Über eines seien sich die Gegner und die Befürworter der Biodiversitätsinitiative gleichermassen im Klaren. Die Biodiversität als wichtige Ressource zu erhalten und zu fördern, das sei im Urinteresse von jedem von uns, sagt Nina Gansner. «Ja, wir müssen schützen, was wir brauchen – und wir brauchen die Biodiversität, um zu überleben – das steht ausser Frage.» Trotzdem lehne sie die Initiative ab, weil diese eindeutig zu weit gehe. Sie persönlich hätte, wie übrigens die Wald- und Jagdverbände den indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative vollumfänglich unterstützt. «Die Biodiversitätsinitiative in ihrem jetzigen Umfang geht aber deutlich zu weit und wirkt sich voraussichtlich zu einschränkend aus.» Zudem sei es schon fraglich, wenn die Bundesverfassung mittels Volksinitiativen ständig mit weiteren Artikeln erweitert werde, welche eigentlich auf Gesetzesebene angesiedelt sein sollten – und auch schon seien. «Meine Ablehnung der Initiative ist damit also absolut kein Entscheid gegen die Biodiversität, im Gegenteil!»
Kein Mehrwert für den Wald
Dass die Landwirtschaft nicht begeistert sein wird bei der Biodiversitätsinitiative, war anzunehmen. Doch die Sicht der Seewiserin, die hauptberuflich als Forstingenieurin tätig ist, überrascht im ersten Moment. Doch Gansner stehe mit ihrer Meinung nicht alleine da. «Selbst der nationale Dachverband der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer ‘Wald Schweiz’ hat sich klar zu einer Nein-Parole bekannt.» Für den Wald habe die Biodiversitätsinitiative keinerlei Mehrwert, im Gegenteil – sie sei extrem und nicht zielführend. «Die Initiative ist für den Wald überflüssig, denn die Biodiversität im Wald ist schon heute unbestritten auf einem hohen Niveau. Das hat auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in seiner Publikation ‘Waldpolitik 2020’ bestätigt. Darin hebt es nicht nur die steigende ökologische Qualität der Schweizer Wälder hervor, sondern es betont auch deren Bedeutung für den Erhalt der heimischen Artenvielfalt. Zusammen mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat das BAFU zudem festgestellt, dass die Waldbiodiversität erhalten geblieben ist und sich im Einklang mit den waldpolitischen Zielen des Bundes entwickelt.» Der Wald bleibe wichtig für die Biodiversität. «Etwa sechzig Prozent der in unserem Land vorkommenden Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien sind auf den Lebensraum Wald angewiesen.» Der Wald habe aber auch noch andere Funktionen: Er sei Naherholungsgebiet, habe eine Schutzfunktion und auch eine Nutzfunktion. «Das Waldgesetz schreibt schon heute eine nachhaltige Waldbewirtschaftung vor. Diese unterstützt den Erhalt und die Förderung der Biodiversität im Wald bereits zum jetzigen Zeitpunkt, gleichzeitig schränkt sie die Waldeigentümerinnen und -eigentümer in der Nutzung aber stark ein.»
Missstand, der behoben werden muss
Laut Gansner ist die Initiative zu radikal. Denn bezogen auf den Wald hätte die Initiative wesentliche Auswirkungen, namentlich auf Waldpflege und Waldnutzung. Es bestehe die Gefahr, dass diese Initiative ein Türöffner werden könnte für weitere radikale Einschränkungen. «Mit der Forderung, die Natur auch ausserhalb von Schutzobjekten zu schonen, lässt zukünftige Forderungen erwarten und die Umsetzung ist völlig offen. Das Waldgesetz schreibt schon heute eine nachhaltige Waldbewirtschaftung vor. Diese unterstützt den Erhalt und die Förderung der Biodiversität im Wald bereits zum jetzigen Zeitpunkt, gleichzeitig schränkt sie die Waldeigentümerinnen und -eigentümer in der Nutzung aber stark ein.» Es werde dann schwierig auf die Nutzung nachhaltiger Ressourcen wie Schweizer Holz zu setzen – oder in unserem Fall auch auf Bündner oder Prättigauer. Somit hätte die Initiative nicht nur in der Landwirtschaft wesentliche Auswirkungen, sondern vor allem auch auf die Waldpflege und Waldnutzung, sagt die ehemalige Gemeindepräsidentin von Seewis. «Zudem würde sie die Waldeigentümerinnen und -eigentümer, das sind im Kanton Graubünden wie auch im Prättigau vor allem die Gemeinden, aber auch diverse private Waldbesitzende, einschränken.» Es gebe bessere Lösungen zu dem Thema. «Dass die Schweiz zu wenig für den Erhalt unserer Natur und Landschaft und damit unserer Lebensgrundlagen unternehme, wie es die Initianten behaupten, stimmt nicht. Das weise ich dezidiert zurück. Wir haben jetzt schon beste Grundlagen, Rahmenbedingungen und Instrumente dazu. Aber wir müssen sie auch nutzen, vollumfänglich ausschöpfen und eben auch durchsetzen.» Auch wenn Nina Gansner mit den Initianten von Pro Natura hart ins Gericht geht, über einige Punkte müsse doch gesprochen werden. «Wenn seitens der Befürworter moniert wird, dass nur knapp die Hälfte der als ökologisch wertvollen Flächen gemeldeten und entsprechend finanziell unterstützten Flächen auch tatsächlich als solche bewirtschaftet werden, dann ist das ein Missstand, der behoben werden muss. Aber es bestätigt nur, dass wir schon könnten, es aber (aus welchen Gründen auch immer) scheinbar nicht umsetzen.» Dort müsse man ansetzen und die bereits möglichen Massnahmen durchsetzen! Dies, wie sie abschliessend findet, «ohne neue Gesetze, ohne neue Vorgaben und ohne neue Einschränkungen!»