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Kultur
23.01.2025

Mein erster Poetry-Slam

Bild: zVg
Total unangenehm! Was, wenn ich mich blamiere? Ich würde auf der Bühne sicher vor Aufregung so zittern, dass jeder Mitleid mit mir hätte. Ich habe ja noch nie in meinem Leben in ein Mikrofon gesprochen. Meine Texte interessieren doch wildfremde Menschen nicht.

Trotzdem ist das ja eigentlich ein total cooler Anlass, so ein Poetry-Slam. Genau das waren meine Gedanken vor einem Jahr, als ich beschloss, irgendwann einmal in meinem Leben an einem Poetry-Slam teilzunehmen. Die Texte hatte ich schon geschrieben, was fehlte war der Mut. Dieses irgendwann hätte ich noch viel länger aufgeschoben, wenn mein Motto für das Jahr 2025 nicht «Mach’s einfach!» wäre. Zu diesem «Mach’s einfach!» gehört dann wohl auch der Poetry-Slam. So habe ich mich schon nach vierzehn Tagen das erste Mal an meinen «Vorsatz» gehalten und mich für das Kantonale Finale der U20 in Winterthur angemeldet. Und so war es:

«Ich gehe alleine»

Meine Mutter war vermutlich etwas enttäuscht, als ich diesen Satz ausgesprochen habe. Da ein klitzekleiner, fieser Restgedanke von «Was ist, wenn ich mich blamiere?» immer noch in meinem Hinterkopf umherschwirrte, war es mir lieber, wenn mich im Publikum niemand kennen würde. So bin ich nach der Schule also alleine los nach Winterthur und habe für meine mangelnde Orientierungskenntnisse recht schnell «eine der geschichtsträchtigsten und gemütlichsten Bars in der ganzen Schweiz», das Albani, gefunden. Von den zwei Moderator: innen des Abends Sabeth und Marius wurden wir Poet: innen herzlich mit Sandwiches empfangen. Nach einigen interessanten Gesprächen und dem Vertrautmachen mit den Räumlichkeiten, dem Equipment und dem Ablauf ging es auch schon los.

Vorrunde

Fast noch mehr wie auf meinen eigenen Auftritt freute ich mich, die Texte meiner Mitstreiter: innen zu hören. Ein Poetry-Slam kann nämlich so viel mehr sein, als «nur» das vortragen von Gedichten. Sogar singen ist erlaubt, zumindest für die Hälfte der Zeit. Die einzigen Vorgaben waren: Ein selbstgeschriebener Text welcher unter sechs Minuten lang sein sollte. So gab es Erzählungen, Gedichte mit Reimen und auch sehr lustige Texte. Einige trugen auf Schweizerdeutsch vor, andere auf Deutsch. Durch die Lautstärke des Applauses wurde dann bestimmt, wer ins Finale einziehen durfte.

Finale

Und tatsächlich: Ich habe es mit meinem ersten Text ins Finale geschafft. Ungläubig aber sehr dankbar, trug ich in der Finalrunde also meinen zweiten Text vor, den ich vorbereitet hatte. Schliesslich belegte ich den dritten Platz und war mehr als zufrieden mit meiner Leistung. Für mich hatte jede und jeder an diesem Abend den ersten Platz verdient.

«Mach’s einfach»

Von den Wettkämpfen im Sport wurde ich stark mit «Konkurrenzgedanken» geprägt und aktiviere bei Wettstreiten sofort den «Kampfmodus». Der Poetry-Slam hat mir gezeigt, dass ein Wettstreit auch ohne Konkurrenzgedanken auskommt. Es ging gar nicht so sehr darum, wer besser war, wir hatten einfach Spass zusammen und wurden von Gleichaltrigen, die die gleiche Leidenschaft wie wir ausüben, inspiriert. Durch die gönnenden und liebevollen Worte, die wir ausgetauscht haben, wurde nach meinem Empfinden jeder in seinem Tun bestärkt. Weiter verfestigte sich mein Motto «Mach’s einfach!» Das möchte ich vielleicht dem ein oder anderen mit auf den Weg geben: Es lohnt sich ab und zu, über den eigenen Schatten zu springen. Ich habe tolle Momente erlebt und wunderbare, gleichgesinnte Menschen kennengelernt.

Emilia Schwarz