Früher führte nur eine schmale Strasse durch die Schlucht, welche von der Burg Fracstein bewacht wurde. Einen unvorstellbar langen Zeitraum vorher versperrte massiver Fels die direkte Verbindung des Prättigaus mit dem Rheintal. Das Gebiet hat früher ganz anders ausgesehen und wurde mehrmals von Gletschern eingedeckt, von Eis und Schmelzwasser bearbeitet, bis schliesslich die heutige Landschaft entstanden ist.
Stein, der die Zeit überdauert
Nachdem man auf einer Fahrt durch das Prättigau hinab Bergflanken und Kurven hinter sich gelassen hat, gelangt man bei Grüsch auf eine weitläufige Ebene. Dieses Gelände wirkt als ob es von unzähligen Lastwagenladungen voller Erde aufgefüllt und mit einer Planierraupe geglättet wurde. Tatsächlich ist der Fluss von Menschen begradigt und das Gebiet landwirtschaftlich nutzbar gemacht worden, die Fläche selber ist aber ohne menschliches Zutun entstanden. Die Entstehung der Ebene ist auch dokumentiert, diese Dokumentation besteht aus Stein, der die Zeit überdauert, und muss durch das Betrachten der verschiedenen Geländeformen und Prozessen zurückverfolgt und verstanden werden.
Bewegungsdynamik der Lockergesteinsmasse
Tatsächlich wurde das Gelände von der Landquart aufgefüllt, die schon seit Urzeiten durch das Tal fliesst. An einem Spaziergang entlang dem Ufer der Landquart während der Schneeschmelze im Frühling kann während einem Ereignis die rumpelnde Geschiebefracht am Grund des Flusses erahnt werden. In turbulenter Strömung werden durch wechselnde Sog- und Druckkräfte des Wassers kleine Korngrössen aufgewirbelt und ein Stückweit mittransportiert. Beim Absinken auf den Grund trifft aufgewirbeltes Material auf liegendes Lockergestein und gibt in einem Stoss den Bewegungsimpuls weiter. Die Bewegung wird dabei von kleinen Steinen an immer schwereres Material weitergegeben, indem ein Stein nur so weit gleitet oder rollt bis er den nächsten stösst. Ausgelöst und angetrieben durch die Wasserbewegung und verstärkt durch Gravitation entsteht so eine vom Wasserfluss unabhängige Bewegungsdynamik innerhalb der Lockergesteinsmasse am Flussbett. So kann der Gesteinsschwall auch grosse Brocken und Haufen transportieren, die sonst unbewegt im Flussbett liegen, und fliesst solange vorwärts, bis er sich in eine Senke ergiesst oder an einer Engstelle aufgehalten wird. An flachen, strömungsarmen Stellen häuft sich Geschiebe an, bis es bei einem Flutereignis ausgeräumt wird, oder eine Sperre bildet an der sich das Gerinne verzweigt und auf der Schwemmebene einen neuen Flussarm bildet. Steine in unterschiedlichen Grössen werden stetig von umgebenden Bergflanken gelöst, den Fluss abwärtsgetragen und schleifen das bestehende Flussbett weiter ein. Dieser Vorgang geht schon sehr lange vor sich und hinterlässt sichtbare Spuren. Sowie in der Mitte der Chlus heutzutage ein tiefes Flussbett liegt, muss zu früheren Zeiten an der gleichen Stelle noch fester Bündnerschiefer den Weg des Flussverlaufes versperrt haben. Schliesslich ragen auf beiden Seiten der Schlucht noch immer Felsen in die Höhe. Folglich muss im Bereich der Grüscher Ebene der Flusslauf dermassen verlangsamt und aufgestaut worden sein, dass sich das Geschiebe soweit am Grund abgelagert hatte, wie es heute noch dort liegt. Dieser Vorgang dauerte solange an, wie Naturgewalten den sperrenden Fels abgetragen hatten. Das freigeräumte Flussbett durch die Chlus hinaus entwässert das Tal effizient und transportiert weiterhin anfallendes Geschiebe nun direkt in den Rhein, der die Gesteine fortträgt und schliesslich im Bodensee ablagert.