In der Hitze des Gefechts klare Gedanken zu fassen ist jedoch gar nicht so einfach. Ich gehöre tendenziell bei einem Streit zu den Personen, die ihre Argumente vergessen und dann schliesslich nachgeben, da sie selber einsehen, dass sie im Moment keine überzeugende Argumente haben. Zu Hause fällt mir dann wieder ein, worum es mir eigentlich ging und ich bin unzufrieden mit dem Ausgang der Situation. Mit der Zeit habe ich für mich eine Methode herausgefunden, die es mir ermöglicht, Abstand von der Situation zu nehmen. So kann ich meine Gedanken sammeln und zu einem späteren Zeitpunkt nochmals in einer ruhigeren Verfassung auf das Geschehene zurückblicken. Seit einiger Zeit führe ich ein «Streitjournal». Wie das funktioniert und weshalb es mit hilft mit Auseinandersetzungen umzugehen, möchte ich in diesem Artikel zeigen.
Reflektierte Auseinandersetzungen – das «Streitjournal»
Was ist ein Streitjournal?
Das Ziel bei diesem Journal ist es, die Situation und dabei auch mich selbst zu reflektieren. Ich gehe nach einem bestimmten Muster vor, notiere mir Gedanken zu bestimmten Fragestellungen und habe nach etwa einer halben Stunde alles beisammen, um reflektiert über die Streitsituation nachzudenken. So erkenne ich, wann ich mich für etwas entschuldigen muss, aber auch, wann es an der Zeit ist, dass mein Gegenüber auf mich zukommt. Wenn wir ganz ehrlich sind: Streit mit einer lieben Person ist nie angenehm. Es ist besser, man löst das Problem in seiner Tiefe und kratzt nicht nur an der Oberfläche. Ansonsten steht man zwei Wochen später wieder am gleichen Punkt.
Die einzelnen Punkte des Journals
1. Schritt: Situation beschreiben
Ich beschreibe jeweils zuerst was genau passiert ist. Dabei notiere ich nicht nur die Reaktion meines Gegenübers, sondern auch meine. Alles, was zum Eskalieren einer Situation beigetragen hat, wird notiert. So verschaffe ich mir einen Überblick.
2. Schritt: Triggerpunkte notieren
In einem zweiten Schritt notiere ich mir, was mich an der Situation gestört hat. Wieso bin ich traurig/enttäuscht/genervt/wütend? Welche Handlung meines Gegenübers hat diese Gefühle in mir ausgelöst? So werde ich mir klar, was mich überhaupt stört.
3. Schritt: meine eigenen Fehler reflektieren
Fast bei allen Auseinandersetzungen gehören immer zwei dazu. Und selbst wenn ich meiner Meinung nach nur kleine Fehler gemacht habe, ich notiere sie. Vielleicht war der Tonfall nicht angemessen, ich habe nicht richtig zugehört oder ich habe patzig reagiert. All das hilft mir, mich später aufrichtig zu entschuldigen und mein Verhalten in zukünftigen Auseinandersetzungen anzupassen.
4. Schritt: mögliche Optionen für weiteres Vorgehen überlegen
Nicht immer ist eine sofortige Entschuldigung die beste Option. Vielleicht braucht man selbst oder das Gegenüber noch etwas Zeit. Vielleicht ist man auch gar nicht selbst an der Reihe, sondern die andere Person sollte mal den ersten Schritt machen. Ich überlege mir jeweils alle Optionen, notiere mir die Vor- und Nachteile und entscheide erst dann, was ich als nächstes tue.
5. Schritt: das Positive notieren
Ja ich weiss, es wird langsam langweilig. Doch es hilft wirklich, sich die positiven Dinge einer scheinbar katastrophalen Situation bewusst zu machen. Ich notiere mir da jeweils gerne Sachen, die ich aus der Situation gelernt habe. Manchmal habe ich mich selbst besser kennengelernt. Das ist durchaus positiv, denn je besser man sich kennt, desto besser weiss man, wie man Konflikten aus dem Weg geht und wie man in bestimmten Situationen reagiert. Des Weiteren lernt man in einem Streit auch viel über das Gegenüber. Dies hat die gleichen Vorteile, wie wenn man sich selbst besser kennenlernt. Man weiss, wie das Gegenüber in bestimmten Situationen reagiert und welches die Triggerpunkte sind.
Letzte Anmerkung
Ich stelle dir jetzt noch zum Schluss eine letzte Frage: Was wäre das Allerschlimmste, was aufgrund der Auseinandersetzung passieren könnte? Niemand wird sterben. Die Welt geht nicht unter, auch wenn es kurz so aussehen mag.