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Prättigau
05.10.2022

Forstbetrieb Madrisa : Funktionierender Zweckverband

Aufgrund der wellenlinien-förmigen Erscheinung der Werke sind die Geländeverschiebungen gut zu erkennen.
Aufgrund der wellenlinien-förmigen Erscheinung der Werke sind die Geländeverschiebungen gut zu erkennen. Bild: P. Müller
Der Forstbetrieb Madrisa ist ein Zweckverband der Gemeinden Conters, Fideris, Klosters, Küblis und Luzein und übernimmt für seine Gemeinden die gesamte Waldbewirtschaftung. Er bewirtschaftet 7200 ha Gemeinde-wald mit einem Schutzwaldanteil von 70 Prozent.

Diese zwei Sätze lesen Sie, wenn Sie die Homepage von Forst Madrisa besuchen (forstmadrisa.ch). Hinter diesen Zeilen steht ein, für die beteiligten Gemeinden, wesentlicher Zweckverband. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen die Hauptaufgaben dieser Organisation und dann insbesondere den Bereich «Naturgefahren» etwas näherbringen.

Die Organisation

Die Gründung des Zweckverbands «Forstbetrieb Madrisa» wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektgruppen aufgegleist und nach Zustimmung der beteiligten Gemeinden per 1. Januar 2016 gegründet. Die gemeinsamen Synergien zu nutzen und die Prozesse zu optimieren war und ist eines der wichtigsten Ziele. Mit fünf erfahrenen Förstern und einem schlagkräftigen Forstteam wird grosser Wert auf eine koordinierte Bewirtschaftung der grossen Waldfläche gelegt. Auch bietet der Betrieb einen interessanten Ausbildungsplatz für Forstwartlehrlinge. Seit Jahren bewegen sich die Forstbetriebe schweizweit in einem herausfordernden Umfeld. Zum einen hat sich der Holzmarkt in den letzten Jahrzehnten massiv zu Lasten der Waldbesitzer verschlechtert, zum anderen steigen die Anforderungen aufgrund der Klimaerwärmung. So häufen sich Extremereignisse wie Stürme und Trockenheit und es zeichnet sich leider ab, dass Naturgefahren wohl auch in unseren Gebieten zunehmend vorkommen werden.

... und nun?

Indem die einzelnen Verbandsgemeinden teilweise auf ihre Eigenverantwortlichkeit verzichteten, haben sie sich im Gegenzug einige wesentliche Vorteile geschaffen. So sind nun Stellvertretungsregelungen im grösseren Verbund sichergestellt und durch den mehrköpfigen Personalkörper ist auch ein viel grösseres Fachwissen beisammen. Neben der traditionellen, hoheitlichen Gebietszuteilung der Förster ist neu in diesem Betrieb auch eine gleichzeitige Funktionszuteilung eingerichtet. Das Leitungsteam ist neben der Betriebsführung auch für die Bereiche biologische Produktion, technische Produktion, Holzverkauf und Logistik sowie Naturgefahren verantwortlich. Das Forstteam erledigt sämtliche Arbeiten, welche in einem typischen Gebirgsforstbetrieb anfallen, und bildet jährlich einen Lernenden aus. Das beachtliche Arbeitsvolumen wird durch externe Unternehmer je nach Bedarf unterstützt oder ausgeführt.

Als weiterer Pluspunkt kann sicher die gestärkte Marktposition erwähnt werden. Aufgrund der deutlich höheren Nutzungsmenge im Verband können mit den Holzabnehmern und Kunden gute Bedingungen ausgehandelt werden. Dies bewährt sich gerade in Krisensituationen, wie zum Beispiel nach dem Sturm «Burglinde» im Jahre 2018.

Naturgefahren

Am Beispiel St. Antönien ist eindrücklich zu erfahren, was der Aufgabenbereich «Naturgefahren und Projekte» beinhaltet und worauf er basiert. Als im frühen 14. Jahrhundert die Walser die Gegend um St. Antönien besiedelten, gewannen sie durch Waldrodungen Baumaterial und ebenso Land zur Bewirtschaftung. Allerdings zerstörten sie dadurch auch wichtige Bestände des Schutzwaldes, und so kam es dazu, dass bereits 1480 ein erster Bannbrief zum Schutz des Waldes erlassen wurde. Dennoch erlebte St. Antönien immer wieder schwere Lawinenunglücke; erwähnt sei hier dasjenige von 1935, bei welchem sieben Menschen den Tod fanden. Aber auch das Ereignis im Lawinenwinter von 1951, welches zwar glücklicherweise nur ein Todesopfer forderte, aber 42 Gebäude beschädigte oder zerstörte und 50 Stück Vieh zu Tode brachte, ist bei der älteren Generation immer noch in lebhafter Erinnerung.

Dieses Ereignis war es dann auch, welches zur Erstellung der, zur damaligen Zeit für die Schweiz, grössten Lawinenverbauung am Chüenihorn und am Tschatschuggen führte. Während Jahren wurden diese Verbauungen erstellt und auch laufend immer wieder verbessert und erneuert.

