Das zweite Jahr in Folge sei die Zahl gerissener Nutztiere zurückgegangen, erklärte der Leiter der Sektion Grossraubtiere, Arno Puorger – «das ist nach dem Rekordjahr 2022 eine positive Entwicklung».
Laut dem Bündner Amt für Jagd und Fischerei könnten mehrere Faktoren diesen Trend beeinflussen. Dazu gehöre die aktuelle Regulierung der Wölfe, Herdenschutz-Massnahmen, Witterungseinflüsse oder die Zahl wildlebender Beutetiere in freier Natur. Dazu meint Puorger: «Wir wissen bis heute nicht, welcher dieser Faktoren ausschlaggebend ist».
Drei verwaiste Luchse getötet
In den Gemeinden Vals, Lumnezia und Ilanz wurden drei von ihren Müttern verlassene Luchse getötet: «Wir wissen nicht, warum sich drei Jungtiere in der gleichen Region in diesem Zustand befanden», erklärte Puorger weiter. Geschwächt und auf der Suche nach Nahrung drang eines der Tiere in einen Hühnerstall ein und tötete in der Gemeinde Lumnezia ein paar Hühner. Die Kadaver der Luchse werden der Universität Bern zur pathologischen Untersuchung übergeben. Generell nehmen die Meldungen über Luchse in Graubünden zu. Im Herbst und Frühwinter des vergangenen Jahres gingen rund 200 Meldungen über die Anwesenheit der Raubkatzen ein. Die genaue Anzahl der Exemplare im Kanton ist laut Puorger derzeit nicht bekannt.
Wolfsbegegnung im Glarnerland
Im gleichen Zeitraum, als die Statistik des Bündner Amts für Jagd und Fischerei die Runde macht, kam es im Glarnerland zu einer ungewöhnlichen Begegnung mit einem Wolf. Die Begegnung zwischen einem 4-jährigen Jungen und zwei Wölfen in Elm löste ein grosses Medienecho aus. Die Verantwortlichen im Kanton Glarus stuften diese Begegnung als «gefährlich» ein und ordneten den Abschuss von zwei Wölfen an.
CHWOLF meldet sich zu Wort
Der Verein CHWOLF, welcher sich für den Schutz der Wölfe einsetzt, lässt in einer Medienmitteilung verlauten, dass die Ängste der anwesenden Mutter und weiteren Personen verständlich sind und ernst genommen werden müssen. Auch müsse der Vorfall sicher gut abgeklärt werden. Allerdings habe gemäss ihrer Einschätzung keine Gefahr für das Kind bestanden und der Abschuss der beiden Wölfe wäre nicht nötig. Hätte der Wolf tatsächlich ein räuberisches Interesse gegenüber dem Kind gezeigt, wäre der Vorfall ganz anders ausgegangen. Die Wolfsschützer meinen, dass der Wolf, hätte er wirklich angreifen wollen, viel schneller beim Kind gewesen wäre als die Mutter, welche viel weiter weg vom Kind war und erst noch bergauf laufen musste.
Kontroverse Ansichten
Wölfe stellen für Menschen kaum eine Gefahr dar. Seit der Rückkehr des Wolfes 1995 gab es noch keinen einzigen Fall, wo ein Mensch durch Wölfe direkt zu Schaden gekommen sei. Der Mensch gehöre auch nicht ins Beuteschema des Wolfes. Laut neusten Erkenntnissen liege das statistische Risiko für einen Wolfsangriff zwar über null, aber dennoch sei er viel zu niedrig, um berechnet werden zu können. Dass Wölfe gerade im Winter hin und wieder in Siedlungsnähe gesehen werden, ist ganz normal und hat nichts mit verlorener Scheu zu tun. Wölfe folgen im Winter ihren Beutetieren (Reh- und Rotwild), welche sich im Winter in tieferen Lagen und in Siedlungsnähe aufhalten.
Statt die zwei Wölfe zum Abschuss freizugeben, wäre eine aktive Vergrämung der Wölfe und eine Aufklärung mit tatsächlichen Fakten die weit bessere Lösung gewesen. Auch für Nutztiere sei der Wolf eigentlich das kleinste Problem, wenn man die Zahlen anschaue. Die Risszahlen sind stark rückläufig. Der Wolf ist gerade mal für knapp 2% aller toten Schafe verantwortlich. 2024 verendeten über 56 000 Schafe. Dies durch Krankheiten, Parasiten, Seuchen, Unfälle oder einfach durch die Haltungsbedingungen. Dem Wolf fielen 2024 rund 1000 Schafe zum Opfer. Trotzdem läuft eine Hetze gegen den Wolf und er muss überall als Sündenbock herhalten. Der Gegnerschaft sei dieser Vorfall vermutlich gerade recht gekommen, denn seit Jahren heisse es «Erst die Rinder, dann die Kinder». Nun habe man wieder Grund, um Stimmung gegen den Wolf zu machen.
Sicherlich ganz anders sehen dies natürlich Direktbetroffene und Nutztierhalter.