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Freizeit
31.12.2022
27.12.2022 12:44 Uhr

Die Kehrseite des sommerlichen Glücks

Bild: Lucas J. Fritz
Dieser Beitrag handelt davon wie auch das grösste Glück im Leben stets eine Kehrseite hat. Lucas J. Fritz erzählt von der Kehrseite seines sommerlichen Glücks.

Jeshua verbrachte Woche um Woche in den Höhlen La Gomeras. Nachdem der anfängliche Euphorismus des Neuen vergangen war, setzte sich der Alltag an die emotionale Front. Dieser war für Jeshua zwar frei gestaltbar, doch hart und entbehrungsreich. Neben allem was gut und schön war, gab es manch neue Herausforderung, die er durchzustehen hatte.

Die Gedanken sind frei
In ihm reifte mehr und mehr der Entschluss sein freies Leben für immer beizubehalten. Es sollte nicht nur eine Phase seines Lebens sein nach der er zurück in den tristen Schweizer Alltag würde zurückkehren und sich den Launen eines Arbeitgebers aussetzte. Jeshua war frei und wollte für immer frei bleiben. Vor allem in Gedanken war er so frei wie nie zuvor in seinem Leben. Und gerade dies war ihm wertvoll geworden. So ging er nach seiner Entschlussfassung sparsamer und bewusster mit seinen Ressourcen um und machte sich Gedanken darüber wie er langfristig überleben würde. Sein Leben war gut. Er war frei und konnte seine Tage frei nach seinem Gefühl gestalten. So schön dies auch war, mit der Zeit wurde es immer anstrengender. Das Wasser und die Nahrung konnte er nicht einfach zwei Häuser weiter im Supermarkt einkaufen. Er ging mehrmals in der Woche den Weg in den nächsten Ort, machte seine Erledigungen und schleppte seine Vorräte den Hügel hoch. Es waren zwar nur hundert Meter Höhendifferenz und etwa drei Kilometer Strecke, doch dies täglich unter der brennenden Sonne zu bewerkstelligen zehrte an Jeshuas Kräften. Strom kam in der Höhle nicht aus der Steckdose. Er kramte das Solarpanel hervor, sah nach dem Stand der Sonne und stellte es entsprechend auf. Wenn es regnete, gab es keinen Strom. Wenn es stark windete und bewölkt war, konnte er seine elektronischen Geräte ebenfalls nicht aufladen. Wenn er in den Ort ging oder sich auf eine Exkursion durch die umliegenden Berge und Täler begab, liess er es manchmal in der Sonne stehen. An wechselhaften Tagen lief er jedoch Gefahr das Solarpanel durch einen unvorhergesehenen Platzregen oder durch einen heftigen Windstoss zu verlieren. Das Panel produzierte im Tag gerade so viel Strom, damit er einige Stunden lang schreiben und musikhören konnte. Für mehr reichte es nicht.

Kleine Probleme
Er kümmerte sich fortlaufend um seine kleinen Probleme. Er breitete Decken in seiner Behausung aus, damit er den Sand und Staub nicht mehr hineintragen und damit alles verdrecken würde. Wenn er sich zu Bett legte, zündete er ein Räucherstäbchen an, um die Mücken und Fliegen zu verscheuchen, die ihm den Schlaf rauben wollten. Ging Ausrüstung in die Brüche, so versuchte er dieses oder jenes bestmöglich nach den vorhandenen Ressourcen auf der Insel zu ersetzen. Jeshua ersetzte sein geschlossenes Schuhwerk durch ein Paar Sandalen, sodass er keine Socken mehr zu waschen hatte, die Fliegen sich tagsüber nicht mehr auf seine schwitzigen Füsse stürzen konnten und er sich besser fühlen konnte und weniger an der Hitze litt. Jeshua lebte sein Leben, genoss es in vollen Atemzügen, genoss die Aussicht auf das Meer, liebte es die Segelboote zu beobachten und träumte so manchen Traum, den er so schnell nicht würde verwirklichen können. Nachts litt er am meisten unter dem Alleinsein. Er war fern seiner Heimat, war noch ein Fremder in diesem atlantischen Paradies und hatte noch keine festen Freundschaften geschlossen. Doch er kämpfte, kämpfte um ein glückliches Leben in der Fremde. Nach und nach hatte er sich einen Grundwortschatz der spanischen Sprache angeeignet, verstand es allmählich sich in der fremden Sprache auszudrücken und gewann Freude an den zahlreicher werdenden Unterhaltungen mit den Einheimischen. Jeshua kam langsam aber sich auf La Gomera an und fühlte sich mit jedem Tag mehr zuhause auf dieser Insel mitten im Atlantik.

Lucas J. Fritz