Hinzu kommt, dass es auch darum geht, die Situation und die Besonderheiten in der Begleitung alter Menschen in Alters- und Pflegeheimen und die Personen kennenzulernen, welche sich um unsere Alten bemühen. Und nicht zuletzt ist es auch eine Betrachtung zu unserer heutigen Gesellschaft mit einem stetig wachsenden Anteil an älter werdenden Menschen und unserem Umgang mit diesem Umstand. Dazu hatte ich Gelegenheit mit der Fachleiterin Pflege im Altersheim Schiers, Lea Hohbach und einer der sehr engagierten und motivierten Pflegefachfrauen, Rosmarie Aebli, zu sprechen.
Wir werden immer älter – was heisst das?
Es ist eine Tatsache, dass die Lebenserwartung stetig anwächst und der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft deutlich grösser wird. Von daher gewinnen Institutionen wie Alters- und Pflegeheime auch zusehends an Bedeutung. Nur, solche Einrichtungen zu bauen ist das Eine, diese aber auch mit ausgebildetem und motiviertem Personal zu bestücken ist das Andere. Dies ist auch angesichts der Tatsache, dass sich unsere Gesellschaft immer individualisierter und anonymer entwickelt, eine grosse Herausforderung. Nicht zuletzt ist hier die Politik gefragt. Aber es offenbart sich, dass zwischen Politik und gesellschaftlicher Wahrnehmung bezüglich des Pfegebereichs im Gesundheitswesen eine grosse Differenz besteht. Ganz deutlich zeigte sich dies ja vor einem Jahr, als das Schweizervolk über die Pflegeinitiative abstimmte. Während in Bundesbern ein abgeschwächter Gegenvorschlag ausgearbeitet und durch Bundesrat und Parlament zur Annahme empfohlen wurde, entschieden sich über 60% der Stimmenden für die Initiative und zeigten dadurch auch deutlich ihre Unterstützung zugunsten des Pflegepersonals.
Wie sieht das Leben im Altersheim aus?
Gleich zu Beginn: ich bin mehr als beeindruckt vom sorgsamen Umgang mit alten Menschen im Altersheim in Schiers!
Sowohl Lea Hohbach als auch Rosmarie Aebli betonen, wie wichtig es ist, die Bewohner:innen zu respektieren und sich immer wieder bewusst zu sein, dass dies das Zuhause dieser Personen ist. Das gewähren der entsprechenden Privatsphäre ist unabdingbar. Ganz anders als in der Pflege in einem Spital – welche ja auf eine bestimmte Zeitdauer beschränkt ist – sind die Aufgaben zusammen mit den hier wohnenden Menschen auf eine längere Zeit ausgelegt; und so ist auch die Entwicklung der Beziehung zwischen Pflegenden und den hier lebenden Personen auch eine ganz andere – man ist sich näher. Aber natürlich ist nicht alles nur schön und heile Welt. Da diese Menschen hier zuhause sind, werden auch alle Lebenssituationen offenbar und sehr oft spielt auch der Kontakt mit den Angehörigen der Bewohner:innen mit in den Arbeitsalltag hinein. Während die Anspruchshaltung der hier wohnenden Menschen, bedingt durch ihre Geschichte und die gesellschaftlichen Normen in welchen sie aufgewachsen sind, sich eher bescheiden zeigt, sind Anliegen und Wünsche von Angehörigen schon viel akzentuierter. Aber selbstverständlich besteht für diese älteren Menschen ein sehr grosses und vielfältiges Aktivierungsangebot. Es war für mich beeindruckend, sehen zu können, wie eine Gruppe von Bewohner:innen sich mit Hingabe kleineren Bastelarbeiten widmete und mit Eifer aus alten Eierkartons kleine Engel hervorzauberte. Dies alles unter behutsamer Begleitung von Fachpersonen, denen es nicht zuviel wurde, immer wieder helfend und erklärend zu unterstützen und zu motivieren. Den hier anwesenden Senior:innen war es aber auch sichtlich wohl und ich nahm diese ganze Gruppe wie eine gemütlich beisammensitzende Familie wahr. Ein wichtiges Thema, welches sich in einem Altersheim besonders akzentuiert, ist die Thematik "Lebensende". Im Allgemeinen tun wir Jüngeren uns ja mit diesem Thema eher schwer. Aber hier in Schiers bei meinem Besuch war dies wie gar nicht ein Thema, aber nicht weil es tabuisiert wird, sondern weil dies zum Alltag gehört. Und ich habe von meinen beiden Gesprächspartnerinnen gehört, dass gerade in solchen Situationen für sie sehr viel Prägendes für die eigene Lebenshaltung und –gestaltung entsteht und zum Vorschein kommt.
