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Prättigau
16.11.2022

Meliorationsvorhaben im Prättigau

Bild: Peter Müller
Zurzeit werden im Kanton Graubünden rund 30 Gesamtmeliorationen und 20 Güterstrassenerneuerungs-projekte ausgeführt. Verschiedene Gesamtmeliorationen und vor allem Ausbauten alter Güterstrassennetze sind in Vorbereitung. Jährlich werden Arbeiten mit Gesamtkosten von rund 27 Mio. Franken ausgeführt, an die der Bund rund 11 Mio. Franken und der Kanton rund 8,4 Mio. Franken in Form von nicht rückzahlbaren Beiträgen leisten. Eine Betrachtung der Situation im Prättigau zeigt sehr divergierende Vorgehensweisen und eine sehr unterschiedliche Akzeptanz in den einzelnen Gemeinden der Talschaft.

Als Meliorationen wurden ursprünglich alle Massnahmen zur Bodenverbesserung bezeichnet. Im 20. Jahrhundert erfuhr der Begriff eine Ausweitung: Er umfasste nun auch Massnahmen wie die Güterzusammenlegung und den Erosionsschutz und wurde schliesslich gleichbedeutend mit der umfassenden Restrukturierung der ländlichen Räume (sogenannte Gesamtmelioration heute oft auch Strukturverbesserung). Gemäss dem 1993 erarbeiteten Meliorationsleitbild werden moderne Meliorationen als Instrument der Raumplanung, des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der Strukturverbesserung in der Landwirtschaft eingesetzt. Besonders im Berg- und in den Randregionen haben Meliorationen auch die Aufgabe, die ländlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Sie bilden die Grundlage für ein ausgewogenes nachhaltiges Meliorationsprojekt. In diesem Zusammenhang spricht man sehr oft auch vom «Dreibein» einer Gesamtmelioration.

Alles unter einen Hut bringen
Wie vorangehend erwähnt. Sollen und müssen bei einer Gesamtmelioration verschiedenste Interessen berücksichtigt werden. Diese Anforderungen sind zuweilen nur schwer unter einen Hut zu bringen. Dies führt auch dazu, dass Meliorationsvorhaben nicht grundsätzlich auf Verständnis und Zustimmung stossen. Während der Bereich der Raumplanung in Bezug auf eine mögliche Güterzusammenlegung meist unbestritten ist und auch den Bereich der Landwirtschaft ausreichend berücksichtigen kann, so entstehen doch im Zusammenhang mit dem Natur- und Landschaftsschutz sehr oft grössere Diskrepanzen. Strukturverbesserungen im ländlichen Raum kommen aufgrund ihrer Zielsetzungen in Kontakt und allenfalls in Konflikt mit Natur- und Landschaftswerten. Die Projekte bewegen sich im Spannungsfeld zwischen einer effizienten landwirtschaftlichen Nutzung, der Pflege der Landschaft und deren Schutz. Insbesondere im Rahmen von Gesamtmeliorationen werden Massnahmen zur Ver-besserung der Biodiversität gefördert und unterstützt. Als zusätzlicher Anreiz für besondere Bemühungen im Bereich Natur und Landschaft können Zusatzbeiträge gesprochen werden. Und dennoch geraten sich Ingenieure und Planer und Natur- und Landschaftschützer auf der anderen Seite immer wieder in die Haare. Kommt hinzu, dass bei einer Gesamtmelioration die verschiedensten Amts- und Fachstellen mit teilweise sehr divergierenden Aufträgen mit am Tisch sitzen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Meliorations-Projekte sehr lange dauernde Aufgaben sind, welche sich über mehrere Jahrzehnte hin ausdehnen können.

Die Situation im Prättigau
Die sehr unterschiedlichen Situationen und Umsetzungsstände zeigen sich bereits deutlich im Flicken-teppich der Projektierung im Kanton Graubünden. Eine fokussierte Betrachtung der Situation im Prättigau weist deutlich auf die sehr unterschiedliche Akzeptanz der Meliorationsvorhaben in den einzelnen Gemeinden der Talschaft hin. Während in Grüsch für die Fraktion Fanas bereits Mitte 2008 ein Grundsatzentscheid für eine Gesamtmelioration gefällt wurde, erwächst einem solchen Vorhaben in der Gemeinde Jenaz grosser Widerstand. Zwar wurde dort im Jahr 2011 ein Grundsatzentscheid zur Durchführung einer Gesamtmelioration gefällt und ein Kredit für das Auflageprojekt gesprochen. Als dann im Herbst 2020 über einen Zusatzkredit für das Auflageprojekt beraten wurde, ging es hoch zu und her. Schliesslich wurde dieser Kredit im Stimmenverhältnis von 2:1 abgelehnt und das Projekt «Gesamtmelioration Jenaz» schubladisiert. Und dies ist trotz erneuter Anläufe bis heute so. Auch das Meliorationsvorhaben in Fanas geriet verschiedentlich ins Stocken, aber immerhin konnte in diesem Herbst das Herzstück der Melioration – mit der Brücke über das Fanastobel- bewerkstelligt werden. In der Gemeinde Klosters spricht man heute nicht mehr von Melioration, sondern von Strukturverbesserungsmassnahmen. Während die Planung in der ehemaligen Gemeinde Klosters-Serneus schon weit fortgeschritten ist, hinkt das Vorhaben im Gemeindeteil noch etwas hinterher. In Klosters kämpften die Planer im Zusammenhang mit dem Auflageprojekt mit einer sehr grossen Anzahl von Einsprachen. Dieser Projekt-schritt scheint generell ein sehr aufwändiger zu sein, da alle betroffenen Grundeigentümer das Recht zur Einsprache besitzen und eine Klärung und Bereinigung oftmals auch mehrere Parteien betrifft und deren Kooperation voraussetzt. Gemäss Auskunft aus Klosters ist die Gemeinde jedoch bestrebt, sich bezüglich der finanziellen Beteiligung sehr grosszügig zu zeigen und dies soll dann auch bei der Umsetzung in Saas gleichwertig gehanhabt werden. Dadurch sollen die betroffenen Grundeigentümer weitestgehend entlastet werden. In Luzein wurde bereits im Jahr 2005 ein Reglement für die Gesamtmelioration durch die Gemeindeversammlung gutgeheissen. Aber auch hier erforderte die Erstellung und Bereinigung des Auflageplans nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Fingerspitzengefühl und Konsenswillen. Einzelne Projekte sind bereits abge-schlossen, andere in der Umsetzung und auch ein beträchtlicher Teil ist noch in Planung. In einem Nachfolgebericht in dieser Zeitung soll die Situation in der Gemeinde Luzein etwas genauer betrachtet werden.

Peter Müller