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Küblis
13.11.2022
07.11.2022 10:37 Uhr

«Wir sind mehr am Projektieren als Bauen»

Bild: Christian Imhof
Urs Vetsch von der Firma «vita-wohnen.ch AG» ist ein wenig frustriert. Denn die unterschiedlichsten Bauprojekte in der Region werden durch Einsprachen verschleppt, verteuert oder sogar verhindert. Dass dadurch mit der Zeit Jobs wegfallen, Einheimische keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden und immer mehr bestehende Bauten von Zweitwohnungsbesitzer gekauft werden, sei den meisten Personen nicht bewusst. Wie sollte es auch? In der Schweiz haben Baubeschwerden für den Antragsteller meist nur geringe bis keine Konsequenzen.

«Die Situation ist ein wenig verfahren seit der Annahme des Zweitwohnungsgesetzes», sagt Unternehmer Urs Vetsch. «Doch dort kann man nicht viel machen. Für alte Häuser im Dorfkern werden oft von Auswärtigen Mondpreise geboten, weshalb ich die Eigentümer irgendwie auch verstehe, da sie ihr Haus lieber für zwei Millionen an jemanden verkaufen, der es nur als Ferienwohnung nutzt, als an eine einheimische junge Familie, die mit diesen Preisen nicht mithalten kann.» Wahrscheinlich wird es mit der Zeit laut Vetsch notwendig werden Quartiere ausserhalb der Dorfzentren für Einheimische zu errichten, weil da der Wohnraum noch erschwinglich sein wird. Anpassung Zweitwohnungsgesetz

Bauberater- und Juristenindustrie im Aufschwung
Doch gegen diesen Sachbestand könne man nicht viel unternehmen. In den vergangenen Jahren habe sich aber zusätzlich zu dieser Problematik ein anderes Phänomen gesellt, welches die Planung und Realisierung von grösseren Bauprojekten. «Praktisch bei jedem grösseren Projekt, welches wir eingeben, wird Einspruch erhoben. So kommt es, dass wir inzwischen mehr am Einsprachen abwenden und Projektieren sind, als am Bauen.» Den Menschen Einsprechern müsse bewusst gemacht werden, dass sie als KMU, wenn eine Einsprache komme, mit dem Planen des Projekts wieder komplett von vorne anfangen müssen. «Das kostet dann schnell 15 Prozent mehr und dies hat auch eine Auswirkung auf die Immobilienpreise, die sich dadurch verteuern und so dann auch für Junge unerschwinglich werden.» Man könne schon von der Rohstoffknappheit oder auch von Energieengpässen sprechen, doch der direkteste Einfluss auf die Preise von Wohnraum sei die von Vetsch so betitelte «Bauberater- und Juristenindustrie», die bei neuen Bauprojekten zur Hilfe gerufen werde. «Logisch findet ein Anwalt, der einen Stundenansatz von 200 bis 250 Franken hat, immer ein Schlupfloch, welches ein Bauprojekt verschleppt. Es dünkt mich fast ein wenig so, dass man inzwischen sucht, was nicht geht, anstatt darauf zu achten, was alles möglich ist.» Die Konstellation aus Baugesetz, Bauherr, Gemeinde und dem Bauberater schaffe eigentlich klare Verhältnisse. Sobald dann aber eben noch die Juristen hinzukommen, stifte das nichts als Chaos.

Leute müssen zeitgemäss wohnen können
Dass Vetsch aus Erfahrung spricht, zeigt das Beispiel in Pany. Dort hat er mit «vita-wohnen.ch AG» inzwischen über 250’000 Franken verplant und verprojektiert ohne auch nur eine Schaufel in den Boden zu setzen. Ursprünglich hatte das Projekt Lasaris vorgesehen, dass dort 16 zahlbare Wohnungen für Einheimische entstehen und zudem noch das alte Ferienlagerhaus stehenbleibt, respektive erst in einem zweiten Schritt, wenn dieses auch dann wirklich nicht rentabel betrieben werde kann, umgenutzt wird. Doch durch Einsprachen sind die Kosten für die geplanten Immobilien mächtig angewachsen und wie viel eine solche Wohnung dann kostet, wenn es fertig gestellt wird, ist schwierig abzuschätzen. «Ich will nicht irgendwelche Leserbriefeschreiber angreifen oder ähnliches, es ist mir einfach wichtig aufzuzeigen, dass wir hier im langsam ein System der Überregulierung aufgebaut haben, dass neben dem Einschüchtern der Gemeinden auch dafür sorgt, dass die Anbieter ausgedüngt werden. Persönlich hätten wir wahrscheinlich nicht weniger Rendite, wenn wir in Pany einem Zweitwohnungskäufer das Bauland verkaufen würde, der dann eine grosse Villa draufbaut, doch wir verfolgen Grundsätzlich das Ziel, für Einheimischen Wohnraum in den Gemeinden zu schaffen.» Auch in Saas hat der Unternehmer aktuell ein Beispiel, bei dem ein restriktive Auslegung des Baugesetzes einer Abmessung, die zudem auch noch auf zwei Arten interpretiert werden können, die feilgebotenen Wohnungen im Handumdrehen um 150'000 Franken teurer gemacht hat. Für Urs Vetsch ist klar, dass, wenn wir nicht aufpassen, im ganzen Tal Verhältnisse wie in den Hotspots Engadin, Davos und Klosters herrschen, wo laut ihm kaum noch Einheimische mehr Wohnraum zu vernünftigen Preisen finden. «Während ausserhalb der Chlus die Einwohnerzahlen stetig steigen, bleiben sie hier im Tal seit Jahren ähnlich. Um dem entgegen zu wirken braucht es Arbeitsplätze und bezahlbaren Wohnraum. Nur so bleiben die Familien in den Ländlichen Gebieten und die Kinder sorgen für volle Schulen, was dann auch wieder neue Arbeitsplätze schafft.» Er sei Fan vom verdichteten Bauen und begrüsse auch neue Ansätze, da die Branche oft noch im Früher feststecke, doch es müsse doch möglich sein, dass Leute zeitgemäss wohnen können.

