Firma sie fürs Erste arbeiten würden, sei nicht so wichtig. Wichtiger sei das Wurzelschlagen im Tal. Peter Engler, CEO der Flury Stiftung erwähnte, dass vor allem im Gesundheitsbereich der Einstieg für Frauen einfacher werden müsse. Zudem könnten auch flexiblere Pensionierungsmodelle Abhilfe geben. Grosses Potenzial sieht die Schierser Unternehmerin und Grossrätin Anna-Margreth Holzinger in Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, die durch eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht nur aktiv etwas gegen den Fachkräftemangel unternehmen könnten, sondern zusätzlich eine sinnstiftende Aufgabe bekämen. Bei den Frauen und Pensionierten sieht auch Andri Schmellentin, Direktor der Bergbahnen Grüsch-Danusa AG, grosses Potenzial. Beim Gespräch wurde viel darüber diskutiert, wie die Berufe in der Region in ihrer Aussenwirkung besser wahrgenommen werden könnten und alle konnten sich darauf einigen, dass sich neben der Werbung sicher auch noch im administrativen Bereich einiges verbessern muss. Georg Fromm schaffte es, dank guten Leitfragen den Puls des Podiums zu treffen und liess alle Teilnehmenden im besten Licht zu präsentieren.
Arbeit ist etwas Schönes
Bei der anschliessenden offenen Diskussion mit dem Publikum, waren es vor allem zwei Themen die hervorstachen. Auf der einen Seite erwähnte ein Herr, dass die tägliche Arbeit durch «lustige» Radiomoderatoren hin und wieder gar in einem schlechten Licht dastehe. Man dürfe doch gut und gerne Freude an seiner Arbeit finden und er hoffe sehr, dass sich dies bald auch wieder in den Köpfen der Leute manifestiere. Ein anderer Zuhörer machte darauf aufmerksam, dass mehr nicht immer gut sein muss und kritisierte die Zuwanderung scharf. Auch wenn im Saal wenige zumindest den zweiten Teil seiner Meinung teilten, war es schön zu sehen, dass auch seine Aussagen eine Plattform erhielten. Denn es zeigt auf, dass wir in der Region beim Thema Fachkräftemangel, egal wie die sonstige politische Gesinnung ist, eben alle im gleichen Schlitten sitzen und schauen müssen, dass es nicht weiter bergab geht.