Seit 10 Jahren steht der Versamer Daniel Bühler an der Spitze von Bad Ragaz. Vorher war er sechs Jahre Stadtpräsident von Altstätten (SG). Er sei stets mit Leib und Seele Stadt- bzw. Gemeindepräsident gewesen, auch wenn sich in diesen Jahren vieles verändert habe. «Die Gesellschaft verlangt inzwischen immer mehr ein All-Inklusive-Paket von den Gemeinden, dem Kanton und dem Staat. Unannehmliches soll gratis übernommen und erledigt werden, was zur Folge hat, dass immer mehr Juristen und Verwalter in solchen Ämtern tätig sind und die Gelassenheit in der Bevölkerung fast ein wenig verloren gegangen ist.» Bühler, der Grundbuchverwalter gelernt hat und ein betriebswirtschaftliches Studium absolvierte, hat auch viele Jahre in Graubünden gearbeitet, beobachtet diesen Wandel mit Sorge. «Als ich angefangen habe, konnte man eine Sitzung mit der richtigen Person machen und die Sache war zügig vom Tisch. Wenn ich heute etwas möchte, sitzen mir beim Kanton sieben bis acht Experten gegenüber, die alle nur für einen Teilbereich zuständig sind. Überall braucht es heute Konzepte, Gutachten und Strategien, anstatt dass rasch eine Lösung gefunden und umgesetzt wird. So macht sich die Politik abhängig von Dritten, was ich eine schwierige Entwicklung finde.»
Keine Verschiebung der Problematik
Etwas mehr als 83 Kilometer liegen zwischen der Kantonshauptstadt und Bad Ragaz. Doch wenn es um politisch dringende Angelegenheiten gehe, komme einem das wie eine halbe Weltreise vor. «Ja, wir fühlen uns hin und wieder schon ein wenig abgehängt vom Kanton. So hat St. Gallen beispielsweise für die wichtige Sitzung zum Thema Ausweichverkehr auf der A13 im Oktober des vergangenen Jahres zwei Verwaltungspersonen ohne Entscheidungsmöglichkeiten geschickt. Der Kanton Graubünden, das Astra und alle Gemeinden waren mit den richtigen Ansprechpersonen vertreten, doch dass St. Gallen keinen Chefbeamten gesandt hat, hat auch gezeigt, dass der Regierung das Problem nicht wirklich wichtig ist.» Zwei Eingaben, die Bühler inzwischen als Kantonsrat gemacht habe, seien zudem auch auf taube Ohren gestossen, was ihn schon ein bisschen nachdenklich stimme. Es sei schon lange allerhöchste Zeit, dass man eine gemeinsame Lösung finde gegen die touristische Blechlawine, die momentan wieder an schönen Wochenenden auf die Dörfer zu rolle. «Wenn wir beispielsweise vorne in Mastrils den Kreisel zu sperren, verlagert sich das Problem nur auf die Bündner Herrschaft, was auch nicht sein kann. Wir müssen die Verkehrsproblematik ganzheitlich und koordiniert angehen, sonst bringt das nichts.»
Mehr Gelassenheit von SG
Dass Daniel Bühler und seine Gemeindeverwaltung eine ganz gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn pflegen, zeigt die lange Liste, die er vorbereitet hat. Darauf ersichtlich ist, dass Bad Ragaz in den Angelegenheiten Post, Tourismus, allgemeiner und öffentlicher Verkehr, Pizolbahnen, Rheinaufweitung und vielen weiteren Punkten gemeinsam mit den Bündner Nachbarn anpackt. Bühler stellt fest, dass der Kanton St. Gallen zentralistisch und hierarchisch aufgebaut ist und die Regionen weniger entscheiden können als im Kanton Graubünden. «Das merkte man beispielsweise auch in der Fachhochschullandschaft, wo die heutige FH Graubünden per 1. Januar 2020 aus der damaligen Fachhochschule Ostschweiz, mit drei Fachhochschulen im Kanton St.Gallen, ausgetreten ist. Oder auch an der fragwürdigen Gegenkandidatur der Stadt St.Gallen gegen das Glarnerland um das eidgenössische Schwingfest 2025. Man merkt, hier auf dem Land beschäftigen uns eben andere Probleme als in der Stadt.» Daniel Bühler glaubt, dass der Kanton St. Gallen durchaus einiges von den Bündnern lernen könnte. «Hier in der Wirtschaftsregion ist der Austausch ständig da, auch über die Gemeinden- und Kantonsgrenzen. Ich würde mir wünschen, dass die St. Galler Regierung und Verwaltung ein wenig Gelassenheit von den Bündnern übernehmen könnten und man Lösungen über die Kantonsgrenzen hinaus sucht.» Nur so könne man Problemen wie dem Ausweichverkehr entgegentreten und zudem auch noch etwas gegen den veralteten Stadt-Land-Graben unternehmen.
Region
05.02.2023
«Wir müssen die Verkehrsproblematik koordiniert angehen»
Bild:
Christian Imhof
Bad Ragaz gehört zum Kanton St. Gallen. Dies fällt vielen Bewohnern des Kurorts allerdings erst auf, wenn sie wegen neuen Pässen den Weg in die Kantonshauptstadt auf sich nehmen müssen. Sonst sind die Ragazer vor allem Sarganserländer und nach meiner Einschätzung näher den Bündnern als den St. Gallern von der Mentalität her. Im Alltag spürt man von der natürlichen Grenze wenig und doch gibt es politisch einige Dinge, die am Westrand der Rheinebene anders laufen als in Graubünden.