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Jenaz
29.10.2022

Andy Jecklin wird neuer Pfarrer

Claudia Heim, Anita Kasper-Niggli, Andy Jecklin, Anita Winzer, Johannes Bühler und Anna Guanella freuen sich, dass die Vakanz ein Ende gefunden hat.
Claudia Heim, Anita Kasper-Niggli, Andy Jecklin, Anita Winzer, Johannes Bühler und Anna Guanella freuen sich, dass die Vakanz ein Ende gefunden hat. Bild: C. Imhof
Am vergangenen Sonntag war es endlich so weit: Nach zwei Jahren intensiver Suche hat die Kirchgemeinde Jenaz/Buchen mit Andy Jecklin einen neuen Pfarrer gefunden. Am Vorstellungsgottesdienst in der Kirche Jenaz wurde klar, dass der in Grüsch aufgewachsene 46-Jährige ziemlich perfekt zur Gemeinde passt, da er ein Seelsorger für alle ist und seine Freude und Begeisterung für den Glauben regelrecht ansteckend wirken.

Mit den Worten «Freuet euch und seid fröhlich» begann Andy Jecklin seinen Kennenlern-Gottesdienst. Diese Freude und auch eine gewisse Erleichterung konnte man regelrecht spüren in den gut besetzten Holzbänken. Satte zwei Jahre mussten die Jenazer und Buchner Schafe auf einen Hirten verzichten, und trotz des neu sanierten Friedhofs und des wunderbaren Pfarrhauses auf Gareia schien es lange so, dass in der Kirche Jenaz nur noch stellvertretende Pfarrpersonen sich die Klinke in die Hand gaben.

Wer hat’s erfunden? 

Nach ein paar musikalischen Klängen von Rolf Rauber und den anfangs noch recht zurückhaltenden Singenden, erzählte Jecklin in seiner lebhaften Predigt, mit wie viel Freude er den Jenazer Capuns-Weltrekord an der Olma in St. Gallen mitverfolgt habe. Dass das Prättigau nun einen Weltrekord halte, sei schon etwas Schönes, und er würdigte auch als Davoser neidlos dieses kulinarische 17 Meter lange Werk und dessen Prättigauer Urheber mit Jenazer Frauen-Power. Urheber und Name verpflichten eben, so fährt er fort, dies auch im Bereich der elektronischen Errungenschaften und Geräte wie Laptop und Handy, was über Qualität und Zuverlässigkeit entscheide. Beiläufig erwähnte er, dass er kein «Obstfan» sei, aber wahrnehme, dass es bereits im Bereich der Elektronik schon fast religiös werde und nicht erst bei der Frage nach der Schöpfung. So kam er auf die Frage aller Fragen zu sprechen, nämlich: «Wer hat’s erfunden?» Diesen Slogan, der gerne von Ricola in der Werbung genutzt wird, könne man auch wunderbar für den Glauben verwenden, wenn man sich mal veranschauliche, wie schön unsere Welt sei. Fragen wie woher wir kommen, wer wir sind oder wohin wir gehen, sind für jeden Menschen zentral. Der Ursprung der Welt könne einerseits von der Wissenschaft rasch durch die Evolutionstheorie erklärt werden. Doch der Grundton der Bibel sei, dass alles von Gott als Urheber stammt und seine Handschrift trägt. Man müsse sich das immer wieder dankbar in Erinnerung rufen, wie gut es Gott doch mit uns und der ganzen Schöpfung meint. Beim Glauben gehe es um Beziehung und wie wir uns gegenüber der ganzen Schöpfung verhalten. Die Welt sei da zum Staunen und Verantwortung übernehmen. Als Untermalung dieser These und zur Erinnerung an den Gottesdienst hat Jecklin beim Ausgang der Kirche einen Korb mit Ricola-Bonbons gerüstet. Er sei zwar nicht von denen gesponsert, erklärte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Doch die Ricola-Frage möge uns alle nochmals im Alltag dankbar an Gottes wunderbare Schöpfung erinnern. 