Menschen, welche sich um ältere Menschen kümmern
Auslöser für diesen Artikel war ein Hinweis, welcher bei der Redaktion eingegangen ist: "Ich habe in der Cafeteria eine Pflegefachfrau beobachtet wie sie mit unglaublicher Geduld einer Bewohnerin immer wieder dieselben Fragen beantwortet hat, sie zum 10 mal aufrechter hingesetzt hat, ihr das Trinken in einer liebevollen Art eingeflösst hat…."
Und diese Pflegefachfrau heisst Rosmarie Aebli – mit ihr lernte ich eine Person kennen, welche sich bescheiden, aber äusserst engagiert und aufopfernd um diese alten Menschen kümmert. Im Toggenburg aufgewachsen, wäre nach bestandener Matura eigentlich Tierärztin ihr grosser Berufswunsch gewesen. Sie wurde sich aber bald bewusst, dass dies für sie doch eher schwierig war und so wählte sie schliesslich die Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete auch einige Zeit im Spital in Wattwil. Durch ihre Heirat kam sie vor 20 Jahren ins Prättigau. Neben ihrer Aufgabe bei der Bewirtschaftung des Bauernhofs ihres Mannes suchte sie sich ein zweites Standbein und begann so ihre Tätigkeit im Spital Schiers. Leider wurde die Familie durch einen Schicksalsschlag vor 5 Jahren schwer geprüft. Zu dieser Zeit waren ihre Kinder noch in Ausbildung und so kam Rosmarie Aebli dann zu ihrer neuen Aufgabe im Pflegebereich des Altersheims in Schiers. Für sie ist es wichtig, dass es hier etwas ruhiger zu und her geht als in einem Akutspital. Zudem schätzt sie die familiäre Situation an ihrem jetzigen Arbeitsplatz, hier im doch eher ländlichen Prättigau. Obwohl ich Rosmarie Aebli, nur ganz am Rande in der Pflegesituation erlebt habe, so war mir doch sehr schnell bewusst, mit welcher Ruhe und Geduld, mit welcher tief verankerten Motivation sie diese Aufgabe wahrnimmt – und vorallem, wie gerne sie ihre Tätigkeit wahrnimmt, welche durchaus sehr herausfordernd ist. Auch ob all dieser Anstrengungen sieht sie so viel Positives in ihrer Aufgabe und Berufung und sie betont, wie viel sie von diesen alten Menschen lernt, nicht zuletzt auch von dementen Menschen mit ihren ganz besonderen Verhaltensweisen.
Wohin könnte die Reise gehen?
Natürlich wollte ich von meinen beiden Gesprächspartnerinnen auch erfahren, was sie sich von der Zukunft für sich, aber auch für den Pflegeberuf wünschen und erhoffen. Sowohl Lea Hohbach als auch Rosmarie Aebli können sich keinen schöneren Beruf vorstellen, als im Pflegebereich arbeiten zu können. Das viele Positive, welches sie in ihrem Arbeitsalltag erfahren ist für sie Teil ihrer "Lebensschule" und bereichert ihren Berufsalltag, so dass sie dies nicht missen möchten. Allerdings wünschen sich beide, dass ihrem Berufsstand auch die Anerkennung und Unterstützung für eine erfolgreiche Entwicklung und Zukunft zukommt. Dabei kam ganz klar zum Ausdruck, dass sich ihre Aussagen nicht auf ihren Arbeitsplatz unter dem Schirm der Flury-Stiftung beziehen. Mir wurde ganz klar gesagt, dass die Unterstützung durch Leitung und Vorgesetzte innerhalb des Altersheims in Schiers aber auch all der anderen Einrichtungen der Flury-Stiftung im ganzen Prättigau als vorbildlich zu bezeichnen sind. Sie wünschen sich eher im generellen Bereich der Pflege eine etwas optimistischere Sichtweise. Man höre oft von "Pflegenotstand" was ihrer Ansicht nach viel zu negativ behaftet ist und jüngere Menschen eher davor abschreckt sich für diese Berufe zu interessieren. Sie sprechen lieber von Personalknappheit, welcher mit gezielten Förderungs- und Ausbildungsmassnahmen auch entgegengewirkt werden kann. Und hier schliesst sich auch der Kreis zum Anfang dieses Artikels. Hier ist die Politik gefordert und so warten wir gespannt auf die Ausführungen zur Umsetzung der Pflegeinitiative. In diesem Sinne nehme ich gerne auch eine Aussage auf, welche in diesem Zusammenhang sehr oft gemacht wird: Klatschen für die Pflegenden alleine reicht nicht, es müssen nun Taten folgen!