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Leserbrief
Leserbriefe
18.10.2022

Übergrosse Neubauten in Putz

Bild: zVg
Ein Leserbrief von Ruedi Diener, Putz

Im Weiler Putz stehen zwei neue Häuser mitten im alten Dorfkern. Direkt oberhalb konnten wir vor 25 Jahren ein kleines Ferienhaus erwerben. Dass die Blumenwiese unter unserem Haus dereinst überbaut würde, war immer klar, sie gehörte zur Bauzone W2.

Heute stehen hier zwei komplett überdimensionierte Gebäude, die sich nicht in das alte Ortsbild des Dorfes integrieren: Von Osten her ist das obere Haus viel zu hoch, von Süden beisst sich eine grosse, helle Fassade mit den umliegenden Holzhäusern, die Aussenräume nehmen keine Rücksicht auf bestehende Vorgartenstrukturen und Lauben. Gegenüber dem bewilligten Projekt ist das obere Haus 62 cm höher, auch entstanden zwei zusätzliche Wohnungen und ein weiterer Balkon.
Unter- und Oberputz sind im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS). Die für Putz geltenden Planungsempfehlungen wurden bei der Restauration eines Hauses aus dem 16.Jahrhundert direkt angrenzend an die Neubauten und bei der Burg berücksichtigt. Entsprechend wurde auch aufgrund des hohen baukulturellen Wertes von Putz das Vorgängerprojekt der heutigen Neubauten 2012 abgelehnt; der geplante grosse Baukörper vertrage sich nicht mit dem schützenswerten Ortskern, urteilte damals die kantonale Denkmalpflege, wie es auch Einsprachen und eine Petition von 50 Personen kritisierten.

2014 reichte dieselbe Bauherrschaft – ein grosses lokales Bauunternehmen – ein abgeändertes Projekt mit zwei Häusern ein, das jetzt realisiert ist. Einsprachen von Anwohnern gelangten bis vor Bundesgericht; es wurden eine unklare Höhenberechnung und der weiterhin ungenügende Ortsbildschutz beklagt. Anlässlich eines Augenscheins vor Ort hatte die kantonale Denkmalpflege einen Fachbericht des Bundesamtes für Kultur empfohlen, worauf das Verwaltungsgericht nicht einging und das Bundesamt – kontaktiert vom Bundesgericht – auf eine Stellungnahme verzichtete.

Im Frühjahr 2019 waren die beiden Neubauten bezogen. Bei der Bauabnahme zeigten sich diverse Änderungen und die erwähnten Übertretungen gegenüber dem bewilligten Projekt. Die Gemeinde verlangte ein erneutes Baugesuch der Projektänderung, dem die Bauherrschaft nur sehr unvollständig nachkam, sodass sich die Gemeinde schliesslich gezwungen sah, im März 2022 ein Baugesuch von Amtes wegen zu publizieren. Jetzt äussert die Bauherrschaft Bedauern wegen der Höhenüberschreitung; hatte sie keine Kenntnis des neuen, mittlerweile gültigen Baugesetzes, wonach die realisierte Höhe bewilligungsfähig wäre?

Bleibt die drängende Frage: Hat die Denkmalpflege ihren Kernauftrag genügend wahrgenommen, dem schützenswerten Ortsbild von Putz die gebührende Beachtung zuteilkommen lassen? Und es bleibt der Aufruf an die Gemeinde Luzein, auch gegenüber einer potenten Bauherrschaft Grenzen zu setzen und einen mutigen Entscheid auf der Basis des damals gültigen Baugesetzes zu fällen! Putz hat von seinem Charme verloren.

Ruedi Diener