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Schiers
12.11.2022

Verliebte unter der Holzbrücke

Bild: Sara Smidt
Der Ingenieur Walter Bieler aus Bonaduz zeigte in seinem Vortrag vom 4. November im Bildungszentrum Palottis Schiers, wie Holzbrücken immer wieder neu und anders in der Landschaft funktionieren.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein verliebtes Pärchen und suchen einen lauschigen Platz unter einer Brücke. Am liebsten sitzen Sie wohl unter einer schönen Holzbrücke mit guter Ausstrahlung. Dafür sorgt der Bauingenieur Walter Bieler, der in Schiers einen Vortrag zur Faszination Holzbrücken gehalten hat. Vor über 60 Personen beleuchtet er Baukunst im Kontext von Tradition und neuer Konstruktion. Eingeladen hat der Verein Salginatobelbrücke im Rahmen seiner jährlichen Schierser Brückenvorträge. Einleitend betont der Präsident Christoph Jaag, wie aktuell der Werkstoff Holz besonders im Prättigau ist, wo der Holzbau eine wichtige Rolle spielt, früher und heute. In Zeiten der Klimakrise ist die Co2-Bilanz eines nachwachsenden Baumaterials von grosser Bedeutung.


Historische Vorbilder
Zunächst werden wir ins 19. Jahrhundert geführt, als in Zeiten von Hungersnöten die Wichtigkeit guter Verkehrsverbindungen zur Sicherung von Nachschub überlebenswichtig wird. Holzbrücken werden gebaut. Am Beispiel der Eggtobelbrücke Churwalden von 1837 sehen wir ein Mischsystem von Tragwerken. Da überlagern sich Hängewerk, Sprengwerk, Bogen oder das Trägersystem Howe. Doppelt hält besser, sicher ist sicher, denn damals konnten noch nicht so exakte statische Berechnungen die genau benötigte Menge an Baumaterial ermitteln. So zählt Erfahrung und eben der Einsatz mehrerer Träger, die miteinander jedenfalls genug Kraft entfalten, den Druck und Zug auszuhalten. Während damals 4 Tonnen reichten, so muss eine Brücke heute die Last von 50 Tonnen tragen.

Atmosphäre
Walter Bieler baut seit der Gründung seines Ingenieurbüros 1975 mit Holz. Ein berühmtes Beispiel ist die Eissporthalle in Davos aus dem Jahr 1978 mit ihrer weit gespannten Kuppel ohne Träger. Bieler gerät ins Funkeln, wenn er von der Wirkung der Holzbauten spricht: «Für mich ist Brückenbau auch eine Kulturaufgabe und nicht nur ein Weg von A nach B. Holzbrücken haben eine gute Atmosphäre.» Der Bündner aus Bonaduz ist dafür bekannt, seine Brücken besonders gut in die jeweilige Umgebung einzupassen. Wie können wir uns den Gestaltungsprozess vorstellen? «Die Gestaltung braucht mehr Zeit als die technischen Berechnungen. Sie entsteht immer von Neuem, da der Kontext wichtig ist.» Genauer wird er nicht, denn: «Es ist ein intuitiver Prozess, der Zeit braucht. Ich sehe, das ist noch nicht gut, es braucht eine andere Variante und probiere anderes.» Dabei spielen viele Faktoren mit: die Umgebung, das Tragwerk, der Hochwasserstand oder das Erscheinungsbild, das Leichtigkeit ausstrahlen soll. Früher habe er noch mit Architekten zusammengearbeitet. Heute gestaltet er selbst, denn «der Entwurf ist der schöne Teil, sozusagen die Kür nach der Pflicht des Rechnens. Also mache ich ihn selbst, weil der Prozess Freude macht.» Ein besonders schönes Beispiel ist die Fussgänger- und Velobrücke in Laax, die Punt Staderas von 2015. Das Konstruktionsholz wurde unmittelbar in der Nähe geschlagen. Für Trin entwickelt Bieler eine Hängekonstruktion, bei der die Baukommission auch Schwingung erlaubte und also kein Material zur Stabilisierung eingebracht wurde wie beispielsweise Verstrebungen unter der Brücke. So wirkt sie besonders elegant. Speziell ist hier die Form der Windnase, die den Angriff des Windes reduziert.

Vorzüge des Baustoffs Holz
Betonbrücken müssen viel eigene Last tragen. Schon allein deshalb können leichtere Holzbrücken mit weniger Volumen gebaut werden, die weniger schwer wirken. Der Schwierigkeit, dass nasses Holz fault, lässt sich durch konstruktiven Holzschutz begegnen. Das bedeutet, so zu bauen, dass Feuchtigkeit auf Holz immer wieder von selbst im Wind trocknen kann und keine Staunässe bleibt. Diese Lösung bevorzugt Bieler eindeutig gegenüber einer chemischen Behandlung durch Imprägnieren. Das Tragwerk hält so 50 Jahre und mehr. Für seine jüngsten Brücken nutzt der Ingenieur auch die neuesten Erkenntnisse des Betonbaus, wo es funktionale Entwässerungssysteme für die Strasse gibt. So vereint er die Vorteile unterschiedlicher Materialien, wie derzeit beim schwarzen Steg in Schmerikon. Auch Feuer kann dem Holz weniger schnell etwas antun als beispielweise Stahl, der bei hohen Temperaturen seine Festigkeit verliert.

Erfahrungstransfer zwischen Generationen
Der Verein Salginatobelbrücke leistete mit dem Abend wieder einen Beitrag, um den Erfahrungstransfer zwischen den Generationen zu fördern. Walter Bieler beantwortete viele Fragen von jungen Leuten, die ihn über genaue technische Lösungen ausfragten. Gleichzeitig ist Älteren auch der Blick zurück auf das kunstvolle Lehrgerüst des Brückenpioniers Richard Coray wichtig. So werden gedankliche Brücken gebaut von dem eindrücklichen Holzgerüst für die Salginabrücke aus Beton bis zu den ebenso eindrücklichen Bauten aus Holz von Walter Bieler.

Bild: Ralph Feiner
Sara Smidt