Zeit, Gegensteuer zu geben
Nur ausrufen und selber keine Lösungsansätze präsentieren, sei nicht sein Ding. Aus diesem Grund habe er vier Ideen, die dem Bauberater- und Juristenwahn sowie Verhinderungseinsprachen ein wenig Gegensteuer geben könnten. «Alles beginnt beim Vertrauen in die gewählte Gemeindebehörde (Exekutive). Oftmals sind diese schlecht bezahlt und wollen sich dadurch bei einem Bauprojekt oder dann eben einem Streitfall auch nicht zu sehr auf die Äste hinauslehnen. Ich würde es sinnvoll finden, wenn man diesen Personen mehr Vertrauen schenkt und sie auch besser bezahlt, anstatt das Geld in Bauberater und Juristen zu investieren. Somit würde das Geld auch im Tal bleiben und alle hätten, was davon.» Ein weiterer Weg aus dem Strudel von Verschleppung durch Einsprüche sei zudem die aktuell immer wieder thematisierte Baugesetzharmonisierung. «Diese finde ich gut. Sie muss neben dem Harmonisieren, aber auch vor allem vereinfacht werden. Sonst schafft sie immer neue Angriffspunkte für Einsprecher und deren Rechtsanwälte, die hier schon das grosse Geschäft wittern.» Zudem würde es der Unternehmer Vetsch begrüssen, wenn Baugesuche zweigeteilt werden. «In einem ersten Schritt würde es dann nur um das Massliche, Volumen, Abstände und das Ästhetische gehen. Also man könnte sehen, wie das Bauprojekt aussieht und wo es stehen wird. Wenn das so bewilligt wird. Würden In einem zweiten Schritt es die technischen Angaben zum Gebäude nachgeliefert von der Baubehörde geprüft und dann die Baubewilligung ausgestellt. Der Baubeginn könnte theoretisch sogar schon nach der ersten Bewilligung erfolgen, das Gebäude wird einfach erst zum Wohnen frei gegeben, wenn alle Technischen Anforderungen erfüllt sind. Durch dieses Splitten könnte bei der Projektentwicklung und allfälligen Einsprachen viel Geld gespart werden, denn für diese technischen Details des Bauprojekts müssen immer Externe hinzugezogen werden, dies zum Teil sogar mehrfach. Diese Personen kosten auch, wenn das Projekt verschleppt oder sogar nicht realisiert wird.» Als vierter Lösungsansatz sieht Vetsch den Punkt, dass man die Verhinderung und teilweisse Erpressbarkeit beim ganzen Baubewilligungsprozess rausnehmen müsse. «Eine unberechtigte Einsprache kostet in der Regel nur die Anwalts- und Gerichtskosten. Nicht miteingerechnet werden die verpassten Mieten und die dadurch entstehenden Mehrkosten, diese verteuern dann die Wohnungspreise zusätzlich. So eine Einsprache muss einfach höhere Konsequenzen haben, sonst kann ja jeder gegen alles klagen, wie man es aktuell bei sogenannten ‘Einschüchterungsklagen’ international erlebt. Dort wird geklagt, bis den Machern die Luft ausgeht, was schon ein bisschen traurig ist.» Viele der Probleme wie Abwanderung und Fachkräftemangel seien auch ein wenig hausgemacht. Wir sträuben uns Prozesse zu vereinfachen obschon dies infolge des zukünftigen Fachkräftemangels dringendst nötig wäre! Doch wenn man endlich mit solchen Ideen Gegensteuer gebe, könnte es sein, dass wieder mehr für alle möglich gemacht, anstatt immer nur verhindert werde.

Christian Imhof