Ich hatte die Gelegenheit, mit einem Zeitzeugen zu sprechen. Hans-Peter Roth war damals in der Lehre im Forschungsinstitut der Alusuisse in Neuhausen. Im Jahr 1957 verbrachte er rund zwei Wochen in St. Antönien, da Versuche mit Aluminium-Elementen für allfällige Verbauungen am Chüenihorn gemacht wurden. Jeweils frühmorgens musste er zu diesen Versuchseinrichtungen hochsteigen, um mithilfe von Dehnmessstreifen das Verhalten und mögliche Verformungen an den Aluminium-Elementen abzulesen. Also ganz im übertragenen Sinne des Aufgabenbereichs «Naturgefahren und Projekte» des heutigen Zweckverbands Forst Madrisa.

Eines der Betonwerke aus der Anfangszeit; diese werden nun laufend durch Stahlwerke ersetzt. Bild: P. Müller

... am Chüenihorn unterwegs

Gespannt auf das, was kommt, fuhr ich mit dem Postauto nach St. Antönien. Dort erwartete mich Martin Hardegger, welcher im Forst Madrisa für ebendiesen Aufgabenbereich «Naturgefahren und Projekte» verantwortlich ist. Das Wetter war eher als garstig zu bezeichnen, aber eben – diese Arbeit findet draussen statt und die Kontrolltätigkeit an den Schutzeinrichtungen muss, jahreszeiten-bedingt, zwischen April und Mitte Oktober erledigt werden.

Zunächst fuhren wir in Richtung Eggberg hoch, um Steinschlagnetze zu kontrollieren und vor allem auch, um dort Gesteinsbrocken, welche durch diese Verbauungen aufgehalten wurden, mit Transporthaken zu versehen, damit diese in den nächsten Tagen mit dem Helikopter ausgeflogen werden können, um diese Netze wieder zu entlasten. Martin erklärte mir, dass diese Kontrollen Aufgaben sind, welche an Forst Madrisa übertragen wurden, aber durch den Kanton oder die Gemeinden nur marginal entschädigt werden, sodass der grössere Teil dieser Kosten am Forstbetrieb Madrisa hängen bleibt, was ja nicht unbedingt zu Transparenz führt. Danach ging’s dann hoch zum Chüenihorn. Auf einem Fahrweg fuhren wir bis zu den Verbauungen hoch. Auch eine Gruppe von Arbeitern war bereits oben am Berg beschäftigt mit der Installation von neuen Verbauungselementen. Der Unterhalt und die Erneuerung dieser Schutzbauten muss laufend überprüft und gewährleistet werden. So sind seit dem Beginn der Installation dieser Verbauungen Mitte der Fünfzigerjahre – damals ausschliesslich Betonwerke – zwischen 25 und 30 Millionen Franken investiert worden, um die Fraktion St. Antönien vor Lawinen und Steinschlag zu schützen.

Was vom Tal her betrachtet als einzelne Striche am Berg zu erkennen ist, entpuppt sich hier oben am Berg als mächtige Stahlkonstruktionen. Vereinzelt sind noch Betonelemente zu finden, welche aber in den nächsten Jahren mehr und mehr durch Stahlwerke ersetzt werden. Ebenso ist festzustellen, dass die sich einst auf einer geraden Linie befindlichen Elemente durch Geländeverschiebungen auch teilweise zu Wellenlinien ausbildeten, was die Beurteilung des Zustandes der einzelnen Werke zusätzlich erschwert. Und wenn ich nun, bei diesem garstigen Wetter, in diesen Verbauungen herumkraxle, so wird auch bald klar, wie unwirtlich es hier oben sein muss, wenn viel Schnee liegt, und welche Gefahr dieser Schnee für den in der Talsenke liegenden Ort bedeuten kann. Und was mich besonders beeindruckte – die Verankerungen dieser Schutzbauten bestehen aus einer sechs Meter tiefen Felsbohrung, welche mit Hochdruck mit Beton ausgefüllt wird, um schliesslich die Stabilität gewährleisten zu können. Zudem lernte ich, dass die Bodenstruktur einen sehr grossen Einfluss auf die Lage und Dichte der Schutzbauten hat. So sind in Zonen, welche beweidet werden, grössere Abstände zwischen den einzelnen Werken möglich, da durch die «Kuhtritte» eine aufgeraute Bodenoberfläche vorhanden ist, was die Gleitfähigkeit des Schnees eher behindert.

Auf seinem Mobiltelefon hat Martin eine Applikation, mit welcher er seine Kontrollen erfassen, dokumentieren und allfällige erforderliche Sofortmassnahmen planen kann. So können Veränderungen an den Schutzwerken über die Zeit verfolgt und allfällige Reparaturen oder auch Ersatzbauten frühzeitig geplant werden. Seit 33 Jahren ist Martin nun schon im Dienst für ein sicheres Leben zusammen mit den Naturgewalten im Prättigau, denn die Verbauungen am Chüenihorn sind ja nur ein geografisch kleiner Bereich, für welchen Forst Madrisa – zwischen Fideris und Klosters – verantwortlich zeichnet. Und wenn ich daran denke, was ich hier über einen kleinen – aber sehr wichtigen – Teilbereich des gesamten Aufgabenspektrums von Forst Madrisa erfahren habe, so bin ich tief beeindruckt von der Professionalität und dem Engagement des gesamten Teams, welches sich für einen gepflegten und gesunden Wald im oberen Prättigau einsetzt.

Peter Müller