Ein passendes Gesamtpaket

Nach dem sehr kurzweiligen Gottesdienst, bei dem nach und nach doch noch inbrünstig gesungen wurde, fand gleich auch die Kirchengemeindeversammlung statt. Dort begrüsste Präsidentin Anita Kasper die 60 Anwesenden mit ähnlichen Worten wie ihr neuer Pfarrer. Auch für sie sei es heute ein Freudentag. «Es war ein langer Prozess und wir sind froh, dass wir heute endlich Andy Jecklin präsentieren dürfen.» 20 Bewerbungen seien auf die Ausschreibung eingegangen, wobei viele einfach nicht zur Gemeinde gepasst hätten. «Viele der Bewerber haben bisher in grossen Städten gearbeitet und wollten Bereiche wie die Jugendarbeit oder den Religionsunterricht bei ihrer Tätigkeit ausklammern. Doch in Jenaz gehört eben alles dazu. Ausserdem gab es auch Personen, denen das Pfarrhaus besser gefallen hat als die Kirche, was natürlich auch nicht sein konnte.» Andy Jecklin habe sie total überzeugt, da er nicht nur im Sommer 2021 in Splügen in die Bündner Synode aufgenommen wurde, er habe zudem auch schon die Konfirmanden begleitet und dort eine sehr gute Falle gemacht. In seinem Dienst als Stellvertreter bis letzten Sommer 2021 hat er einen guten Zugang zu Dorf und Leuten gefunden und hat den Vorstand enorm entlastet. So hat der Vorstand ihn als offen und fröhlich kennengelernt und sich umso mehr gefreut über seine Bewerbung in diesem August. Er habe schon mehrfach bewiesen, dass er ein grosses Herz für die Schwachen habe und sie glaube, dass er die perfekte Lösung für Jenaz sei. «Nach so einer Laudatio bekomme ich gleich weiche Knie»,  so Jecklins Antwort darauf.

Die Wahl des neuen Pfarrers stiess auf grosses Interesse. Bild: C. Imhof

Wieder zurück im Prättigau

«Mein dunkler Teint ist nicht der sonnigen Lage Graubündens geschuldet, ich wurde als Strassenkind adoptiert» », beginnt Andy Jecklin seine Vorstellungsrunde vor der ganzen Gemeinde mit einem Lächeln auf den Lippen. «Ursprünglich komme ich aus Grüsch. In meiner Schulzeit sind wir dann nach Mastrils gezogen, zu meinem Eni mütterlicherseits, der fast 100 Jahre alt geworden ist. Schon damals merkte ich, wie wichtig mir der Kontakt mit alten Menschen geworden ist.» Auch wenn erste Weichen gestellt worden seien in die richtige Richtung, habe er zuerst einen vernünftigen Beruf, nämlich den des technischen Zeichners, gewählt. Doch alles verändert habe die Flury Stiftung im Leben des Vaters von vier erwachsenen Kindern. «Ich habe dann nach dem Militär ein Praktikum im Altersheim Schiers gemacht und gemerkt, dass mir allgemein die Arbeit mit Menschen sehr zusagt. Darum habe ich mich entschieden, eine Ausbildung in Sozialdiakonie am TDS Aarau zu absolvieren und den eingeschlagenen, technischen Weg zu verlassen.» Für ihn sei es wichtig, dass die Kirche gesellschaftsrelevant sei und einen Platz biete, an dem alle willkommen seien. So seine Motivation. Gut Ding will Weile haben. Das ist in diesem Fall auch bei der Kirchgemeinde Jenaz/Buchen so. Nach der einstimmigen Wahl von Andy Jecklin zeigte sich die Kirchgemeindepräsidentin Anita Kasper–Niggli sichtlich erleichtert und dankbar, dass die Kirchgemeinde dem Vorstand die nötige Zeit zur Verfügung gestellt hat, ohne sie zu drängen, die Vakanz so rasch wie möglich zu beenden. Sie betonte, dass auch bei der Kirche eine Art Fachkräftemangel herrsche und sie überglücklich seien, mit Jecklin einen derart passenden Pfarrer gefunden zu haben. Dieser lebt und wirkt aktuell noch bis Anfang Mai in Davos. Anschliessend wird er mit seiner Partnerin Nadia Thöny und ihren zwei Kindern (fünf und neun Jahre) ins Pfarrhaus ziehen. Die Patchworkfamilie wird das ehrwürdige Gebäude endlich mit neuem Leben füllen. Beim anschliessenden Apéro vor der Kirche, welcher von einer Kleinformation der Musikgesellschaft Jenaz musikalisch umrahmt wurde, zeigte sich Jecklin volksnah, und es gelang ihm, mit seiner herzlichen Art einigen Personen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Der einzige Punkt, der bei dem Gesamtpaket leider noch nicht so ganz stimmt, ist der Prättigauer Dialekt. Dieser sei durch sein jahrelanges Wirken und Leben ausserhalb des Prättigaus ein bisschen verwässert. Doch das könne man ja wieder lernen. Ich glaube, wenn Jecklin weiterhin so gerne unter den Leuten ist, dürfte ihm das im Handumdrehen gelingen. Wir vom Prättigauer & Herrschäftler wünschen auf jeden Fall schon mal einen guten Start!

Christian Imhof